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Eigenen Coach eiskalt überstimmt Außerirdischer Butler veredelt verrückte Idee

Unaufhaltsam: Jimmy Butler.

Unaufhaltsam: Jimmy Butler.

(Foto: IMAGO/USA TODAY Network)

Zwei Punkte Rückstand und nur noch 2,1 Sekunden zu spielen beim großen Favoriten? Kein Problem für Jimmy Butler. Der Superstar der Miami Heat überredet seinen Trainer zu einem wagemutigen Spielzug - und stürzt damit NBA-Meisterschaftsanwärter Milwaukee Bucks.

Es gibt herausragende Sportmomente, deren historische Größe erst mit der Zeit deutlich wird. Und es gibt Sportmomente, bei denen sofort klar ist, dass gerade etwas Unglaubliches passiert ist. "Jimmy Butler ist nicht von dieser Welt", twitterte das Social-Media-Team der Miami Heat, nachdem der Basketballer seine Mannschaft im Playoff-Spiel gegen die Milwaukee Bucks mit einem unfassbaren Korb in die Verlängerung gerettet hatte. "Huldigt unserem neuen Gott Jimmy Butler", feierte der renommierte Journalist Bill Simmons und NBA-Ikone Earvin "Magic" Johnson schrieb einfach nur in drei Großbuchstaben: "WOW".

Die Szene, die die Basketball-Welt weit über Social Media hinaus im besten Sinne eskalieren ließ, braucht allerdings etwas Kontext. Miamis Gegner, die Milwaukee Bucks, sind als Meisterschaftsfavorit in die NBA-Playoffs gegangen. Ihr Superstar Giannis Antetokounmpo darf auf die Auszeichnung als wertvollster Spieler der Saison hoffen. Die Heat dagegen retteten sich gerade so in die Postseason, sicherten sich auf den letzten Drücker den letzten Playoff-Platz in der Eastern Conference. Und haben jetzt, angeführt von eben jenem unglaublichen Jimmy Butler, den scheinbar übermächtigen Favoriten gestürzt.

Dabei stehen sie in diesem fünften Spiel mit dem Rücken zur Wand. Milwaukee führt wenige Sekunden vor Schluss mit 118:116, Miamis Coach Erik Spoelstra nimmt eine Auszeit, hat schon einen Spielzug im Sinn, um den Ausgleich zu erzwingen. Dann aber "hat Jimmy mir tief in die Augen geschaut", berichtet Spoelstra anschließend, "und gesagt: 'Lass mich das machen.'" Spoelstra, einer der besten Coaches der Liga, wirft seinen Plan um, zeichnet ein Play für Butler auf. 2,1 Sekunden stehen noch auf der Uhr, zu wenig Zeit für ausgefeilte Taktiken, es muss schnell und direkt funktionieren.

Mit 13 von zu Hause rausgeschmissen

Von der Seitenlinie soll der Pass unter den Korb kommen, über Milwaukees Verteidiger hinweg. Dort soll Butler seinen Gegenspieler abschütteln und den Ball direkt auf den Korb werfen. Die Schiedsrichter pfeifen an - und der Wahnsinn nimmt seinen Lauf. Butler rennt los, verfolgt von Jrue Holiday, einem der besten Verteidiger der NBA. Heat-Guard Max Strus stellt einen Block, Butler gewinnt einen Schritt Vorsprung auf Holiday, der einwerfende Gabe Vincent schickt den Ball auf die Reise. Butler schiebt den zweiten Verteidiger weg, springt ab und liegt schon quer in der Luft, als er den Ball fängt.

Während sein Körper sich der Waagerechten und dem Hallenboden nähert, wirft er - und der Ball fällt von der Ringkante ins Netz. Ausgleich, 118:118, noch 0,5 Sekunden. Milwaukee ist so geschockt, dass sie ihre verbliebene Auszeit vergessen und den Ball sofort wieder ins Spiel bringen. Die Uhr läuft ab, bevor Antetokounmpo einen letzten Wurf nehmen kann. Verlängerung. In der scheinen die Bucks endgültig unter dem Druck zusammenbrechen, Außenseiter Miami zieht mit einem 7:1-Lauf davon, gewinnt am Ende mit 128:126. Für die Heat ist es der entscheidende vierte Sieg im fünften Spiel, mit 4:1 geht die Serie an den Underdog. Zum erst sechsten Mal in der NBA-Geschichte eliminiert ein an Position 8 gesetztes Team die Nummer 1.

Butler ist das Gesicht dieser Sensation, ihr Anführer. Der 33-Jährige, der einst als 13-Jähriger mit den Worten "Ich mag nicht, wie du aussiehst, du musst gehen" zu Hause rausgeschmissen wurde, krönt damit seine unfassbare Leistung in dieser Erstrundenserie. 42 Punkte erzielt er an diesem Abend. Auch, weil sein Coach das Schicksal der Heat in seine Hände legt. "Ich habe ihn gefragt", sagt Spoelstra, "was ist, wenn wir diesen Pass zu ihm nicht hinbekommen?" Butler habe selbstbewusst geantwortet: "Mach dir keine Sorgen, ich kriege den Ball." Eine Vorhersage, aus der der 2,01-Meter-Mann dann Realität machte.

Legendäres Foto aus der Finalserie gegen LeBron James

Schon im vierten Spiel hatte Butler überragt und mit 56 Punkten eine der besten Offensivleistungen der NBA-Historie abgeliefert. Nur drei Spieler erzielten je mehr Punkte in einem Playoffspiel: Bulls-Ikone Michael Jordan (63 im April 1986), Lakers-Legende Elgin Baylor (61 im April 1962) und der seitdem von Utah Jazz zu den Cleveland Cavaliers gewechselte Donovan Mitchell (57) im August 2020, als die NBA nach der Corona-Pause ihre Meisterrunde in Disney World in Florida ausgespielt hatte. Seinem Spitznamen "Jimmy Buckets" machte Butler einmal mehr alle Ehre.

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Der sechsfache All-Star ist mittlerweile berühmt dafür, in großen Momenten seinen besten Basketball zu zeigen. 2020 hatte er die Heat, ebenfalls als Außenseiter, sensationell in die Finals getragen. Die gingen gegen die Los Angeles Lakers um Superstar LeBron James zwar verloren, trugen aber zur Legendenbildung bei. Das Bild des völlig erschöpften, die Arme und den Kopf auf die Bande stützenden Butlers ist ähnlich legendär, wie es die Bilder seines heutigen Treffers werden dürften. "Was immer wir brauchen, um zu gewinnen", sagte Butler jetzt nach dem entscheidenden Sieg in Milwaukee: "Ich muss dazu in der Lage sein, genau das einzubringen."

In der zweiten Playoff-Runde trifft Miami jetzt auf die New York Knicks, die sich ebenfalls als niedriger gesetztes Team mit 4:1 gegen die Cleveland Cavaliers durchgesetzt hatten. Die Serie bietet die Chance, die legendäre Rivalität beider Franchises aus den 1990er Jahren neu aufleben zu lassen. Damals waren sich New York und Miami von 1997 bis 2000 in vier aufeinanderfolgenden Saisons in den Playoffs begegnet, dreimal setzten sich die Knickerbockers durch. Butler, so viel ist schon vor dem ersten Tip-Off sicher, wird alles dafür geben, dass die Serie diesmal anders ausgeht.

Quelle: ntv.de

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