Streit um Personalie Frings Ballack attackiert Löw
21.10.2008, 21:21 UhrIn der deutschen Fußball-Nationalmannschaft tobt der nächste Machtkampf: Nach der überraschend deutlichen Kritik von Michael Ballack an der Personalpolitik von Joachim Löw wiesen der Bundestrainer und DFB-Präsident Theo Zwanziger den Kapitän mit verbalen Kontern energisch in die Schranken.
"Von den Aussagen von Michael Ballack bin ich total überrascht. Dass er nun über die Medien solch kritische Töne äußert, verwundert und enttäuscht mich", sagte Löw in einer vom Deutschen Fußball-Bund (DFB) verbreiteten Stellungnahme. "Als Kapitän ist er ein wichtiger Ansprechpartner für mich und daran wird sich auch nichts ändern. Aber die Aufstellung und die Personalpolitik ist in letzter Konsequenz die Entscheidung von mir und meinem Trainerteam."
Kein Respekt, keine Loyalität
Ballack hatte zuvor in einem Interview der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" den Umgang mit dem im DFB-Team zuletzt auf die Ersatzbank verbannten Torsten Frings kritisiert. Auf die Frage, ob Löw Frings schon abgeschrieben habe, hatte Ballack geantwortet: "Das weiß ich nicht. Aber wenn man einen nicht mehr will, sollte man das ehrlich ansprechen. Respekt und Loyalität ist doch das Wenigste, was man als verdienter Nationalspieler erwarten kann."
Als Beispiel nannte er den Konkurrenzkampf zwischen Oliver Kahn und Jens Lehmann, den Kahn nach Meinung Ballack "nie gewinnen" konnte. Der Kapitän weiter: "Ich hoffe, dass ich mit meiner Vermutung in der Personalie Torsten Frings unrecht habe."
Rüge von Zwanziger und Beckenbauer
Ballacks Vorpreschen ging auch Zwanziger zu weit: "Wenn man glaubt, was in Zukunft noch besser machen zu können, empfehle ich allen, sich mit dem Bundestrainer auszutauschen und nicht über die Medien mit ihm zu reden", erklärte der Boss des Deutschen Fußball- Bundes (DFB) in einer Pressemitteilung. Franz Beckenbauer äußerte Unverständnis: "Manchmal sind mir die Empfindlichkeiten etwas zu groß. Da sollte man sich zusammenreißen."
Ballack zeigte sich in dem Interview zudem irritiert, dass Löw sich nach seiner Operation an beiden Füßen nicht gemeldet habe: "Das überrascht mich schon, weil es in der Vergangenheit bisher immer anders war." Der Star des FC Chelsea glaubt, in ein, zwei Wochen wieder am Mannschaftstraining teilnehmen zu können.
"Schweini" noch nicht Weltklasse
Auch der Münchner Bastian Schweinsteiger bekam von Ballack sein Fett ab. Auf die Prophezeiung von Weltmeister Olaf Thon, Ballack werde schon bald selbst auf der Bank sitzen und Schweinsteiger sei der "wahre Kapitän", meinte Ballack: "Vielleicht wird er das in Zukunft sein. Aber das geht mir in Deutschland alles zu schnell. Einen Monat gut gespielt und schon zählt man zur Weltklasse."
Knapp einen Monat nach dem offiziell beendeten Zwist zwischen Ballack und DFB-Teammanager Oliver Bierhoff ist in der DFB-Auswahl damit der nächste öffentlich ausgetragene Disput ausgebrochen. Löw reagierte resolut und unmissverständlich auf die indirekten Vorwürfe. "Für uns bleibt es unstrittig, dass wir wie bisher vom Leistungsprinzip und damit dem Konkurrenzkampf innerhalb des Kaders der Nationalmannschaft nicht abrücken werden", erklärte Löw, "wir behandeln alle Nationalspieler, ob jünger oder älter, mit dem notwendigen Respekt. Subjektiv mag der eine oder andere manchmal enttäuscht sein, aber unser Team ist die Elite des Fußballs in Deutschland, das auf die Besten der Welt trifft. Deshalb muss Leistung und der Erfolg der Mannschaft über allem stehen."
Angst um Frings, Verständnis für Kuranyi
Ballack hatte auf die Seite seines Kollegen Frings geschlagen. "Vielleicht befindet sich Torsten aktuell nicht in Topform, aber er spielt immer noch auf einem sehr hohen Niveau. Dieses Faktum kann niemand wegdiskutieren. Ich habe deshalb ein ungutes Gefühl, dass er diesen Konkurrenzkampf nicht gewinnen kann", sagte der 32-Jährige. Hoffentlich werde der Bremer nicht zu einem Rücktritt gedrängt. "Ich hoffe, er wird nicht zu einer Entscheidung verleitet, die Torsten und viele andere später bereuen werden."
Die von Frings kürzlich geäußerten Rücktrittsgedanken kommentierte Ballack so: "Schlimm genug, dass es so weit gekommen ist. Torsten hat die Zeit erkannt. Er ist ein erfahrener Spieler und spürt genau, was um ihn herum geschieht." Die Flucht Kevin Kuranyis von der Nationalmannschaft empfindet er dagegen als "nicht akzeptabel": "Aber ich kann Kevins Frust gut verstehen." Der Schalker Stürmer habe über Jahre bewiesen, dass er Tore machen könne. "Wo kommen wir denn hin, wenn das nicht mehr zählt?"
Quelle: ntv.de