Hinweis auf Massaker China zensiert Foto versehentlich protestierender Sportlerinnen
06.10.2023, 10:40 Uhr
Die chinesischen Sportlerinnen umarmen sich nach einem Rennen und rufen damit unbeabsichtigt die Behörden auf den Plan.
(Foto: picture alliance / Xinhua News Agency)
Zwei chinesische Sprinterinnen rufen mit einem gemeinsamen Foto nach einem sportlichen Triumph bei den Asienspielen die Behörden auf den Plan. Unbeabsichtigt. Das Bild beschwört die Erinnerung an ein Massaker.
Zwei chinesische Sportlerinnen umarmen sich nach einem Rennen, die eine gratuliert der anderen zum Sieg, beide haben eine chinesische Flagge in der Hand, Fotografen drücken auf den Auslöser. Und schaffen damit ein Bild, das China eigentlich viel Freude machen soll. Doch das Gegenteil ist der Fall: Weil Lin Yuwei und Wu Yanni nach dem 100-Meter-Hürden-Rennen bei den Asienspielen versehentlich ein Symbol des Protests schaffen. Und damit die chinesischen Zensurbehörden in Alarmbereitschaft versetzen.
Weil Siegerin Lin Yuwei die Bahnnummer 4 auf der Hose trug und Gratulantin Wu Yanni die 6, ist auf dem vielfach in sozialen Medien geteilten Motiv die Abkürzung "6/4" zu sehen - eine Chiffre, die auf das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens (Tian’anmen) in Peking hinweist. Dort hatten am 4. Juni 1989 Hunderttausende Menschen für Demokratie und Freiheit demonstriert - bis chinesische Truppen die Versammlung niederschossen. Es ist nach wie vor unklar, wie viele Menschen an diesem Tag tatsächlich starben, aber die Schätzungen von Menschenrechtsgruppen reichen von mehreren Hundert bis zu mehreren Tausend Toten.
Auf Weibo, einer der größten chinesischen Social-Media-Plattformen, hatten Nutzer ihre Glückwünsche für Lin gepostet, aber Beiträge, die das Foto enthielten, wurden durch graue Quadrate ersetzt. Das Foto scheint jedoch nicht vollständig aus dem Internet verschwunden zu sein, denn in einigen chinesischen Nachrichtenartikeln ist immer noch ein Foto der beiden Sportlerinnen zu sehen.
Eine Auseinandersetzung mit dem Vorfall aus dem Juni 1989 findet in China praktisch nicht statt, die Behörden lassen routinemäßig jede Erwähnung des Themas aus dem Internet löschen. Generationen von jüngeren Chinesen wachsen mit wenig oder gar keinem Wissen über das Massaker auf dem Platz des Himmlischen Friedens auf. Beiträge zu den Massakern werden regelmäßig aus dem Internet entfernt, das von der Regierung streng kontrolliert wird.
Der chinesische Friedensnobelpreisträger Liu Xiabo hatte der "Berliner Zeitung" schon 2010 gesagt, die chinesische Führung befände sich "seit Tian'anmen im Zustand der Paranoia; noch in der friedlichsten, harmlosesten politischen Gruppe sehen sie eine fundamentale Gefahr." Während der Proteste entstand auch das ikonische Foto, auf dem ein chinesischer Zivilist sich den Panzern der Armee in den Weg stellt - "bewaffnet" nur mit zwei Plastiktüten.
Quelle: ntv.de, ter