Friedensreichtoilette in Neuseeland Schöner pinkeln mit Hundertwasser
06.02.2016, 10:33 Uhr
300.000 Besucher pro Jahr: Sie kommen wegen einer Toilette.
(Foto: imago/Schwörer Pressefoto)
Friedensreich Hundertwasser war nicht nur ein begnadeter Maler und Architekt, sondern auch einem kleinen Nest in der Bay of Islands verfallen. Aus Dank hinterließ der Künstler in Kawakawa einen nicht ganz so stillen Ort - und löste einen Boom aus.
Etwa 200 Kilometer nördlich von Auckland, eingebettet in die grünen Hügel der Bay of Islands, liegt ein verschlafenes Nest, das auf den hübschen Namen Kawakawa hört. Durch Kawakawa führt eine lange Hauptstraße, wie an einer Perlenschnur an ihr aufgereiht gibt es: zwei Tante-Emma-Läden, einen Fleischer, eine Tankstelle, einen Pub, ein Café - und die vielleicht berühmteste Toilette der Welt.
Gebaut hat sie Friedensreich Hundertwasser, der 1928 als Österreicher geboren wurde, 2000 als Neuseeländer starb und dazwischen Weltruhm als Maler, Architekt und Umweltschützer erlangte. Ganz in der Nähe von Kawakawa hatte Hundertwasser in den 1970ern sein eigenes kleines Paradies in Form einer eigenen Farm gefunden - und wollte den Menschen der Gegend, die ihn mit offenen Armen empfangen hatten, an seinem Lebensabend etwas zurückgegeben. Zugegeben, ein Scheißhaus mag auf den ersten Blick eine etwas wunderliche Form der Würdigung sein - allerdings nur, bis man den Abort mit eigenen Augen gesehen hat.
"Hab mich beim Pissen selten so schlau gefühlt"

Der Eingang der Toilette liegt leicht zurückgezogen hinter der Straße.
(Foto: imago/Schwörer Pressefoto)
Der Eingang der Hundertwassertoilette liegt leicht zurückgezogen von der Hauptstraße: Bunte Säulen tragen ein Vordach mit einem Loch in der Mitte, durch das ein Eisenholzbaum seine grüne Blätterpracht gen Himmel streckt. Zur Blütezeit im Dezember hüllt der Pohutukawa, wie der Baum auf Maori heißt, die gesamte Toilettenanlage mit seinen roten Blüten in ein bezauberndes Licht - aber auch heute, es ist Mitte Januar, strahlt der Abort eine merkwürdige Ruhe aus, dafür hat Hundertwasser gekonnt gesorgt. Der Künstler war kein Freund gerader Linien, das merkt man an jedem verbauten Zentimeter. Und auch die für ihn so charakteristischen "Bottle Walls" finden sich in den Toiletten: farbige Flaschen in allen möglichen Größen, in die Wände einzementiert oder als Fensterersatz kombiniert. Durch sie fällt ein natürliches Licht in die Räumlichkeiten, das in seiner Anmut fast schon magisch wirkt. Die Hundertwassertoilette ist ein stiller Ort, der diesen Namen wirklich verdient.
Jedenfalls, solange sich keine anderen Gäste auf ihr befinden. Und das kommt zugegebenermaßen eher selten vor: 10.000 Besucher benutzen den Abort jeden Monat, sagt die Gemeindestatistik. Der Tourismusverband der Gegend spricht sogar von 300.000 Menschen pro Jahr, die lediglich einmal gucken wollen, ohne das Nützliche mit dem Toilettengang zu verbinden. Auch heute dauert die Ruhe nur kurz, bevor eine englische Reisegruppe auf ihrem Weg in den Norden für eine kulturell anspruchsvolle Pinkelpause haltmacht. "Hab mich beim Pissen selten so schlau gefühlt", witzelt ein mittelalter Mann mit Sonnenbrand und Flipflops. Sein Pissoirpartner findet das nur mäßig witzig, vielleicht hat er es aber auch gar nicht mitbekommen - gleichzeitig fotografieren und im Stehen pinkeln ist schließlich schon herausfordernd genug.
"Bau der Toilette hat die Menschen zusammengeschweißt"

Hundertwasser kurz vor seinem Tod: "Auch kleine Dinge können Schönheit ins Leben bringen."
(Foto: picture-alliance / dpa)
"Fredderick wäre es egal, was die Leute auf seiner Toilette machen, solange sie nichts kaputt hauen. Er hat die Menschen so genommen, wie sie waren", ist Johnston Davis überzeugt. "Fredderick", so nennen sie Hundertwasser hier, war schon zu Lebzeiten enorm beliebt in Kawakawa. Heute verehren sie ihn fast schon kultisch, allen voran der Hundertwasser-Trust, dessen Ehrenvorsitzender Davis ist. "Für uns hat sich durch die Toilette wahnsinnig viel verändert, jetzt kennt man uns in der ganzen Welt", sagt er. "Der Ort hat einen regelrechten Aufschwung hinter sich." Die Statistik gibt Davis recht: Während das durchschnittliche Einkommen in Kawakawa kurz nach der Einweihung der Toilette im Jahr 2001 nur 19.100 Dollar betrug, verdienten die Menschen dort zwölf Jahre später im Schnitt 27.000 Dollar. Das ist im enorm teuren Neuseeland zwar immer noch unterer Durchschnitt, aber was zählt, ist der Aufwärtstrend.
Was Hundertwasser noch viel mehr gefreut hätte als der wirtschaftliche Aufschwung, ist aber der neue Zusammenhalt der 1100-Einwohner-Gemeinde, sagt Davis: "Der Bau der Toilette hat die Menschen zusammengeschweißt." Fast jeder hätte sich damals am Bau beteiligt: Die eingemauerten Flaschen stammen aus Privatbesitz, Schulklassen fertigten die Fliesen an und die Tür, mit der abends der Abort verschlossen wird, ist aus einer Vielzahl von Gegenständen geschweißt, zu denen ihre früheren Besitzer eine besondere Beziehung hatten. Wenn sich am 19. Februar der Todestag des Künstlers zum 16. Mal jährt, werden viele von ihnen wieder zusammenkommen und seiner gedenken. Und Hundertwassers Widmung zur Eröffnung der Toilette wird so wahr wie schon immer sein: "Es ist nur eine Toilette, aber das zeigt, dass auch kleine Dinge Schönheit ins Leben bringen können."
Quelle: ntv.de