Berlin & Brandenburg 20.000 Berliner Haushalte am zweiten Tag weiter ohne Strom
10.09.2025, 13:02 Uhr
Handyempfang weg, Schulen zu, Pflegeheime im Dunkeln: 20.000 Haushalte sind auch nach 24 Stunden ohne Strom. Wann könnte es wieder Licht geben?
Berlin (dpa/bb) - Am zweiten Tag des großflächigen Stromausfalls im Südosten Berlins sind noch Zehntausende Menschen und zahlreiche Firmen und Geschäfte ohne Elektrizität geblieben. Der Netzbetreiber Stromnetz Berlin sprach am Morgen von rund 20.000 Haushalten, die nach mehr als 24 Stunden noch betroffen waren.
Die Reparaturen an den durch einen mutmaßlich linksextremistischen Brandanschlag zerstörten Starkstromkabeln im Ortsteil Johannisthal liefen in der Nacht weiter und sollen den ganzen Tag über fortgesetzt werden. Nach und nach sollen weitere Gebiete wieder an das Stromnetz angeschlossen werden. Es werde aber voraussichtlich noch bis Donnerstagabend dauern, bis die Stromversorgung überall wieder hergestellt sei.
Der aktuelle Stromausfall rund um den Stadtteil Adlershof mit seinem Technologiegelände betraf seit Dienstagmorgen anfangs 50.000 Haushalte und Firmen. Darunter waren auch am Mittwoch noch Schulen, die geschlossen hatten, S-Bahnhöfe, Einkaufszentren, einzelne Geschäfte und Pflegeheime. Ein Krankenhaus befindet sich nicht in dem Gebiet.
Stromausfall größer als 2019
Inzwischen dauert der Blackout schon länger als der große Stromausfall 2019 in Köpenick, als 30 Stunden lang mehr als 30.000 Haushalte ohne Elektrizität waren.
Die Nacht in den betroffenen Gebieten verlief aus Sicht der Feuerwehr "weitestgehend ruhig". "Zahlreiche Einsatzkräfte, vor allem aus den Hilfsorganisationen und den Freiwilligen Feuerwehren, sorgten für Sicherheit und eine ständige Erreichbarkeit", teilte die Feuerwehr mit.
"Es gab nicht mehr Notrufe als sonst, eher weniger", sagte ein Sprecher. Vereinzelt seien auch Menschen an den extra eingerichteten Anlaufstellen erschienen und hätten um Hilfe gebeten.
Handynetz abhängig von elektrisch betriebenen Mobilfunkmasten
Weil das Handynetz durch den fehlenden Strom schwächer und teilweise gar nicht mehr vorhanden ist, kann nur eingeschränkt telefoniert werden. Das betreffe aber nicht speziell die Notrufnummern 112 und 110, sondern alle Telefonverbindungen, sagte der Feuerwehrsprecher. Ohne Mobilfunknetz könne man nicht mehr telefonieren. Die Mobilfunkmasten auf Häusern werden über das normale Stromnetz betrieben, haben aber für Notfälle auch Akkus, die eine Zeit lang reichen.
Die Feuerwehr hatte zudem am Dienstag vier sogenannte Katastrophenschutz-Leuchttürme aufgestellt, an denen betroffene Anwohner etwa ihr Handy aufladen können und Informationen erhalten. Nachts wurde auch vom Technischen Hilfswerk (THW) Beleuchtung an einem Bahnhof und Notstrom an Anlaufstellen zur Verfügung gestellt.
Bezirksbürgermeister Oliver Igel (SPD) sagte in einem Video, das auf X veröffentlicht wurde, dass es in der Nacht nur wenig Notfälle mit dringenden Angelegenheiten gegeben habe. Die Menschen in den Gebieten ohne Strom könnten an bis zu 15 Notfall-Standorten Hilfe erhalten und Notrufe absetzen.
Das Bezirksamt sei weiterhin erreichbar und biete seine volle Unterstützung an. Betroffen sind die Ortsteile Niederschöneweide, Köpenick, Grünau, Johannisthal, Adlershof, Bohnsdorf und Altglienicke.
Reparaturarbeiten laufen
Stromnetz Berlin arbeitet daran, den Schaden zu reparieren. "Die durch den Brand beschädigten Leitungen sind aktuell leider nicht nutzbar", teilte das Unternehmen mit. Deshalb müssten in Johannisthal mehrere Kabel miteinander verbunden werden. Die ganze Nacht hindurch seien Kabel dafür aus der Erde geholt und mit großen Kupplungen, sogenannten Muffen, miteinander verbunden worden.
"Diese Muffen sind mehr als zwei Meter groß und verbinden armdicke Kabel. Sie müssen staubfrei montiert werden. Das ist sehr komplex und dauert etliche Stunden", hieß es von Stromnetz Berlin.
Mutmaßlicher Brandanschlag
Nach dem Brandanschlag wurde ein Bekennerschreiben auf der linksradikalen Internetseite "Indymedia" veröffentlicht. Der Polizei zufolge ist es authentisch. Der Anschlag gelte den Technologiefirmen und Forschungseinrichtungen aus den Bereichen IT, Robotik, Bio- & Nanotechnologie, Raumfahrt sowie Sicherheits- und Rüstungsindustrie am Standort Adlershof, hieß es in dem Text, der unterzeichnet war mit "Einige Anarchist:Innen". Polizei und Staatsanwaltschaft teilten zunächst keine neuen Erkenntnisse zum Anschlag mit.
Hatten die Täter Insiderwissen zur Stromversorgung?
Der Berliner SPD-Innenpolitiker Martin Matz sagte, für eine solche Tat sei Spezialwissen nötig. "Wenn man sieht, wo diese Strommasten in Johannisthal stehen oder gestanden haben, dass die etwas mit der Stromversorgung in Adlershof zu tun haben, ist nicht so völlig einsichtig", sagte Matz im RBB-Inforadio. "Mindestens stellt sich die Frage, ob möglicherweise Insider-Informationen oder Informationen, wie man so was genau macht, weitergegeben worden sind."
Allerdings gibt es immer wieder Berichte, dass Pläne zur Stromversorgung von Metropolen etwa durch Cyberangriffe von Hackern gestohlen werden können.
Grüne: Blackout ist Alarmsignal
Nach Einschätzung der Berliner Grünen sollte der Stromausfall ein "Alarmsignal" sein. "Unsere kritische Infrastruktur ist nicht ausreichend vorbereitet", sagte die Sprecherin für Sicherheitspolitik, Gollaleh Ahmadi. Berlin sei weder auf solche technischen Störungen noch auf politisch motivierte Angriffe von innen wie von außen ausreichend eingestellt. "Man muss sich fragen, was passiert, wenn nicht nur ein Stadtteil, sondern mehrere Bezirke oder gar die gesamte Stadt lahmgelegt werden, etwa durch Cyberangriffe".
Der Grünen-Innenpolitiker Vasili Franco kritisierte: "Es darf nicht sein, dass kritische Infrastruktur alleine durch das Lahmlegen eines Kabels kollabiert." Bestimmte Stellen der Stromversorgung müssten besser gesichert werden. In der Lagebewältigung habe es große Probleme gegeben. "Krisenstäbe wurden spät eingerichtet, die Katastrophenschutzdatenbank des Landes fiel aus und es gab vielerorts Abstimmungsschwierigkeiten zwischen den beteiligten Stellen."
Quelle: dpa