Ohne Geld ins Eigenheim? Darum ist Vollfinanzierung gefährlich
09.04.2015, 09:35 UhrZum Bauen fehlt zwar das Geld, aber es gibt ja die Bank, die einem auch ohne Eigenkapital welches leiht. Doch auch wenn die Zinsen derzeit denkbar günstig sind, kann die Sache gehörig ins Auge gehen.

Dank niedriger Zinsen ist die Verlockung groß, ein Haus allein auf Pump zu finanzieren.
(Foto: imago/McPHOTO)
Die Hypothekenzinsen sind seit Jahren im Keller und es sieht nicht so aus, als würden sie so schnell wieder nach oben klettern. Das lässt den Traum vom eigenen Heim auch für jene greifbar erscheinen, die ihn sich sonst nicht leisten könnten. Denn Finanzierungen scheinen jetzt auch ohne einen Cent Eigenkapital erschwinglich. Die Vollfinanzierung hat zunächst den Vorteil, dass Bauherr oder Käufer weiter liquide bleiben. Sie hat jedoch auch einige Fallstricke. Interessenten sollten sich deshalb unbedingt ausreichend beraten lassen:
Brutto- und Nettofinanzierung: Von Vollfinanzierung ist die Rede, wenn der angehende Immobilienbesitzer einen Kredit über 100 Prozent des Kaufpreises aufnimmt. Das ist die Netto-Finanzierung. Darüber hinaus müssen Maklerprovision, Notargebühren, Grundbucheintrag und Grunderwerbssteuer sowie Umzug und Renovierung einkalkuliert werden. Diese Posten zusammengenommen entsprechen der Brutto-Finanzierung.
Wer sich das Geld für diese Zusatzausgaben leihen will, benötigt deutlich mehr als eine 100-prozentige Finanzierung. Die meisten Banken lassen sich entweder nicht darauf ein oder verlangen einen Risikoaufschlag in Form höherer Kreditzinsen. Michael Knobloch vom Institut für Finanzdienstleistungen (iff) rät daher, mindestens die Nebenkosten und den Umzug aus Eigenkapital zu bestreiten.
Laufzeit und Tilgung: Wer viel Geld aufnimmt, stottert lange ab. Bei einer 100-Prozent-Finanzierung mit nur einem Prozent Tilgung und günstigen 2 Prozent Zinsen dauert es über 50 Jahre, bis die Hypothek abbezahlt ist. Bis dahin steht die Bank mit im Grundbuch.
Die niedrigen Zinsen verlocken zwar zu einer höheren Tilgung. Aber schon eine Rate von zwei Prozent bringt die meisten Verbraucher ans finanzielle Limit. Nach Erfahrung von Christiane Kienitz von der Verbraucherzentrale Hessen können nur Gutverdiener eine solche monatliche Belastung stemmen. "Für andere ist das kaum tragbar."
Anschlussfinanzierung und Preisschwankungen: In Hypothekenverträgen wird üblicherweise eine Zinsbindung von zehn Jahren festgeschrieben. Steigen die Zinsen, wird es bei einer Vollfinanzierung mit Ablauf der Frist eng. "Hohe Folgerate bei der Anschlussfinanzierung", fasst Kienitz das Phänomen zusammen.
Ein weiteres Risiko sieht Michael Knobloch in Marktpreisschwankungen. Sinkende Immobilienpreise oder Wertverlust könnten Kreditnehmer in die Bredouille bringen, die sich von Haus oder Wohnung noch während der Kreditlaufzeit trennen müssen. "Sie haben für 350.000 Euro gekauft, können aber nur für 300.000 Euro verkaufen".
Werthaltigkeit und Wechselfälle des Lebens: Die niedrigen Zinsen verlocken zur Aufnahme hoher Hypotheken. In der Annahme "das geht schon" neigen kaufwillige Verbraucher nach Einschätzung des Frankfurter Finanzberaters Max Herbst manchmal zur Selbstüberschätzung: "Ich lebe in einer Luxuswohnung, dann kaufe ich auch eine Luxuswohnung." Ob das Objekt sein Geld wert ist, darüber gehen die Meinungen oft auseinander. Während der Kreditnehmer für die Traumwohnung eine halbe Millionen Euro auf den Tisch blättern will, würde die Bank nur ein Darlehen über 400.000 Euro gewähren. Aus ihrer Sicht entspricht das aber einer 100-Prozent-Finanzierung.
Scheidung, Kinder, Jobverlust, Krankheit – die Unwägbarkeiten des Lebens können jeden treffen. Bei einer Vollfinanzierung schlägt jede Veränderung des Einkommens aber besonders ins Kontor. Wer bereits mit der Rate an die Grenze gegangen ist, hat normalerweise keine Chance mehr, finanzielle Engpässe aufzufangen. Im schlimmsten Fall droht der Notverkauf zu einem geringeren Preis und dann ist das finanzielle Desaster perfekt.
Quelle: ntv.de, ino/dpa