Hexe Baba Jaga und Väterchen Frost Russland setzt auf Märchen
19.09.2011, 07:44 UhrRussische Märchen werden auch in vielen deutschen Kinderzimmern erzählt. Hexe Baba Jaga und Ded Moros zum Beispiel heißen die Protagonisten. Die sollen jetzt in Russland auch Touristen anlocken.
Väterchen Frost, Hexe Baba Jaga, die schöne Wassilissa und Ilja Muromez sind in Deutschland längst keine Fremden mehr. Viele Kinder kennen die russischen Märchengestalten auch aus Spielfilmen der früheren Sowjetunion. In Russland kommen die Mythen- und Sagengestalten nun zu neuen Ehren - als Touristenattraktion. Das Riesenreich setzt auf "märchenhafte Orte", in Abgrenzung etwa zum westlichen Disneyland.
Rund ein Dutzend dieser Orte versucht, der oft trostlosen russischen Provinz mit zauberhaften Geschichten und Erlebnistourismus mehr Leben einzuhauchen. "Viele Städte haben noch nicht verstanden, dass sich mit dem Märchentourismus gutes Geld verdienen lässt", sagte der Moskauer Marketing-Experte Alexej Koslowski der Zeitung "Iswestija".
Am bekanntesten ist der Ort Weliki Ustjug im Norden des Riesenreichs als Heimat des russischen Weihnachtsmanns Ded Moros - auf Deutsch: Väterchen Frost. Die Behörden dort versuchen, dem verbreiteten Bild von schlechter Infrastruktur und miesem Service wie zu kommunistischen Zeiten etwas entgegenzusetzen.
Großes Geheimnis um Ded Moros
Die wahre Identität des imposanten Ded-Moros-Darstellers hüten die Behörden wie ein Staatsgeheimnis. Und die Kinder haben ihren Spaß. Auch Moskau pumpte in das rund 900 Kilometer von der Hauptstadt entfernte Weliki Ustjug große Summen für den Freizeitpark von Ded Moros mit Hotels, Museum, Zauberwald und Märchenzoo mit Bären und Elchen. Mehr als 200.000 Touristen pilgern inzwischen jedes Jahr in die urige Handelsstadt aus dem 12. Jahrhundert, heißt es.
Das Potenzial solcher Initiativen sei riesig und schaffe Arbeitsplätze, meinte der Marketing-Experte Koslowski. In Schtschelykowo, dem Wohnort von Snegurotschka, der schönen Helferin von Ded Moros, soll beispielsweise künftig auch Kinderschminke verkauft werden.

Väterchen Frost und Snegurotschka (Schneeflöckchen) bei einem Umzug. (Archibvild von Dezember 2009)
(Foto: AP)
Die russischen Märchenstädte und -dörfer berufen sich in ihrem Marketing auf ihre mythologische Verwandtschaft zu den sagenumwobenen Protagonisten der Märchen von Alexander Afanasjew, dem russischen Gegenstück zu den Gebrüdern Grimm, und von Alexander Puschkin. Der "zauberhafte Tourismus", wie die Zeitung "Moskowskije Nowosti" schrieb, soll auch die Kassen der meist verarmten Regionen füllen.
Denkmal für "Ehrenbürger" Ilja Muromez
Während manche Orte ihren "Ehrenbürgern" ein Denkmal errichten, wie die Stadt Murom der Heldengestalt Ilja Muromez, schreiben andere neue Märchengeschichte. Ein Beispiel: Kikimora, die urslawische Gottheit. Im Mai dieses Jahres lud sie - halb Mensch, halb Huhn - zur Hochzeit mit dem Hausgeist Domowoi ein. Beide setzten damit ihrer "1000-jährigen wilden Ehe" ein Ende. In dem Dorf Wjatka nahmen mehr als 2500 Touristen an dem Spektakel teil, wie Medien berichteten.
Im Gebiet Jaroslawl lebt die Hexe Baba Jaga im Dorf Kukoboj. Die buckelige Alte mit der Hakennase und Warzen im Gesicht in ihrem Häuschen auf zwei Hühnerbeinen gehört zu den Klassikern russischer Märchen. Böse sei ihre Baba Jaga gar nicht, sondern gastfreundlich und gutmütig, betonen die Dorfbewohner. "13 Arbeitsplätze sind entstanden, wir konnten Wege und Straßen erneuern", teilte Tourismuschefin Lilia Pletnjowa dem russischen Fernsehsender NTW mit.
"Verherrlichung des Bösen"
Doch der Märchenzauber löst nicht nur Begeisterung aus. Die russisch-orthodoxe Kirche, eine gesellschaftliche Kraft mit Einfluss, ärgerte sich zunächst über die "Verherrlichung des Bösen". Nun verkaufen Gläubige an Wegrändern in dem Hexenort Weihwasser und Heiligenbildchen - für das Seelenheil der Märchenpilgerer.
Quelle: ntv.de, Julia Katharina Brand, dpa