NBA-Veteran Theis exklusiv Power-Turm liefert die Energie für deutschen WM-Traum
03.09.2023, 09:20 Uhr
Deutsches Power-Paket: Daniel Theis.
(Foto: IMAGO/camera4+)
NBA-Veteran Daniel Theis ist der wichtigste Big Man im deutschen WM-Kader. Der Defensiv-Anker und Pick-and-Roll Partner von Dennis Schröder ist einer der Schlüsselspieler auf dem Weg zur anvisierten Medaille. Mit ntv.de spricht er unter anderem über die unglaubliche Tiefe im Kader und die Chance, die eigenen Ziele zu erreichen.
ntv.de: Herr Theis, wie würden Sie die Leistung des DBB-Teams im Laufe des bisherigen Turniers bewerten? Wie erklären Sie den Erfolg dieser Truppe?
Daniel Theis: Überragend, würde ich sagen. Uns macht aus, dass wir als Team spielen. Wir wissen, dass Dennis (Schröder, Anmerk. d. Red.) unsere Nummer eins Option in der Offensive ist, und Franz (NBA-Aufsteiger Wagner, Anmerk. d. Red.) eigentlich die Nummer zwei. Aber dahinter haben wir so viel Breite im Kader, dass eigentlich jeder in die Bresche springen kann. In jeder Partie hatten wir Leute, die zweistellig gepunktet haben, oder die Situation, dass fast jeder punkten konnte, wenn er auf dem Parkett stand. Ich glaube, das macht uns einfach so stark: diese Tiefe im Kader.
Wie wichtig ist diese Ausgeglichenheit sowie die Tatsache, dass das Team so viele verschiedene Optionen und Kombinationen aufs Parkett stellen kann, die die Stärken der Spieler gut nutzen?
Wir haben einfach viele Optionen auf jeder Position. Vor allem offensiv sind wir extrem vielseitig. Alles fängt mit Dennis an, der für sich alleine kreieren kann und für die anderen in dieser Mannschaft. Mit Andreas Obst haben wir jemanden auf dem Feld, der nicht einmal Würfe bekommen muss, um uns anderen Plätze zu schaffen. Das reicht schon, dass er einfach nur auf dem Parkett steht. Der kreiert so viel Räume schon alleine durch die Wege, die er geht, weil die gegnerische Defensive keine andere Wahl hat, als sich auf ihn zu konzentrieren. Er ist nun mal einer der besten Werfer Europas. Den kannst du nicht einfach stehen lassen. Da macht uns Big Men die Sache einfacher. Jeder in dieser Mannschaft vertraut und glaubt dem nächsten. Wir können uns aufeinander verlassen. Wir müssen nie schlechte Würfe nehmen, sondern vertrauen dem Nebenmann - egal, wer draufsteht. Jeder, der offen ist, dem wird vertraut, da wird der Ball hingepasst, und dann gehen die rein.
Sie sind enorm erfahren, einer der Leader im Team, der Zweitälteste nach Niels Giffey - und gleichzeitig der Defensiv-Anker, der Ringbeschützer, der Energizer dieser Truppe. Wie zufrieden sind Sie mit ihrer eigenen Performance bei dieser WM nach der schweren NBA-Saison bei den Indiana Pacers?
Dass man das jetzt so direkt erwähnen muss, dass ich der Zweitälteste bin, ist natürlich ... Spaß beiseite. Ich fühle mich fit. Und klar, ich bin als Fünfer gerade defensiv besonders gefragt. Das ist für mich das Wichtigste, da liegt mein Fokus ganz besonders drauf. Wir haben einfach enorm viele Varianten, die wir nutzen können, und meine Aufgabe ist es, uns hinten zu stabilisieren. Und ich glaube, was uns alle ausmacht, und mich persönlich, ist, dass der Team-Erfolg immer an erster Stelle steht und die individuellen Performances da gerade ein bisschen hinten anstehen. Natürlich würde man sich vielleicht über einige Dinge mehr ärgern, wenn man diese Spiele verliert, weil man sagen könnten: "Hätte ich doch davon mehr machen können oder mehr davon machen können...". Aber so steht das Team absolut im Vordergrund.
Sie und Dennis Schröder stellen nicht nur das vielleicht spektakulärste Duo dieser WM, sondern sind auch der Katalysator im deutschen Angriff dank ihrer Synergien im Pick-and-Roll. Sie kennen sich schon lange, spielen schon lange zusammen. Wie wichtig ist dieses fast blinde Verständnis?
Das kommt davon, dass wir schon so viele Jahre zusammen spielen. Wir kennen uns schon seit der U-18 in Braunschweig, sind außerdem jetzt schon so oft für die Nationalmannschaft zusammen aufgelaufen. Da entwickelst du irgendwann bestimmte Automatismen. Er weiß einfach, wie er mich am besten in die Situationen bringt, die meine Stärken hervorheben. Und genauso weiß ich, wie ich ihm am besten helfen kann, um zu dominieren. Und über die Jahre wurde daraus eben blindes Verständnis, das ist immens wichtig auf dem Feld. Und natürlich macht das dann auch Spaß, wenn wir uns jeden Sommer sehen und zusammen auflaufen und diese Connection auf dem Feld haben, und dann obendrein auch noch erfolgreich zusammenspielen.
Welchen Eindruck macht Schröder als Kapitän, als Leader, als einer der Top-Stars und MVP-Kandidaten bei diesem Turnier?
Dennis macht das schon sehr gut, geht mit bestem Beispiel voran. Er will vor allem gewinnen, so wie wir anderen auch. Er ist da schon sehr "competitive" (kämpferisch, Anm. d. Red.), das merkt man jeden Sommer. Jedes Training wird ernst genommen, es gibt keine Trainingseinheit, in der einfach nur herumgeeiert wird. Alle sind fokussiert, jedes Training zählt. Das merkt man in jedem Spiel. Wir gehen hoch konzentriert in jede Partie und wollen immer besser werden, und nicht einfach nur durchkommen.
Das ganze "Schröder vs. Kleber"-Theater, hatte das intern Nachwirkungen? Spielt das überhaupt noch eine Rolle, seit die Nationalmannschaft in Richtung WM abgeflogen ist?
Nein, das ist überhaupt kein Thema. Wir sind im Vorfeld zusammengekommen, das Ganze wurde besprochen, das wurde alles intern geklärt und abgehakt. Das Wichtigste ist, dass das nicht dem Erfolg im Wege steht, deswegen wurde das auf schnellstem Wege geklärt, bevor wir uns auf den Weg in Richtung Vorbereitung und WM machten.
Nun steht das Schlüsselspiel gegen Slowenien an. Da geht's nicht nur um den Gruppensieg, sondern das ist gegen Megastar Luka Doncic und dessen Truppe auch ein Lackmustest in Sachen Medaillentauglichkeit, richtig?
Für uns ist der Sieg extrem wichtig. Wir wollen unbedingt gewinnen. Nicht nur, um den ersten Platz in dieser Gruppe zu erringen. Sondern wir wollen natürlich auch ungeschlagen und mit einem Sieg im Rücken ins Viertelfinale nächste Woche gehen. Das ist für uns also wirklich ein sehr guter Test. Luka alleine verteidigen wird uns nicht gelingen. Wir müssen es also als Team schaffen, ihm das Leben da draußen so schwer wie möglich zu machen.
Die Verletzungen von Schröder und Wagner, wie schwer wiegen die? Macht man sich Sorgen, hat man das kollektiv vielleicht schon im Hinterkopf vor der Endphase in Manila oder geht man das von Tag zu Tag an?
Naja, wir haben auf die Verletzung von Franz zu Beginn extrem gut reagiert, sind noch enger zusammen gerückt, als Team noch stärker geworden. Das zeichnet uns irgendwo auch aus, dass wir, wenn einer jetzt verletzt nicht spielen kann oder konnte, dass wir da mehr als genug Leute als Ersatz haben, die extrem gut Basketball spielen können. Das ist unsere Stärke.
Was bereitet als Team noch Sorgen? In welchen Bereichen herrscht noch Optimierungsbedarf, wo ist das Leistungslimit noch nicht erreicht? Die heiße Phase in Manila beginnt in zwei Tagen ...
Ich denke, man hat am Beispiel gestern gegen Georgien gut gesehen, dass wir als Team auf jeden Fall noch besser Freiwürfe treffen müssen. Gestern war unsere Dreierquote höher als unsere Freiwurfquote (57 % Dreier gegenüber 56 % von der Freiwurflinie, Anm. d. Red.). In den K.-o.-Spielen darf uns so etwas natürlich nicht passieren. Wenn die Dreierquote immer so hoch ist, da nehme ich das natürlich, aber in der Regel ist das nicht der Fall, also müssen wir unsere Freiwürfe auf jeden Fall treffen. Das gilt auch für mich persönlich: Ich hatte in der gesamten Vorbereitung gute Quoten gerade von der Freiwurflinie, da habe ich im Moment gerade ein paar Probleme, aber wenn es jetzt darauf ankommt, weiß ich auch, dass die Dinger wieder reingehen. Ansonsten können wir vielleicht hier und da noch ein bisschen schneller spielen, aber ich glaube, der Ball läuft ganz gut, wir haben viele Assists, erarbeiten uns viele gute Chancen.
Ist das hier das Team mit dem größten Spaß-Faktor, in dem Sie jemals gespielt haben?
Definitiv ist das hier eines der Teams, wo es mir persönlich am meisten Spaß macht, zusammenzuspielen. Wir verstehen uns alle auf dem Feld extrem gut, wir unternehmen abseits des Feldes viele Sachen zusammen, gehen gemeinsam essen. Der Erfolg spielt natürlich da rein. Wenn man erfolgreich spielt und zusammen gewinnt, macht das umso mehr Bock. Du weißt, du hast Teamkollegen, die auf dich aufpassen, die dir aushelfen, wenn du mal einen Fehler machst. Das macht alles umso einfacher und hebt den Spaß-Faktor enorm an.
Dieses Team scheint gut genug, um zum ersten Mal seit 2002 eine Medaille bei einem interkontinentalen Turnier zu erringen. Wie hoch ist die Motivation, deutsche Fans zu Hause glücklich zu machen und sich selbst mit einem Podiumsplatz zu belohnen?
Wir sind alle hierhergekommen mit einem großen Ziel für uns: Wir wollen etwas Großes bei dieser WM erreichen. Wir wollen auf dem Erfolg vom letzten Jahr aufbauen. Da stehen wir jetzt kurz davor. Da zählt kein Ego, jegliche individuelle Leistung steht im Hintergrund. Das Einzige, was hier zählt, ist der Team-Erfolg. Und nur daran denken wir.
Mit Daniel Theis sprach Seb Dumitru
Quelle: ntv.de