Reise

Portugals erste Hauptstadt Buntes Coimbra

Touristen, die beschauliche Ruhe suchen, sollten in Coimbra nur kurz verweilen. Studentisches Leben prägt die portugiesische Universitätsstadt knapp 200 Kilometer nördlich von Lissabon. Entsprechend bunt ist das Treiben während der Semester.

Besucher und Studenten verweisen stolz auf die Vergangenheit Coimbras: "Portugals erster König Alfons I. richtete an dieser Stelle 1139 seine Hauptstadt des jungen Staates ein", sagt der angehende Historiker Francisco Souza. Er spricht gern mit Fremden über die Geschichte, die er später einmal an Schulen lehren wird.

Die Kathedrale aus dem 12. Jahrhundert erhebt sich hoch über der Stadt. "Es ist der bedeutendste romanische Kirchenbau in Portugal", ergänzt Souzas Kommilitone Teixeira Lomos. "Besonders sehenswert ist der Kreuzgang, eine Mischung von Romanik und Gotik."

Direkt neben der Kathedrale liegt die alte Universität mit dem Glockenturm als Wahrzeichen. "Wir nennen ihn seit jeher "cabra" (Ziege), weil die Glocke einen so meckernden Klang hat", sagen Souza und Lomos wie aus einem Mund. Störend wirken die Betonklötze, die vor etwa sechs Jahrzehnten als neue Fakultäten hingesetzt wurden.

Von einem alten Befestigungsturm der mittelalterlichen Stadtmauer in der Unterstadt nahe des Rio Mondego führen enge, steile Gassen und Treppen in die Almedina, die Altstadt. Sie war einst dem Adel, der Geistlichkeit und den Studenten vorbehalten. Die übrige Bevölkerung siedelte an den Ufern des Flusses, der in den Atlantik mündet.

Schmuckstück der im ehemaligen Königspalast untergebrachten Universität ist die im Barockstil mit viel Gold gestaltete Bibliothek aus dem Jahr 1717. Etwa 250 000 Bücher aus dem 16. Jahrhundert und der Zeit davor stehen hier. Besucher werden schon lange nur noch in begrenzter Zahl eingelassen. Im Festsaal mit der vertafelten Decke erhalten die Studenten auch heute noch ihre Promotionsurkunden.

Pedro da Silva, der Rechtswissenschaft studiert, trägt über seinem dunklen Anzug einen schwarzen Umhang. Er ist nicht der einzige, der in dieser akademisch-traditionellen Kleidung erscheint. Der Laptop, den er aus der Tasche zieht, gehört zur neuesten Produktion. "Das ist kein Widerspruch", meint er. "Wir pflegen hier Traditionen ebenso wie liberales, ja fast schon revolutionäres Denken."

Studenten in Coimbra waren ein tragender Faktor der Opposition in den siebziger Jahren. Ein hier geschriebenes Lied war das Signal zur "Nelkenrevolution" am 25. April 1974, mit der Offiziere das faschistische Regime nach mehr als drei Jahrzehnten stürzten.

Coimbra ist reich an Zeugen der Vergangenheit. Aus dem 12. Jahrhundert stammt die Kirche Santa Cruz, wo heutige Besucher in den Gewölben der ehemaligen Sakristei Kaffee und Bier serviert bekommen. Sehenswert sind auch die Markthallen, die drei Stockwerke einnehmen. Knapp 20 Kilometer außerhalb liegen die gut erhaltenen Ruinen der einstigen römischen Siedlung Conimbriga.

In einer Parklandschaft südlich des Mondego steht das luxuriöse Hotel "Quinta das Lagrimas", das Landgut der Tränen. Fremdenführerin Sonia Alvares verbindet den Namen sofort mit einem Liebesdrama aus dem 14. Jahrhundert, das sich hier abspielte: "Königssohn Pedro wurde vom Vater zur Heirat mit der Spanierin Constanza gezwungen, liebte aber die Hofdame Ines. Nach dem Tod seiner Frau ehelichte er sofort die Geliebte, die der Herrscher aber umbringen ließ. Als Pedro zwei Jahre später selbst den Thron bestieg, rächte er sich blutig an den Mördern. In der Kathedrale krönte er den Leichnam seiner Frau und zwang alle Hofschranzen zum Handkuss." Coimbra ist eben nicht nur eine Stadt voller Geschichte, sondern auch eine voller Geschichten.

Quelle: ntv.de

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