Niederländer im Fußballrausch Campen im "Oranje-Dorp"
16.06.2008, 17:08 UhrAn jeder Straßenlaterne hängt eine orangefarbene Fahne. Die Farbe, die in der Schweiz normalerweise nur für Umleitungsschilder oder Straßenabsperrungen gilt, ist plötzlich überall. Das "Oranje-Dorp" in Flamatt und Neuenegg ist der heiße EM-Tipp für Niederländer, die ihren im zehn Kilometer entfernten Bern spielenden Fußballern ganz nah sein und trotzdem nicht auf ihr geliebtes Camping verzichten wollen. "Wir haben eine tolle Stimmung und feiern schon jetzt einen vollen Erfolg", sagt Dieter Loosli, einer der geistigen Väter des Camps auf der Grenze zwischen den Kantonen Freiburg und Bern. Pausenlos registriert er "Oranje-Fans", die die Nacht für 22 Euro zelten wollen.
Loosli hat das "dorp", niederländisch für Dorf, natürlich nicht allein auf die Beine gestellt. Hinter der Idee stecken fünf Männer, die zunächst mal einen Verein gegründet haben. Der 42-jährige Loosli, sonst eigentlich mit der Personalsuche für Hilfsorganisationen befasst, versteht sich als Camp-Manager. Der Marketingexperte Simon Freiburghaus gibt den Vereinspräsidenten. Sein Bruder ist Bauer in Neuenegg. Freiburghaus habe ihm gesagt: "Du musst in diesem Jahr mal keine Kartoffeln, sondern Holländer setzen", erzählt Loosli. "Wir hatten keine Ahnung, aber dann ging es los." Acht Camper kamen am ersten Spieltag am 7. Juni, vor dem letzten Gruppenspiel der Holländer gegen Rumänien meldet das "Oranje-Dorp": Wir sind mit 3000 Campern bis auf den letzten Platz ausgebucht.
Reger kultureller Austausch erhofft
Doch zunächst galt es, bürokratische Hindernisse zu überwinden. Seltsamerweise hält der Kanton Bern für Sommercamps eine 80 Seiten dicke Broschüre bereit, in die sich die Gründergemeinschaft zusammen mit weiteren Partnern einarbeiten musste. Trotzdem schafften sie es, innerhalb von sechs Monaten das Dorf auf den Acker zu stellen. Der Schützenverein stellte nach viel gutem Zureden das Schützenhaus zur Verfügung, Toiletten wurden organisiert und die strengen Auflagen so Stück für Stück abgearbeitet.
"Niemand hat ja geglaubt, dass hier mal 100.000 Holländer hinkommen", meint Loosli. So viele waren es aber beim grandiosen 3:0- Sieg der Niederländer gegen Italien. Inzwischen gilt eine Verabredung mit den Einwohnern: wochentags darf bis 00.30 Uhr gefeiert werden, am Wochenende bis 02.00 Uhr. Ärger gibt es kaum, Stress mit der Polizei überhaupt keinen. Da ein Public Viewing direkt angeschlossen ist, fahren viele Camper gar nicht erst nach Bern zum Spiel, sondern feiern gleich vor dem Zelt oder Wohnwagen.
Dass es so gut läuft im "Oranje-Dorp" liegt auch an der guten Werbung. Das Fan-Camp am Flüsschen Sense wird auf einer Website in niederländischer Sprache angepriesen. "Meine Heimat kommt auf Besuch", freut sich Mitorganisator Teddy Wassmer, ein Holländer, der in der Schweiz lebt. Seine Landsleute seien bekannt als gut gelaunte Partygäste, die für Stimmung sorgten. Daher erhoffen sich die Organisatoren im "Oranje-Dorp" einen regen kulturellen Austausch zwischen Schweizern, Niederländern und Fans aus anderen Ländern.
Von Heinz-Peter Dietrich, dpa
Quelle: ntv.de