Reise

"Spirituelles Zuhause" erschüttert US-Wahrzeichen angeschlagen

Ein Team von Architekten und Ingenieuren seilt sich an der Fassade der National Cathedral in Washington herab, um Schäden nach dem Erdbeben zu begutachten. (Bild vom 18. Oktober 2011)

Ein Team von Architekten und Ingenieuren seilt sich an der Fassade der National Cathedral in Washington herab, um Schäden nach dem Erdbeben zu begutachten. (Bild vom 18. Oktober 2011)

(Foto: dpa)

Das schwerste Erdbeben seit 100 Jahren hat Washington nachhaltiger erschüttert als gedacht. Zwei Wahrzeichen der Stadt erlitten so starke Schäden, dass sie seit August geschlossen sind. Die Reparaturen werden Jahre dauern und Millionen verschlingen. Die Schwere der Schäden überrascht Touristen aus aller Welt, die vom Bauzaun gestoppt werden.

Diesen Schreckensmoment wird Carol Dwyer sicher nie vergessen. Sie führt gerade eine Besuchergruppe durch die National Cathedral, als plötzlich die Wände der berühmten Washingtoner Kirche wackeln: "Mein erster Gedanke: Vielleicht nur ein lauter Zug." Doch schnell wird klar, es ist ein Erdbeben. Das Gebäude erzittert am 23. August zwar nur wenige Momente - mit den Folgen der Naturgewalt aber wird die US-Hauptstadt noch Jahre kämpfen.

Das Washington Monument kurz nach dem Erdbeben vom 23. August 2011.

Das Washington Monument kurz nach dem Erdbeben vom 23. August 2011.

(Foto: dpa)

Mit dem Washington Monument und der National Cathedral hat das für die US-Ostküste ungewöhnlich heftige Erdbeben der Stärke 5,8 gleich zwei Wahrzeichen der Stadt schwer beschädigt. Beide sind seitdem für Besucher geschlossen. Das Washington Monument unweit des Weißen Hauses muss grundlegend renoviert werden, weil das Beben dicke Risse in der Fassade hinterlassen hat. Der 169 Meter hohe Obelisk war durch die Erschütterung ins Wanken geraten, Putz kam von den Wänden. Wenige Tage danach machte der Hurrikan "Irene" alles noch schlimmer. Es ist unklar, wann der Marmorturm, der zu Ehren des ersten US-Präsidenten George Washington errichtet wurde, wieder für Besucher geöffnet wird.

Furchen in zweitgrößter Kirche der USA

Auch die National Cathedral, die nach der New Yorker Saint John's Kathedrale die zweitgrößte Kirche in den USA ist, muss für mindestens 10,5 Millionen Euro (15 Millionen Dollar) repariert werden. Das Beben hat Furchen in ihre charakteristischen gotischen Spitzbögen gezogen. Von drei Turmspitzen fielen Schlusssteine herunter. Einem steinernen Wasserspeier wurde der Kopf abgetrennt.

Die Schwere der Schäden überrascht Touristen aus aller Welt, die zur Kathedrale kommen und vom Bauzaun gestoppt werden. "Ich hatte von dem Erdbeben gehört, aber ich wusste nicht, dass die Folgen so schlimm sind", sagt Peter Smit aus dem niederländischen Nijmegen. Normalerweise strömen monatlich 35.000 Touristen in die Kathedrale, die so lang ist wie zwei Fußballfelder.

Komplizierte Reparaturen

Die Reparaturen an dem Gotteshaus sind kompliziert. Teile der verwinkelten Kirche sind schlecht zugänglich. Experten seilten sich vom Gebäude ab, um die Schäden zu inspizieren. Mit Kränen holten Arbeiter 45 tonnenschwere Gesteinsteile von den Kirchtürmen. Einer der Kräne sorgte für einen weiteren Schreckensmoment nach dem Beben und "Irene": Das 150 Meter hohe Gerät kippte Anfang September um und landete auf einem Parkplatz. Zwei Arbeiter wurden leicht verletzt.

Geldsorgen erschweren die Bauarbeiten zusätzlich. Die Kathedrale finanziert sich aus Spenden. Nun müssen zügig Millionen von privaten Gönnern her. Hilfe könnte ausnahmsweise auch vom Bund kommen: Der Washingtoner Bürgermeister Vincent Gray hat beantragt, dass der Staat die nötigen 10,5 Millionen Euro als Notfallhilfe zahlt.

Zentraler Ort für Veranstaltungen fehlt

Durch die Schließung der zwischen 1907 und 1990 errichteten Kathedrale fehlt Washington zurzeit ein zentraler Ort für Veranstaltungen. Zu Gedenkgottesdiensten nach den Terror-Anschlägen vom 11. September 2001 und dem todbringenden Hurrikan "Katrina" im Jahr 2005 strömten Besucher aus dem ganzen Land in die Kirche. Die Staatsbegräbnisse zahlreicher US-Präsidenten von Theodore Roosevelt über John F. Kennedy bis zu Gerald Ford fanden hier statt. "Die Kathedrale gilt als spirituelles Zuhause der Vereinigten Staaten", erklärte Vikar Jan Naylor Cope.

Am 12. November soll die National Cathedral wieder geöffnet werden. Dann muss gesichert sein, dass nirgends ein Stein von der Decke kommen kann. Im Inneren hat das Beben bis auf einige Risse in der Decke keine größeren Schäden angerichtet, berichtet Steinmetz Joe Alonso. Bis alle Reparaturen abgeschlossen sind, dürfte dennoch mehr als ein Jahrzehnt vergehen. "Das ist eine Kirche im gotischen Stil, wie man sie aus Europa kennt. Hier wurde Stein auf Stein gesetzt", erklärt Alonso. "Das bedeutet, dass alles wieder per Hand zusammengesetzt werden muss."

Quelle: ntv.de, Barbara Wege, dpa

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