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Dopingverdacht sprintet mit Coleman wäre der Weltmeister mit dem Makel

Christian Coleman feiert sich als Saubermann - und darf in Doha starten.

Christian Coleman feiert sich als Saubermann - und darf in Doha starten.

(Foto: dpa)

Zum schnellsten Mann könnte sich bei der Leichtathletik-WM einer krönen, der der Dopingsperre gerade so entfleucht ist. Gegen Christian Coleman wurde wegen verpasster Tests ermittelt. Das liegt allerdings auch am komplizierten Meldesystem, dem sich alle Athleten unterwerfen müssen.

Wenn am Abend der schnellste Mann der Welt gesucht wird, wird es im WM-Stadion in Doha ruhiger zugehen als bei der vergangenen Leichtathletik-Weltmeisterschaft in London 2017. Dann wird kein jamaikanischer Schlaks im gelb-grünen Dress am Startblock stehen, Grimassen ziehen und wilde Gesten machen. Usain Bolt, der Überflieger und Spaßvogel der Sprinter, ist zurückgetreten. Gesucht wird der Nachfolger des Weltrekordlers. Ein Kandidat auf den 100-Meter-Titel ist der US-Amerikaner Christian Coleman, Silbermedaillengewinner von 2017 und amtierender Hallenweltmeister über 60 Meter.

Doch die Fans werden sich nicht uneingeschränkt mit ihm freuen, sollte er siegen. Der Name des 23-Jährigen war zuletzt in Verruf geraten, weil er mit Doping in Verbindung gebracht wurde. Die US-Anti-Doping-Agentur Usada hatte bekannt gegeben, dass der Amerikaner drei Tests innerhalb eines Jahres verpasst hat, was eine Sperre nach sich ziehen würde. Ein herber Imageschaden in einer Sportart, in der Misstrauen ohnehin vorherrschend ist.

Eine Formalie verhindert die Sperre

Nun aber darf Coleman doch bei der WM starten, die Ermittlungen gegen ihn wurden eingestellt. Coleman hatte sich mit einem Anwalt gegen die Ermittlungen der Usada zur Wehr setzte - aus gutem Grund. Denn die Organisation kannte offenbar die Regeln nicht genau, durch die die erste und die dritte fehlende Probe zurückdatiert werden musste, weswegen es nun gar nicht drei verpasste Tests innerhalb eines Jahres mehr sind. Möglich war das durch das "Testing and Investigations"-Regelwerk der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada. Dort heißt es sinngemäß, dass bei einem sogenannten "Filing Failure" - also einem Anmeldefehler, bei dem nicht alle nötigen Informationen zur Verfügung stehen - nicht der tatsächliche Tag des verpassten Dopingtests als Termin des Verstoßes gilt, sondern der erste Tag des entsprechenden Quartals. Und schon rutschte der dritte Fehler exakt einen Tag aus dem Kalenderjahr.

Damit verhinderte tatsächlich nur eine Formalie die mögliche Sperre - und diese ist zudem auch noch äußerst fragwürdig, wenn man sich den Kalender nach seinen Gunsten zurechtbasteln kann. Unfreiwillig komisch wirkt zudem, dass die verpassten Tests nun jeweils auf den Aprilscherztag 1. April datiert wurden. Eine Abrechnung, mit der er sich bei Youtube unter anderem über die Usada aufregte, hat er zum WM-Start gelöscht.

Wie schnell es geht, einen Test zu verpassen, erklärte die deutsche Hürdensprinterin Pamela Dutkiewicz schon 2017 dem "Spiegel". Einst standen für sie zwei verpasste Tests zu Buche, sie musste zittern, keinen dritten zu kassieren. "Das ist verrückt", sagte sie, die diese Saison wegen einer Verletzung abbrechen musste: "Man kann wirklich paranoid werden und den Fokus für den Sport verlieren." Dabei hatte sie - wie Coleman offenbar ebenfalls - nur vergessen ihre Aufenthaltsinformationen im Adams-System (Anti-Doping Administration and Management System) zu aktualisieren. Schon standen Kontrolleure an ihrem angegeben Ort - nur Dutkiewicz war nicht anwesend.

Alternative: Elektronische Fußfessel

Diese Pflege der Aufenthaltsorte im Adams-System kann man getrost als unfassbar aufwendiges Prozedere für die Athleten bezeichnen. Ein Vierteljahr im Voraus müssen sie für jeden Tag und jede Uhrzeit lückenlos melden, wo sie sich befinden. Deutschlands Topsprinterin Gina Lückenkemper hat sich deswegen erst kürzlich für eine "elektronische Fußfessel" als Alternative ausgesprochen. "Das meine ich symbolisch - damit meine ich: Es würde uns das Ganze enorm erleichtern, wenn sie uns einfach über die Handys orten könnten. Ich persönlich wäre dafür", so die 22-Jährige. "Jetzt muss ich täglich und stündlich meinen Ort, die Adresse und meine Handynummer angeben. Damit sie mich immer finden. Das ganze System ist eben sehr unfreundlich für die Athleten." Allerdings sei das datenschutzrechtlich nicht durchsetzbar, das hätten die Athleten als Rückmeldung bekommen.

Solange das Adams-System aktualisiert werden muss, müssen Athleten weiter fürchten, dass sie unbeabsichtigt Kontrollen verpassen und damit in Dopingverdacht geraten. Irren ist nun mal menschlich. Das gilt auch für Sprinter, die besonders unter Generalverdacht stehen.

Quelle: ntv.de

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