Pressestimmen

Karlsruhe bremst Fiskalpakt aus "Vorhersehbare Peinlichkeit"

Gauck hört auf Karlsruhe - und sagt erstmal Stopp zum Fiskalpakt.

Gauck hört auf Karlsruhe - und sagt erstmal Stopp zum Fiskalpakt.

(Foto: dapd)

Zwar einigen sich Regierung und Opposition auf die Details zum Fiskalpakt, jedoch wird der Plan vom Bundesverfassungsgericht und Bundespräsident Gauck umgehend ausgebremst. Nun herrschen Verwirrung und Ratlosigkeit. Die deutschen Tageszeitungen positionieren sich.

Die Neue Presse sieht das alles düster: "Für Angela Merkel werden die Spielräume immer geringer. Kaum hat sie mal einen kleinen Erfolg erzielt und sich mit der Opposition über den Fiskalpakt geeinigt, da funkt das Bundesverfassungsgericht dazwischen und appelliert an den Bundespräsidenten, das Gesetz über den Rettungsschirm noch nicht zu unterzeichnen. Karlsruhe will das Konstrukt erst noch mal in Ruhe prüfen. Stolpersteine, wohin man blickt. Man wird das dumpfe Gefühl nicht mehr los, dass es bald ein Ende haben könnte mit der ewigen Euro-Rettung."

Die Südwest Presse sieht das ähnlich: "Überraschend kam (…) die Mahnung aus Karlsruhe an den Bundespräsidenten hinzu, das Doppelgesetz nicht vor einer ersten Prüfung durch die Verfassungsrichter abzusegnen. Nun rächt sich, dass die Bundesregierung den Verfassungsrichtern im Verlauf der Banken- und Finanzkrise mehrfach Anlass gegeben hat, die unzulängliche Einbindung des Parlaments in weitreichende Beschlüsse zu rügen. Und dass Angela Merkel die notwendige Zustimmung der Opposition zum Fiskalpakt auf die lange Bank geschoben hat. Jetzt auch noch den Bundespräsidenten unziemlich unter Druck zu setzen, verschafft dem Vorgang eine Dramatik, die man besser vermieden hätte."

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Auch das Mindener Tageblatt schreibt: "Alles in allem: ein 'starkes Signal an die Finanzmärkte', das (…) frohgemute deutsche Politiker fast aller Lager in der Berliner Einigung erkennen wollten, ist wohl im Wesentlichen ein Phänomen der Eigenwahrnehmung. In der Wirklichkeit brodelt die Krise einfach weiter auf den vielen Herden rundum. Deutsche Befindlichkeiten spielen dabei zwar durchaus eine gewichtige Rolle - aber eben nur das. Dennoch: die Richtung Fiskalpakt ist richtig. Der Weg aber bleibt lang, kurvig und steinig. Und er wird an noch so manchem Abgrund vorbeiführen."

Die Landeszeitung sieht das so: "Die Kanzlerin wollte ein starkes Signal senden. Herausgekommen ist eine vorhersehbare Peinlichkeit. Wer die Abstimmung über Fiskalpakt und ESM zwei Tage vor dem geplanten Inkrafttreten ansetzt, muss sich nicht wundern. Zumal die Linken schon früh ihr Nein zum Fiskalpakt und ihr Ja zu einer Klage betont haben. Und dass Karlsruhe angesichts der großen Bedeutung des Fiskalpaktes Zeit braucht, lag ebenfalls nicht außerhalb des schwarz-gelben Horizonts. Dabei ist der Fiskalpakt kein finanzpolitisches Teufelszeug, sondern eine Notwendigkeit. Nur so kann der Irrsinn immer höherer Verschuldung aufgehalten werden. Im Sinne einer nachhaltigen Finanzpolitik, die nachfolgenden Generationen Luft zum Agieren lässt. Im Sinne eines einigen Europa."

Die Rhein-Zeitung merkt an: "Karlsruhe lässt die Manager des Parforcerittes spüren, dass auch ihr Vorgehen Risiken enthält, dass Zeitpläne auch und gerade scheitern können, wenn es besonders schnell gehen soll. Das Verfassungsgericht ermahnt die Politik, seine Entscheidungen ernst zu nehmen. Die Karlsruhe Klatsche für die Regierung wegen mangelhafter Beteiligung des Bundestages an der Euro-Rettungspolitik liegt nur zwei Tage zurück. In jenem Fall gaben die Richter den Grünen Recht. Nun lassen sie keinen Zweifel, dass auch für die Bedenken der Linken und weiterer Gruppen außerhalb des Bundestages genügend Raum sein muss. Oder anders ausgedrückt: Wer auf Karlsruhe nicht hören will, der muss halt manchmal fühlen, wo es lang geht."

Der Münchner Merkur heißt den Wink aus Karlsruhe gut: "Streit gehört zur Demokratie wie das Wasser zum Leben. Nicht das zähe, jetzt beendete Ringen zwischen Regierung und Opposition um den Fiskalpakt befremdet daher, sondern das Fehlen jeglicher Parteiendebatte um dessen Zwillingsbruder ESM. Für den Euro-Rettungsschirm, für den sich Deutschland bis zur Halskrause in Finanzabenteuer stürzt, interessieren sich offenbar nur die Verfassungsrichter. Erst der Rüffel für die Geheimiskrämerei der Regierung. Und jetzt die Intervention beim Bundespräsidenten. Gut, dass sich Joachim Gauck, anders als Horst Köhler bei der Griechen-Rettung, diesmal nicht von der Kanzlerin zu einer Blitzunterschrift nötigen lässt, um am Verfassungsgericht vorbei in verdächtiger Hast vollendete Tatsachen zu schaffen."

Die "Bild"-Zeitung hat sich folgende Meinung gebildet: "Dieses Urteil ist ein Paukenschlag! Die Verfassungsrichter in Karlsruhe greifen der Bundesregierung bei der Euro-Rettung in voller Fahrt in die Speichen. In höchster Eile sollten der Euro-Rettungsfonds ESM und der Fiskalpakt durch Bundestag und Bundesrat gepeitscht werden, und am liebsten wäre es der Koalition wohl gewesen, der Bundespräsident hätte noch in der gleichen Nacht beides mit seiner Unterschrift in Kraft gesetzt. Daraus wird nun nichts! Zu Recht! Denn auch bei der Euro-Rettung kann die Devise nicht lauten: Not kennt kein Gebot. Bundespräsident und Verfassungsgericht müssen diese Gesetze gründlich prüfen. Dazu braucht es Zeit. Ganz besonders dann, wenn es um unser Geld geht!"

Und die Süddeutsche Zeitung schreibt abschließend: "Die Richter waren lange geduldig. Sie haben dem Grundgesetz so viel Europa entnommen, wie nur irgend möglich war. Sie haben den Bau des europäischen Hauses wohlwollend begleitet. Das Wohlwollen endet aber, wenn beim Bau die Demokratie zu Schüttmaterial wird. Diese Gefahr ist nun akut. ESM und Fiskalpakt greifen in den Kern der Haushaltsautonomie des Bundestags ein. Womöglich werden nun die Verfassungsrichter urteilen, dass die Möglichkeiten des Grundgesetzes ausgeschöpft sind. Sie werden dann die neuen Verträge nur akzeptieren, wenn in nützlicher Frist das Volk mitentscheiden darf."

Quelle: ntv.de

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