Reise

Schiffsunglücke - na und? Kreuzfahrer-Stimmung ungetrübt

Mit einem Tagfeuerwerk wurde in Kiel das Kreuzfahrtschiff "AIDAcara" verabschiedet. Mit dem Auslaufen zur Nordeuropa-Tour startet Aida die Kreuzfahrtsaison 2012.

Mit einem Tagfeuerwerk wurde in Kiel das Kreuzfahrtschiff "AIDAcara" verabschiedet. Mit dem Auslaufen zur Nordeuropa-Tour startet Aida die Kreuzfahrtsaison 2012.

(Foto: dpa)

Trotz der Havarien in den vergangenen Monaten beginnt die Kreuzfahrt-Saison in Kiel mit einem ausgebuchten Schiff. Auch der Brand auf einem Luxusschiff in Südostasien scheint die Stimmung vieler Passagiere nicht zu trüben.

Die Kreuzfahrtbranche in Deutschland

Seit Jahren ist die Kreuzfahrtbranche der große Boom-Sektor im Tourismus. Galten Kreuzfahrten angesichts hoher Preise lange Zeit als Nische, ist die Branche längst auf dem Weg zum Massenmarkt. Zahlen und Fakten:
- 1,4 Millionen Deutsche haben 2011 eine Hochseereise gebucht, 14 Prozent mehr als 2010 (1,22 Millionen). Damit wächst der deutsche Markt weltweit am schnellsten. Europäische Spitzenreiter waren die Briten mit 1,7 Millionen Buchungen.
- Die fünf deutschen Häfen Bremerhaven, Hamburg, Kiel, Lübeck und Rostock hatten 2011 ein Aufkommen von rund 1,14 Millionen Passagieren auf insgesamt mehr als 460 Schiffen. 2012 werden 1,27 Millionen Passagiere und über 540 Schiffsanläufe erwartet.
- Branchenprimus ist Rostock, das 2012 mit 180 Anläufen von 39 Schiffen einen Rekord aufstellen will.
- Nur 1,5 Prozent der Bundesbürger leisten sich eine Seereise. Zum Vergleich: 3 Prozent sind es in Großbritannien, 5 Prozent in den USA.
- Für den Urlaub auf hoher See musste der deutsche Gast 2010 durchschnittlich 1696 Euro hinlegen - 185 Euro weniger als 2009. Auch die Tagesrate war mit 183 Euro niedriger als in den Vorjahren.
- Hochsee-Kreuzfahrten brachten deutschen Veranstaltern wie Aida oder Hapag-Lloyd 2010 mehr als 2 Milliarden Euro Umsatz.
- Mit Abstand wichtigste Region ist das Mittelmeer, auf dem gut jeder dritte deutsche Bord-Urlauber kreuzt.
- Der Kampf um den deutschen Markt wird härter: Angesichts lahmenden Wachstums in der Heimat sind führende US-Reedereien in Europa auf Expansionskurs.

Vorfreude auf Norwegens Fjorde, beste Stimmung auf der "AIDAcara" - so hat die Kreuzfahrtsaison am Samstag in Kiel begonnen. Aus Südamerika kommend machte das Schiff am Morgen fest. Es war der erste von 137 Anläufen in einer Saison, die unglückliche Vorzeichen zu haben schien. Die Havarien der "Costa Concordia" vor Italiens Küste im Januar und der "Costa Allegra" Ende Februar im Indischen Ozean sind noch frisch in Erinnerung und beim Einlaufen der "AIDAcara" wurde bekannt, dass es auf einem Kreuzfahrtschiff vor Borneo gebrannt hat. Zudem könnte es für Abergläubige ein böses Omen sein, dass ein "Titanic"-Zentrum in Belfast öffnete - 100 Jahre nach dem Untergang des "unsinkbaren" Schiffes.

In Kiel ist die Stimmung wenige Stunden vor dem Ablegen Richtung Norwegen entspannt. "Ich bin nicht so ängstlich", sagt Klaus Wiegratz aus Recklinghausen. Sigrid und Egon Kirstein aus Bad Vilbel bei Frankfurt/Main waren schon ein Dutzend Mal auf Kreuzfahrt, vor einem Jahr mit dem Unglückskapitän der "Concordia". Das würden sie nicht nochmal tun, aber mit "AIDA" sind die Erfahrungen bestens. Das Paar geht mit Enkel Max entspannt an Bord, weiß aber: "Etwas kann immer passieren." Ähnlich äußern sich die anderen befragten Reisenden. Was vor Italien geschah, lag am Kapitän, sagen sie.

"Ich mache mir keine Sorgen"

"Sicherer als jetzt geht es doch nicht", findet Doris Vogt aus Wuppertal vor ihrer Kreuzfahrt-Premiere. "Das Gefährlichste am Reisen ist eh das Autofahren." Auch für Monika und Joachim Pagel aus der Nähe von Hildesheim spielen die Havarien keine Rolle, obwohl sie in der Karibik mal einen Brand auf einem anderen Kreuzfahrtschiff sahen. "Ich mache mir keine Sorgen", sagt Monika.

"AIDAcara"-Kapitän Claas Cramer flog am 20. Januar kurz nach der "Concordia"-Havarie nach Buenos Aires, um sein Schiff zu übernehmen. Freunde scherzten, er solle sich von der Küste ferner halten als sein italienischer Unglückskollege. "Wir haben schon überlegt, was wir vielleicht noch besser machen können", berichtet der 32-Jährige. Die Sicherheitsübungen gibt es nun schon vor dem ersten Auslaufen, kurz nachdem alle an Bord sind. Dort seien die Havarien kein Thema, sagt Cramer. "Ich glaube, die Passagiere haben ein gutes Gefühl bei uns." Aber trotz aller Vorkehrungen gebe es Grenzen der Sicherheit: "Es wird immer den Fall geben, an den man nicht gedacht hat".

Kein Anlauf storniert

In Kiel wurde wegen der Havarien kein Anlauf storniert. "Wir haben den Eindruck, dass die Nachfrage nach Kreuzfahrten ungebrochen ist", sagt Seehafen-Sprecher Ulf Jahnke. Allerdings ist die Reederei Costa weniger präsent als früher. Die 290 Meter lange "Costa Pacifica", die fast 3800 Passagiere aufnehmen kann, kommt aber mehrfach. "Wir haben das Gefühl, dass es keinen Einbruch und keinen Stimmungsumschwung gegeben hat", sagt Max Johns vom Verband deutscher Reeder der dpa. Der Saisonstart bestätigt das. "Wir sind ausgebucht", erläutert Kapitän Cramer. 1300 Passagiere, darunter 250 bis 17 Jahren sind dabei. Nordeuropa-Törns legen derzeit mit am stärksten zu.

In Deutschland war Kiel lange Kreuzfahrthafen Nr. 1, und mit 137 Anläufen verbucht die Förde-Stadt einen mehr als im bisherigen Rekordjahr 2010. Die Passagierzahl bleibt mit etwa 375.000 konstant. Das reicht noch für Platz 3. Branchenprimus Rostock markiert mit 180 Anläufen von 39 Schiffen und über 500.000 Passagieren Rekorde. Das Interesse der Reisenden an Berlin-Trips trägt dazu bei. Die Saison beginnt in Rostock am 23. April mit dem Einlaufen der "AIDAsol".

Starker Zuwachs

"Vizemeister" Hamburg erwartet 400.000 Passagiere bei 161 Anläufen von 35 Schiffen - ein starker Zuwachs. An der Elbe hatte die Saison Frühstart, mit der "Queen Elizabeth" im Januar. Der Standort werde immer mehr zur Ganzjahresdestination, sagt Vorstandschef Stefan Behn vom Hamburg Cruise Center. So richtig ging es in die Saison aber erst Ende März. Bis in den September ist der Kalender prall gefüllt. In Kiel starten und enden vor allem Städte-Reisen in die Ostsee und Törns zu Norwegens Fjorden. "Schon bald werden Kreuzfahrtschiffe sogar ganzjährig in Nordeuropa fahren", sagt Hafen-Geschäftsführer Dirk Claus voraus.

Quelle: ntv.de, Wolfgang Schmidt, dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen