Nach EM-Kollaps gegen die Türkei DBB-Team muss "Stinker" abhaken
09.09.2015, 06:16 Uhr
Trotz erneuter Niederlage mit dem DBB-Team: Olympia ist für Dirk Nowitzki und die deutsche Mannschaft noch immer drin.
(Foto: picture alliance / dpa)
Mit zwei katastrophalen Auftaktminuten schaufeln sich die deutschen Basketballer im EM-Spiel gegen die Türkei ihr eigenes Ergebnisgrab. Das Ziel Olympia-Qualifikation ist massiv gefährdet, denn der nächste Gegner Italien schafft eine Sensation.
"Wir haben die letzten drei Viertel mit 15 Punkten gewonnen und hatten trotzdem keine realistische Chance, das Spiel zu drehen." Selten fiel eine Spielanalyse für die deutschen Basketballer so schmerzhaft aus wie die von Bundestrainer Chris Fleming nach der enttäuschenden Niederlage im EM-Vorrundenspiel gegen die Türkei. Denn selten war sie so schonungslos - und so treffend. Am Ende eines jämmerlich schlechten Auftaktviertels war auf der Anzeigetafel in Berlin vor 13.050 Zuschauern ein 31:11 aufgeleuchtet, für die Türken. Da war das Spiel bereits verloren.
Fleming weiß, dass sich ein Basketballspiel in unzählige Statistiken verdichten lässt. Die relevanten aus deutscher Sicht waren diesmal nicht das schmeichelhafte Ergebnis von 75:80, auch nicht die 24 Punkte von Jungstar Dennis Schröder, immerhin deutscher Turnierbestwert in der bisherigen Vorrunde. Selbst die zwischenzeitlich indiskutable Dreierquote von 2 aus 20 Versuchen und die zwölf Punkte Vorsprung im Schlussviertel waren am Ende völlig unerheblich. Die entscheidenden Zahlen fanden sich unten rechts auf dem Ergebniszettel. Da, wo die "Zeit in Führung" für jedes Team notiert ist. Bei der Türkei stand dort 39:21 Minuten. Bei Deutschland: 0.
"Blutung" ließ sich nicht stoppen
Bei 40 Minuten Gesamtspielzeit ergeben die Zahlen lediglich 39 Sekunden, in denen die deutschen Basketballer um Altstar Dirk Nowitzki und Jungstar Dennis Schröder gegen die Türkei nicht zurücklagen. Es waren die ersten 39 Sekunden des Spiels. Weitere 68 Sekunden, drei Fehlversuche und einen geblockten Wurf auf deutscher Seite sowie zwei Dreier und ein Dreipunktespiel auf türkischer Seite später führten die Türken 9:0. Da war aus dem DBB-Team bereits die allgemeine deutsche Verunsicherung geworden, gab Aufbauspieler Heiko Schaffartzik nach dem Spiel zu, denn: "Mit jedem Fehlwurf von uns und jedem Treffer von der Türkei wurde es noch schwieriger für uns."
Während der türkische Coach Ergin Ataman seine wie im Rausch agierende Starting Five fast komplett durchspielen ließ und die deutsche Verunsicherung maximal ausnutzte, rotierte Fleming Personal und Taktik, erfolglos. Auch deftige Ansprachen in den Auszeiten fruchteten nicht. Sein Team, bilanzierte Fleming hinterher martialisch, fand einfach keinen Weg, "die Blutung zu stoppen".
Warum die DBB-Mannschaft nach dem starken Auftritt gegen Serbien im ersten von zwei Schlüsselspielen um das EM- Achtelfinale diesmal derart schnell den Kopf verlor, dafür hatte Fleming keine Erklärung. Von einem "Wurfproblem" wollte er trotz der vor allem in der ersten Halbzeit katastrophalen Quoten nichts wissen. Fleming entschied sich für den unbequemeren Weg und verpasste sich und seinem Team eine öffentliche Ohrfeige, indem er ihm ein "Bereitschaftsproblem" attestierte.
Dass Deutschland am Ende nur mit fünf Punkten verlor, dass Jungstar Schröder nach nur zwei Zählern bis zur Halbzeitpause noch 24 Punkte sammelte, davon ließ sich Fleming nicht blenden. In jedem Turnier gebe es ja bei den Spielen einen Stinker, habe ihm sein Co-Trainer Henrik Rödl gesagt: "Wenn ich ehrlich bin, war das ein Stinker heute Abend" Er sei aber sicher, dass er gegen Italien "ein anderes Team auf dem Feld" sehen werde.
Alles ist noch möglich
Da wusste Fleming allerdings noch nicht, dass Italien den missratenen deutschen Abend mit einem sensationell erkämpften und erspielten 105:98-Sieg gegen Spanien noch miserabler gestalten würde. Trotz des Ausfalls von Kapitän Luigi Datome feierte Italien den zweiten Vorrundensieg in Gruppe B. Vor dem direkten Duell beider Teams ab 17.45 Uhr ist der Druck auf das DBB-Team damit enorm gestiegen. Wahrscheinlich ist nun, dass für das Erreichen des Achtelfinals die vorab kalkulierten zwei Siege gar nicht reichen. Rechnerisch möglich bleibt aber auch, dass sich das DBB-Team selbst bei einer Niederlage gegen Italien im letzten Gruppenspiel noch ins Achtelfinale hieven kann - sofern dann eine Sensation gegen die schon zweimal gestrauchelten Spanier gelingt.
Dirk Nowitzki, gegen die Türken mit 15 Punkten zweitbester DBB-Scorer, fordert gegen Italien mehr Aggressivität im deutschen Spiel. Die Hoffnung auf die K.o.-Runde und damit Olympia 2016 hat der 37-Jährige noch nicht aufgegeben: "Ziel war immer, die Vorrunde zu überstehen. Das ist immer noch möglich."
Quelle: ntv.de