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Deutschland bejubelt drei WM-Titel "Biathleten feiern Wiederauferstehung"

Franziska Preuß hält die deutschen Farben hoch: Sie gewinnt Silber im Massenstart und Gold mit der Staffel.

Franziska Preuß hält die deutschen Farben hoch: Sie gewinnt Silber im Massenstart und Gold mit der Staffel.

(Foto: picture alliance / dpa)

Fünf Medaillen, davon dreimal Gold, machen Deutschland bei den Biathlon-Weltmeisterschaften in Kontiolahti zur zweiterfolgreichsten Nation. Nach dem Abgesang nach den Olympischen Winterspielen in Sotschi 2014 sendet der Deutschen liebster Wintersport damit ein deutliches Lebenszeichen. Woran das liegt, was die Zukunft noch bereithält und was eigentlich die Faszination dieses Sports ausmacht, erklärt die "Stimme des Biathlons", Sigi Heinrich im Interview mit n-tv.de.

n-tv.de: Herr Heinrich, die Biathlon-WM in Kontiolahti ist vorbei, das deutsche Team konnte fünf Medaillen feiern. Ausgegeben waren nur zwei. Alles in allem also erfolgreiche Titelkämpfe. Wie fällt Ihr Fazit aus?

Sigi Heinrich: Der deutsche Biathlon hat in Kontiolahti seine Wiederauferstehung gefeiert, nachdem er nach den Olympischen Winterspielen in Sotschi am Boden zerstört war. Dass man jetzt bereits ein Jahr später mit fünf Medaillen glänzen würde, damit konnte man nicht im Geringsten rechnen. Aber es macht die Erfolge auch umso schöner.

Erfolge, die eine neue Generation eingefahren hat.

Absolut, vor allem bei den Frauen. Mit Franziska Preuß, Laura Dahlmeier und Vanessa Hinz haben sich in Kontiolahti genau die Mädels geteilt, die vor zwei Jahren in Obertilliach bei den Juniorinnen schon für Furore gesorgt haben. Dazu kommen die ausgeglichen starke Franziska Hildebrand und auch an der Thüringerin Luise Kummer werden wir noch jede Menge Freude haben.

Der Thüringer Erik Lesser holte das erste Gold bei der WM in Kontiolahti fpr Deutschland; im Verfolgungsrennen.

Der Thüringer Erik Lesser holte das erste Gold bei der WM in Kontiolahti fpr Deutschland; im Verfolgungsrennen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Und bei den Männern?

Da kommen die Erfolge nicht ganz so überraschend. Im Gegensatz zu den Frauen sind die Männer nicht medaillenlos aus Sotschi zurückgereist. Natürlich haben sie mit den zwei WM-Titeln in der Staffel und im Verfolger durch den Thüringer Erik Lesser nochmals draufgepackt. Aber auch bei den Männern lautet die Devise: Der Star ist die Mannschaft - und das tut wie bei den Damen auch dem Team und jedem Einzelnen und somit auch dem Medaillenspiegel gut!

Wer hat Sie sonst noch positiv überrascht?

Überrascht hat mich die internationale Ausgeglichenheit: Zehn Nationen konnten Medaillen feiern. Das war früher schon einmal anders. Das sagt aber auch viel aus über die Popularität des Sports im Allgemeinen. Positiv überrascht hat mich zudem das Wetter, das in der zweiten Woche fantastisch war (lacht).

Und wer hat enttäuscht?

Hinter den Erwartungen zurückgeblieben sind vor allem Darja Domratschewa aus Weißrussland und die Finnin Kaisa Mäkäräinen. Das Enttäuschende dabei ist, dass die beiden Besten vor den Titelkämpfen, die beiden Gesamtweltcup-Führenden, ihr Potenzial zum wichtigsten Zeitpunkt im Jahr nicht abrufen konnten.

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(Foto: picture alliance / dpa)

Die Ansprüche an die deutschen Biathleten waren immer hoch und sind es weiterhin, die Namen wechseln recht dadurch auch schnell. Ein Michael Rösch läuft mittlerweile für Belgien, von einem Christoph Stephan hört man nichts mehr, Tina Bachmann und Miriam Gössner haben nach Krankheiten und Verletzungen keine erfolgreichen Comebacks feiern können. Frisst der Erfolg hierzulande seine Kinder?

Nein, ganz sicher nicht! Ich halte das vielmehr für eine völlig normale Entwicklung. Klar, es sind einige klangvolle Namen in den letzten Jahren verschwunden. Aber es sind auch welche dazugekommen. An der derzeitigen deutschen Biathlon-Generation werden wir noch zehn Jahre unsere Freude haben. Und: Das ist auch das große Geheimnis einer erfolgreichen Biathlon-Nation, dass immer wieder neue Namen nachkommen. Deutschland hat es erfolgreich geschafft, die Abgänge zu kompensieren - andere Nationen, ich führe nur mal Schweden als Beispiel auf, schaffen das nicht.

Sigi Heinrich ist Sportjournalist, Buchautor und Kommentator bei Europsport. Für seine unverwechselbaren Kommentare wurde er mehrfach ausgezeichnet - etwa mit dem Deutschen Fernsehpreis.

Sigi Heinrich ist Sportjournalist, Buchautor und Kommentator bei Europsport. Für seine unverwechselbaren Kommentare wurde er mehrfach ausgezeichnet - etwa mit dem Deutschen Fernsehpreis.

Sie sind schon seit rund 25 Jahren Sportkommentator, ein Kenner der Biathlon-Szene. Was hat sich in dem Sport in den vergangenen Jahren verändert?

Das Umfeld ist viel professioneller geworden. Früher gab es Wachskabinen, heute fünf oder sechs Nationen bereits eigene Wachs-Trucks. Auch eigene Schleifmaschinen führen manche Teams mit sich. Das hat es alles früher nicht gegeben. Auch die Sportler sind professioneller geworden: Biathlon ist heute ein Ganzjahressport! Am Schießstand wird viel gearbeitet, Schießzeiten von 20 Sekunden waren früher die Ausnahme und sind jetzt die Regel. Das Niveau ist unheimlich gestiegen. Das erkennt man auch daran, dass Athleten wie Martin Fourcade oder Johannes Thingsnes Boe problemlos im Langlauf-Weltcup vorn mitspielen könnten.

Es sind aber auch neue Rennen dazugekommen, wie der Massenstart und die Mixed-Staffel. In diesem Weltcup-Winter war es die Single-Mixed-Staffel. Ist das Ihrer Meinung nach ein Rennen für die Zukunft?

Mir persönlich gefällt es nicht. Andere Leute sagen, dass es sich durchaus durchsetzen kann. Angelehnt ist es an die Sprint-Rennen im Langlauf. Schnelle Frequenzen, die Athleten möglichst oft im Stadion zu sehen, darum geht es. Ich finde, dass der Wettkampf-Kalender schon jetzt ausgereizt ist und es ein weiteres Rennen nicht braucht.

Wieso hat der Sport in Deutschland so viele Fans? Was zeichnet ihn aus, macht ihn vor allem hierzulande so besonders?

Das Geheimnis liegt in der Abwechslung und der Ungewissheit. Wenn einer im Langlauf mal 30 Sekunden weg ist, dann wird der das Ding gewinnen. Im Biathlon ist das anders: Da schießt einer einen Fehler, muss in die Strafrunde und schon sind mal 20 bis 25 Sekunden weg. Dieser ständige Wechsel, dieses Hin und Her, das Rauf und Runter, Begeisterung folgt auf Ernüchterung und umgekehrt - darin liegt das Geheimnis des Biathlonsports und macht die Faszination aus.

Und ganz kurz: Können Sie die Faszination Biathlon in drei Worten beschreiben?

Spannend. Abwechslungsreich. Faszinierend. (lacht)

Mit Sigi Heinrich sprach Thomas Badtke

Quelle: ntv.de

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