Geschäft mit dem Untergang Belfast baut Titanic-Viertel
24.05.2009, 09:32 Uhr
Historisches Foto mit der Queens Road im Belfaster Hafenviertel, während die Titanic (im Hintergrund auf der Helling) gebaut wurde.
(Foto: dpa)
In Belfast glauben sie an den Untergang. Denn auch ein Untergang kann Geld bringen. Vor allem, wenn es sich um einen aus längst vergangenen Zeiten handelt.
Vor fast 100 Jahren sank die Titanic und riss etwa 1500 Menschen in den Tod. Belfast, die Geburtsstadt des Dampfers, brauchte fast ebenso lange, um sich zu dem Unglücksschiff zu bekennen. Nun entsteht im Hafen, in dem die Titanic einst gebaut wurde, eines der größten Städtebauprojekte Europas: Das Titanic Quarter. Bis zum 100. Jubiläum des Untergangs im April 2012 sollen hier Luxusappartements, ein Unternehmenspark und vor allem ein modernes Titanic-Museum die Menschen in Scharen locken. Doch die Wirtschaftskrise bringt das Milliardenprojekt in schwere Fahrwasser.
Erbe gammelt vor sich hin
"Das Potenzial der Titanic wurde bisher noch nicht ausgeschöpft", erklärt Mike Smith, Chef des Titanic Quarters, "die Leute mochten sich lange nicht mit dem Schiff identifizieren - schließlich ist es untergegangen." Tatsächlich gammelte dort, wo das berühmteste Schiff der Welt vom Stapel lief, das Erbe bisher vor sich hin. Auf dem Helling, auf dem die Titanic für ihre Jungfernfahrt im April 1912 zu Wasser gelassen wurde, trotzt einzig Unkraut dem steifen Wind. Von historischem Erbe ist hier genauso wenig zu spüren wie in den Hallen, in denen das Schiff einst entworfen wurde. Dort blättert der Putz von den Wänden, durch das Fenster tropft Regen. Dies alles wird nun für das neue Viertel restauriert und aufgehübscht.
Denn derzeit irren Touristen auf der Suche nach der Titanic noch durch Baustellen und wüste Hafenlandschaften, bis sie auf die bisher einzig restaurierte Titanic-Attraktion stoßen: das Trockendeck, in dem der Luxuskreuzer fertiggestellt wurde, sowie das dazugehörige Pumpenhaus. "Viele Menschen in Belfast wissen gar nicht, dass die Titanic hier gebaut wurde, man hat darüber geschwiegen", sagt John Higgins, der selbst früher bei der Titanic-Werft Harland and Wolff arbeitete und heute für das neue Viertel wirbt.
Konflikt schreckt Touristen ab
In Belfast war man zudem lange Zeit mit dem Konflikt zwischen Protestanten und Katholiken und Anschlägen von Terrorgruppen wie der IRA beschäftigt. "So was zieht natürlich keine Touristen an", sagt die Belfaster Stadträtin Naomi Long. Jetzt aber, nachdem vor elf Jahren ein Friedensabkommen unterzeichnet wurde, erhole sich die Stadt langsam von ihrem miesen Image. Belfast will jetzt Titanic statt Terror sein.

Computerbild der Helling (Vordergrund), auf der die Titanic einst gebaut wurde und eines Museums (M) im künftigen Titanic-Viertel im Hafen von Belfast
(Foto: dpa)
Nach dem Hollywood-Film "Titanic" 1997 reifte die Idee, den Dampfer zum Marketing zu nutzen. Nun sollen künftig bis zu eine halbe Million Besucher pro Jahr in das Titanic-Erlebniszentrum kommen, dessen Form an das Guggenheim Museum in Bilbao erinnert. Neben der Guinness-Brauerei in Dublin soll es zum Topmagneten auf der irischen Insel werden. Einige scheuen selbst vor Vergleichen mit dem Pariser Eiffelturm und der Oper in Sydney nicht zurück.
Besonders tief in der Krise
Doch nicht alle geraten in Verzückung, wenn sie an das Vorhaben denken. Denn Nordirland steckt besonders tief in der Wirtschaftskrise. Wer hat schon das Geld, in ein Luxusappartement zu ziehen, wenn der Arbeitsplatz weg ist? Und welches Unternehmen will mitten in der Rezession Millionen investieren, lauten die Fragen vieler Bürger. Und wollen sich die Leute wirklich in ein "Fliegendes Theater" in dem Museum wagen, in dem sie ein Schiff hautnah erleben sollen, das im eiskalten Atlantik einen Eisberg rammte, unterging und so viele Menschen in den Tod riss?
Smith bleibt trotz allem optimistisch. Zwar liegen die Kosten allein für die erste Bauphase des Projekts bei umgerechnet fast 1,5 Milliarden Euro, und nur für das Titanic-Museum hat die nordirische Regierung Unterstützung zugesagt, der Rest muss aus privaten Mitteln bestritten werden. Aber glücklicherweise habe das Titanic Quarter schon vor der Krise Geld gesammelt, erklärt Smith. Und schmücken könnte sich die Stadt nun endlich auch mit der Titanic. Denn: "Als sie Belfast verließ, war sie ja noch in Ordnung."
Quelle: ntv.de, Annette Reuther, dpa