Löw und Ballack wollen reden Chelsea verhindert Treffen
24.10.2008, 18:55 UhrIm Machtkampf zwischen Bundestrainer Joachim Löw und seinem Kapitän Michael Ballack bahnt sich eine Lösung an. Nachdem in den vergangenen Tagen ausschließlich über die Medien diskutiert und Stimmung gemacht worden war, vereinbarten Löw und Ballack am Donnerstagabend in einem ersten Gespräch einen Friedensgipfel. Löw hatte auf ein Treffen in Deutschland bestanden.
Ballacks Arbeitgeber FC Chelsea untersagt jedoch offenbar ein schnelles Treffen des Nationalmannschafts-Kapitäns mit Fußball-Bundestrainer Joachim Löw in Deutschland. Der Verein erteilt Ballack nach dessen Operation an beiden Füßen keine Freigabe für eine Reise. Das berichtet die "Süddeutsche Zeitung".
"Aus gesundheitlichen Gründen"
"Er ist ein Spieler von Chelsea. Falls Joachim Löw mit ihm sprechen will, lade ich den Nationaltrainer ein, zu uns zu kommen, ein, zwei Tage mit uns zu verbringen und mit ihm zu sprechen", sagte demnach Chelseas Trainer Luiz Felipe Scolari in London. "Ballack kann jetzt nicht nach Deutschland reisen. Er erholt sich von einer Operation und wird von den Ärzten behandelt", begründete Scolari das Reise-Verbot.
Harald Stenger, DFB-Mediendirektor, bestätigte, dass "beim DFB ein Fax des FC Chelsea eingetroffen ist, in dem mitgeteilt wird, dass der Flug nach Deutschland vom Verein aus gesundheitlichen Gründen nicht erlaubt wird".
Die sportliche Leitung der Nationalmannschaft will an diesem Wochenende über die neue Situation beraten. "Ich wünsche mir nicht, dass es zu einer Maßnahme kommt, die wir alle nicht wollen", sagte DFB-Präsident Theo Zwanziger im Bezahlsender "Premiere". Er wolle das Gespräch abwarten und werde dann informiert.
Beistand von Klinsmann
Unterdessen erhielt der Bundestrainer weitere Unterstützung, diesmal von seinem Vorgänger Jürgen Klinsmann. "Die Situation ist recht einfach: Michael hat sich für seine Aussagen beim Trainer und seinen Teamkollegen zu entschuldigen. Ich gehe davon aus, dass er einsieht, einen Fehler gemacht zu haben, und dafür auch gerade steht", sagte der Coach vom FC Bayern München.
Über mögliche Konsequenzen für Ballack wollte sich Klinsmann nicht äußern: "Das ist allein die Sache von Jogi. Er ist der Chef, er allein entscheidet. So, wie ich ihn kenne, wird er das mit Michael optimal gestalten."
Auch Franz Beckenbauer hat dem Bundestrainer noch einmal den Rücken gestärkt. "Dass Löw sich die Kritik nicht einfach gefallen lässt, ist klar. An seiner Arbeit gibt es meiner Meinung nach nichts auszusetzen", schrieb der "Kaiser" in seiner Kolumne in der "Bild"-Zeitung.
Grundsätzlich sei der Angriff von Ballack gegen Löw, aber auch die Flucht von Kevin Kuranyi ein "echtes Alarmzeichen", so Beckenbauer weiter: "Wenn das Verhältnis zwischen Kapitän und Trainer so gestört ist, dann muss schnell etwas passieren. So geht es nicht weiter."
Ballack kompromissbereit
Bei dem Telefonat wurden nach der Kritik von Ballack an Kurs und Personalentscheidungen von Löw inhaltliche Dinge noch ausgeklammert. Es habe sich lediglich um eine Terminabsprache gehandelt, sagte Stenger. Vom Ausgang des Vier-Augen-Gesprächs wird die sportliche Zukunft des Nationalspielers in der deutschen Fußball-Nationalmannschaft abhängen. Wie es im Fall Torsten Frings weitergeht, ist derweil ebenfalls noch offen.
Ballack ist angeblich zu Kompromissen bereit. Offenbar hat der 32 Jahre alte Mittelfeldspieler gemerkt, dass er mit seiner Kritik an Löw über das Ziel hinausgeschossen ist. Schon seit Tagen spürt Ballack heftigen Gegenwind, selbst mannschaftsintern. "Das war nicht professionell. Missstände gehören intern diskutiert, nicht über die Medien", betonte der Berliner Arne Friedrich.
Für Bundestorwarttrainer Andreas Köpke ist jede Konsequenz denkbar. "Es macht keinen Sinn, jetzt darüber zu spekulieren, wie die Geschichte ausgeht. Da ist momentan jede Richtung möglich", sagte Köpke der "Leipziger Volkszeitung". "Mich stört an den ganzen Diskussionen, dass diese überflüssigen Dinge die eigentliche Hauptsache verwässern", sagte Köpke.
Entschuldigung wohl fällig
Da Löw derzeit Unterstützung von allen Seiten bekommt, wird Ballack um eine Entschuldigung für seine Attacke wohl nicht herumkommen. "Ich freue mich, dass der Trainer wieder den Dialog mit mir sucht", hatte Ballack vor dem Telefonat mit Löw erklärt.
Löw will sein weiteres Vorgehen in erster Linie vom Verlauf des persönlichen Gesprächs mit Ballack abhängig machen. "Alles Weitere wird man dann sehen", meinte er zuletzt. Die Bandbreite der Sanktionen reicht vom Rauswurf, sollte Ballack stur bleiben, bis hin zur Absetzung als Kapitän.
Es geht auch ohne Ballack
In einigen Umfragen können sich die Fans aber durchaus eine Nationalmannschaft ohne Michael Ballack vorstellen. Auch die Statistik spricht nicht unbedingt dafür, dass der Kapitän unersetzlich ist.
Seit August 2000 gab es 80 Spiele der DFB-Auswahl mit dem England-Legionär vom FC Chelsea und 40 ohne ihn. Mit Ballack gab es 49 Siege (61 Prozent), ohne ihn 24 (60 Prozent). Nach der WM 2006 gewann Deutschland in 14 Spielen ohne den Kapitän 9-mal (2 Niederlagen, drei Remis), mit Ballack in 19 Partien 15-mal (2 Niederlagen, 2 Remis).
Quelle: ntv.de