3D-Stuhl "Made in Germany" Herr Glöckl und sein Swopper: "Erfinde doch mal was, damit sich die Leute nicht mehr kaputt sitzen"
28.03.2025, 08:23 Uhr
Arbeit, Sitzen, Rückenschmerzen - häufig die Dreifaltigkeit des modernen Berufslebens. Aeris-Chef Josef Glöckl hat vor 30 Jahren in seiner Garage an einer Lösung getüftelt. Von seinem flexibel schwingenden Sitz "Swopper" hat er seither über 1 Millionen Exemplare verkauft, doch der Weg dahin war lang, erzählt er im ntv.de-Interview.
"Made in Germany" gilt weltweit als Qualitätsgarantie. Mittlerweile produzieren die meisten deutschen Firmen aber im Ausland. Die Gründe: Günstigere Arbeitskräfte und Produktionskosten sowie weniger Bürokratie. Selbst Unternehmen, die auf Nachhaltigkeit wert legen, tun das meist im – teilweise weit entfernten – Ausland. Aber es gibt einige Firmen, die nicht davon abrücken: Sie produzieren in Deutschland. Wir stellen hier in einer Serie einige davon vor. Was bewegt die Firmenlenker und womit kämpfen sie?
CEO und Gründer Josef Glöckl gilt als Pionier im Bereich ergonomischer Büromöbel. Sein Unternehmen Aeris bei München ist bekannt für seine 3D-aktiven Sitzmöbel und mittlerweile weltweit vertreten. Glöckl legt großen Wert auf die Qualität und den Ruf seiner "Made in Germany"-Produkte. Im Interview erzählt er, wie sein flexibler Bürostuhl zum Erfolgsschlager wurde und warum Deutschland als Produktionsstätte für ihn alternativlos ist.
"Konnte auf einem normalen Stuhl nicht mehr sitzen"
Ein Erfolgsmodell seit fast 30 Jahren - der wippende und in alle Richtungen bewegliche Bürostuhl Aeris Swopper macht Josef Glöckl zum erfolgreichen Unternehmer. Ursprünglich als Ingenieur für Entwicklungshilfe-Projekte tätig, sitzt er damals auch viel am Schreibtisch. Und bekommt so schlimme Rückenschmerzen, "dass ich auf einem normalen Stuhl nicht mehr sitzen konnte". Erster Versuch der Abhilfe ist ein Sitzball, den ihm seine Frau als Physiotherapeutin und Osteopathin empfiehlt. Fünf Jahre sitzt er auf diesem, muss aber resümieren, dass der "für die Büroarbeit nicht das richtige Werkzeug ist".
Genauso frustriert wie Glöckl über seine Rückenschmerzen ist auch seine Frau über den ausbleibenden Therapieerfolg ihrer Patienten. Therapie, Muskelaufbau, aber "am nächsten Tag sitzen sie wieder zehn Stunden vor dem Computer". Wie also den ewigen Kreislauf aus Sitzen und Schmerzen durchbrechen, der immer noch zu den häufigsten Gründen für Arbeitsunfähigkeit gehört? Als seine Frau ihn auffordert "erfinde doch mal was, damit sich die Leute im Büro nicht mehr kaputt sitzen" kommt die zündende Idee. Beide überlegen, wie man denn eigentlich besser sitzen müsse, um schmerzfrei zu werden.
"Büroarbeit, wie wir sie durchführen, ist keine artgerechte Haltung des Menschen"
Wenn Josef Glöckl das Prinzip seines wippenden, 3D-flexiblen Hockers erklärt, wird einem leicht schwindelig. Dann natürlich bleibt er damit nicht statisch sitzen. Er wippt auf und ab und hüpft schwungvoll ins Stehen. Und genau das sollen wir am besten tagein tagaus im Office tun. So wie wir bei jedem Schritt die Bandscheiben be- und entlasten, sollen wir es auch beim Sitzen und Arbeiten tun. Federnd und die Hüfte frei beweglich. Und das ohne Arm- und Rückenlehnen oder Kopfstütze. Also der komplette Gegenentwurf zum stützenden und entlastenden Bürostuhl und Gamingsessel. Eine solche statische Haltung am Schreibtisch sei "keine artgerechte Haltung des Menschen". Denn je mehr der Rücken unterstützt werde, desto schwächer werde die Muskulatur. Damit die wieder arbeite, müsse der Stuhl vertikal schwingen und seitliche ohne Einschränkungen Bewegung möglich machen. Fünf Jahre tüftelt Glöckl an den Wochenenden und baut die ersten Prototypen.
Surfbrett gab die Inspiration
Wodurch aber ist es diesem Hocker möglich, sich so flexibel in alle Richtungen zu bewegen? "Ich hab damals ein Windsurfbrett gehabt oder da ist beim Mast unten ein sogenanntes Powerjoint- Gelenk, das ist so ein Hartgummi als Verbindungselement". Das habe ihn inspiriert. Selber produzieren wollte er seine Stühle eigentlich nicht. Die klassischen Stuhl-Hersteller haben ihn zwar sehr für seine Erfindung gelobt, wollten sich aber wohl nicht die eigene Konkurrenz ins Haus holen, vermutet Glöckl.
Produktion in Deutschland: "Wenn mir da was nicht passt, dann fahre ich dort hin"
Niemals ruhig sitzen bleiben und immer auch an seinen Produkten etwas weiterentwickeln, das passt bei Glöckl gut zusammen. Deswegen ist es ihm auch wichtig, dass die Büromöbel in seiner Nähe hergestellt werden und nicht irgendwo anders auf der Welt. "100 kleine Fehler" hat er in den Anfangsjahren ausgemerzt, ehe er die Herstellung selbst in die Hand genommen hat. Und auch jetzt noch gilt: "Wenn mir da was nicht passt, dann fahre ich dort hin, und ich regel´ das einfach".
Dabei ist Glöckl aber immer wichtig, dass seine rund 70 Mitarbeiter frei arbeiten und entscheiden können. Auch zu viele Vorschriften und Normen seitens Wirtschaft und Politik will Glöckl so gut es geht von seinen Mitarbeitern fernhalten, um ihr Denken nicht von vorneherein zu beschneiden. "Meine Mitarbeiter haben als erstes Gebot in der Produktentwicklung, sich keine Normen anzuschauen und keine Vorschriften zu lesen", sagt er.
So bringt Glöckl - auch mithilfe kreativer Ideen seiner Frau - immer wieder Neuheiten für verbesserte Ergonomie am Arbeitsplatz auf den Markt. Wie die Aeris Muvmat, eine Matte, die den unebenen Untergrund eines Waldbodens simuliert und so vor Ermüdung und Rückenschmerzen schützen soll.
Aeris Büromöbel online kaufen
Den Swopper und alle anderen Büromöbel von Aeris sind auf der eigenen Website online bestellbar. Da kann man sich den Swopper individuell zusammenstellen und unter verschiedenen Modellen (auch für Steißbeinprobleme), Farben und Materialien wählen. Amazon oder auch Möbelhändler wie Segmüller oder XXL Lutz bieten den Swopper ebenfalls online an.
Wer zahlt Zuschüsse zu ergonomischen Sitzmöbeln?
Zuschüsse für ergonomische Bürostühle können bei Krankenkassen oder Rentenversicherungen beantragt werden. In manchen Fällen gibt es eine Kostenerstattung, wenn eine über die Arbeitgeberverpflichtung hinausgehende, behinderungsbedingte, individuelle Ausstattung des Arbeitsplatzes erforderlich ist. Allgemein gilt:
- Medizinische Notwendigkeit (Ärztliches Attest)
- Jede Kasse entscheidet individuell
- Zuschuss vor Anschaffung beantragen (mit Kostenvoranschlag).
Wenn man bedenkt, dass der Stuhl in den ersten zehn Jahren bei der Berufsgenossenschaft auf wenig Akzeptanz gestoßen war, ist Glöckl ist mit seinem Swopper und den anderen innovativen Ideen für ein rückenfreundliches Büro von Bayern aus weit gekommen.
Quelle: ntv.de