Ein Fall für die EU-Kommission Europa soll Top-Reiseziel bleiben
01.07.2010, 14:40 UhrIm Jahr 2008 galt Europa mit einem Marktanteil bei den internationalen Anreisen von mehr als 40 Prozent weltweit noch als "Top-Reiseziel" für Touristen. 2009 war dies bereits anders: Wirtschaftskrise und Flugverbote ließen die Zahlen einbrechen. Dies soll sich wieder ändern.

Die EU-Kommission schlägt eine bessere Koordinierung von Schulferien in Europa vor.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Die EU-Kommission will den Tourismus in Europa mit Initiativen der Mitgliedstaaten und Mitteln aus europäischen Fördertöpfen unterstützen. Europa müsse seine Spitzenstellung im Tourismus behaupten, sagte der zuständige Industriekommissar Antonio Tajani am Mittwoch in Brüssel. Der Branche müsse neues Leben eingehaucht werden, nachdem sie unter der Wirtschaftskrise massiv gelitten hätte. Im vergangenen Jahr war die Zahl der Besucher Europas nach Daten der Welttourismus-Organisation um 5,6 Prozent auf 460 Millionen gesunken.
Die Kommission werde sich dafür einsetzen, dass Mittel aus den verschiedenen EU-Fördertöpfen wie Struktur- oder Landwirtschaftsfonds für den Tourismus mobilisiert werden. Um welche Summen es sich dabei handeln würde, konnte die Kommission jedoch nicht beziffern. Tajani will bei den Verhandlungen über den nächsten langfristigen Finanzrahmen der EU ab 2014 prüfen lassen, ob es ein spezielles Förderinstrument für den Tourismus geben könnte. Die rund 1,8 Millionen Unternehmen des Sektors beschäftigen gut fünf Prozent der Arbeitnehmer in der EU und tragen mehr als fünf Prozent zur gesamten Wirtschaftsleistung bei.
Der Industriekommissar will den Tourismus mit 21 EU-weiten Initiativen vorantreiben wie Austauschprogrammen für Jugendliche, Senioren oder sozial schwache Familien, die sich keinen Urlaub leisten können, oder einem EU-weiten Label für umweltfreundlichen Tourismus.
Flexiblere Schulferien in Europa
Schulferien in der EU sollen künftig flexibler gehandhabt werden. Die EU-Kommission setzt sich dafür ein, dass die 27 Mitgliedstaaten ihre Ferienpläne aufeinander abstimmen. "Eine bessere Koordinierung wäre hilfreich, um Stoßzeiten abzubauen", sagte Tajani. Außerhalb der Hochsaison leide die Tourismusbranche unter leeren Betten und müsse Saisonkräfte entlassen.
Allerdings sollten die Mitgliedstaaten ihre Schulferien freiwillig absprechen - die Kommission hat in diesem Bereich keine Kompetenz. "Wir wollen nicht über den Vertrag von Lissabon hinausgehen und uns in die Kompetenzen der Mitgliedsstaaten oder Regionen einmischen", so Tajani.
Die Reaktion der deutschen Kultusministerkonferenz (KMK) in Bonn fiel entsprechend verhalten aus. Dort verwies man auf die flexiblen Ferienregelungen der 16 Bundesländer - das deutsche System entzerre die Termine. So erstreckten sich die sechswöchigen Sommerferien der einzelnen Länder über einen Zeitraum von Mitte Juni bis Mitte September, wovon auch der Tourismus profitiere. Hinzu kämen flexible Termine für die Herbst,- Weihnachts- und Osterferien sowie in einigen Ländern auch Winterferien.
Gütesiegel für ökologische und soziale Standards
Zudem soll ein Gütesiegel entwickelt werden, welches die Berücksichtigung von ökologischen und sozialen Standards bei einzelnen Reisezielen ausweist. Die Kommission will auch grenzüberschreitende Reisen fördern, die sich ganz um ein Thema drehen, darunter beispielsweise "Geschichts-, Sport-, Religions- und Landwirtschafts-Tourismus".
Außerdem plant Brüssel, die Tourismussaison zu verlängern, indem Jugendliche, Behinderte oder Senioren über Austauschprogramme in der Nebensaison verreisen können. "Ein finnischer Rentner, der Rheuma hat, könnte nach Sizilien reisen, wo es wärmer ist", sagte Tajani. Besucher aus China oder Russland sollen mit besseren Internetseiten über europäische Reiseziele in ihren Muttersprachen angelockt werden. Jugendlichen könnte das Reisen erleichtert werden durch die Möglichkeit, Flüge oder Hotels über das Handy zu buchen.
Die weltweite Wirtschaftskrise - die 2009 den Tourismus in Europa um fünf Prozent zurückgehen ließ - aber auch das Flugverbot nach dem Ausbruch des isländischen Vulkans Eyjafjalla hatten die Debatte angefacht. Große Touristikkonzerne fordern seitdem verstärkt die Unterstützung der Politik.
Jährlich zählen die EU-Staaten insgesamt 370 Millionen Touristen, die fünf Prozent der Wirtschaftsleistung beisteuern.
Quelle: ntv.de, AFP, dpa, rts