Minarett-Verbot in der Schweiz "Votum war Volkes Stimme"
30.11.2009, 21:13 UhrNach dem Schweizer Volksentscheid gegen den Bau von Minaretten ist auch in Deutschland eine Debatte über Islamfeindlichkeit entbrannt. Politiker aller Parteien kritisierten das Votum der Eidgenossen einhellig. Doch auch hierzulande gibt eine wachsende Furcht vor einem zu starken Einfluss des Islams. Die Presse ist sich deshalb einig: das Ergebnis hätte in Deutschland vermutlich nicht anders ausgesehen.

Das Minarett der im Bau befindlichen Esslinger Moschee vor der Kuppel der griechisch-orthodoxen Kirche "Mariä Verkündigung".
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Auch wenn es noch so weh tue: "Das Schweizer Votum war keineswegs nur die in Wahlkreuze gegossene Hasspredigt weniger Hinterwäldler, sondern Volkes Stimme", formuliert der Westfälische Anzeiger aus Hamm. Und auch in Deutschland "sollte kein Politiker und kein Kirchenvertreter zu sicher sein, dass ein bundesweites Referendum mit gleicher Fragestellung nicht zu einem ähnlichen, wenn nicht noch deutlicheren Ergebnis führen würde. Wenn man die rechtlichen Zügel nur locker ließe ...".
Der Ausgang des Schweizer Volksentscheids "sollte ganz Europa interessieren, weil leider zu befürchten ist, dass sich das Abstimmungsergebnis bei ähnlicher Fragestellung durchaus wiederholen dürfte - gäbe es die Schweizer Form der direkten Demokratie auch in anderen europäischen Ländern, etwa in Frankreich oder Deutschland", meint die Süddeutsche Zeitung. Man müsse sich nur eine zynische Kampagne dazu denken, so wie sie die rechtslastigen helvetischen Parteien anfachten, um irrationale Ängste zu schüren". Denn auch das sei ein Schweizer Befund: "Die meisten Unterstützer fand das Anti-Minarett-Begehren dort, wo es - wie in den ländlichen Regionen - die wenigsten Muslime unter den Eidgenossen gibt. Es braucht also keine Muslime, um sich vor Muslimen zu fürchten."
Das Nein zum Minarett-Bau hat nach Ansicht der Stuttgarter Nachrichten "mit Fremdenfeindlichkeit so gut wie nichts, mit dem Auftreten einer kleinen radikal-islamischen Minderheit aber sehr wohl zu tun". Denn: "Diese Minderheit versteht unter Integration nicht gegenseitige Toleranz, sondern erkennt darin die Chance, ihr religiös dominiertes politisches Süppchen zu kochen", begründet das Blatt seine Ansicht. Sie sei es auch, "die in der Öffentlichkeit das Bild von einem bedrohlichen Islam prägt, dem die muslimische Mehrheit, die in Deutschland zu Hause ist und sich hier wohlfühlt, zu wenig entgegensetzt".
"Toleranz ist anstrengend", ist in der Mitteldeutschen Zeitung aus Halle zu lesen. "Wer sie von andern verlangt, muss sie selbst üben. Eine Forderung, die sich an alle richtet - auch an die Muslime". Morddrohungen gegen missliebige Schriftsteller, Hasskampagnen gegen als blasphemisch empfundene Karikaturen - all dies sei "den Schweizern und Sarrazins dieser Welt ein gefundenes Fressen". Dennoch bleibe darauf zu bestehen: "Wer von Einwanderern und Eingewanderten Anpassung verlangt, muss zur Anerkennung bereit sein. So viel zum philosophischen Teil der Debatte. Aber wenn von Grundwerten die Rede ist, muss ein bisserl abendländische Volkshochschule sein".
Der Express konstatiert: "In der Demokratie soll alle Macht vom Volke ausgehen". Doch, so das Kölner Blatt weiter, "das Votum der Schweizer für ein Minarett-Verbot zeigt die Grenzen der direkten Demokratie auf. Über Menschenrechte kann und darf man nicht abstimmen lassen. Sie sind verbrieft und nicht verhandelbar. Die Freiheit der Religionsausübung gehört dazu. Minarette grundsätzlich zu verbieten verstößt elementar gegen dieses Grundrecht. Vorbehalte von Anwohnern gegen Moscheebauten sollten im Dialog der Interessengruppen vor Ort diskutiert und ausgeräumt werden. Verbote verstärken nur das gegenseitige Misstrauen".
Die Main-Post findet es "zumindest diskussionswürdig", ob so zentrale Fragen wie die Religionsfreiheit überhaupt Gegenstand einer Volksabstimmung sein dürfen. "Europa, ja der ganze Westen definiert sich nun einmal durch unveräußerliche Menschenrechte. Rechte, die einem Menschen von Geburt an zustehen", erinnert die Würzburger Zeitung. "Ein hoher Anspruch, gerade wenn andere es mit der Umsetzung nicht so genau nehmen. Vertretern des Islam dennoch in westlichen Demokratien weitreichende Rechte zuzusprechen, das erst macht die Werte unserer westlichen Zivilisation so überlegen, so wertvoll und letztlich in der Weltgeschichte auch so erfolgreich".
Quelle: ntv.de, Zusammengestellt von Susanne Niedorf