Zwischen Vertrauen und Kritik DHB-Team relaxt, Groetzki werkelt am Gefühl
24.01.2019, 11:42 Uhr
Patrick Groetzki sei "spielerisch stark", sagt der Bundestrainer. Und Christian Prokop muss es doch wissen.
(Foto: imago/Agentur 54 Grad)
Patrick Groetzki ist der wohl umstrittenste Spieler der deutschen Handball-Nationalmannschaft und muss sich großer Kritik erwehren. Innerhalb des Teams ist er allerdings unumstritten. Beim Sieg gegen Spanien arbeitet er daran, dass auch die Außenwahrnehmung positiver wird.
Es gab sie durchaus, diese spannungsgeladenen Momente im letzten Hauptrundenspiel der deutsche Handballer bei der Weltmeisterschaft. Sportlich waren die 60 Minuten und der knappe 31:30-Erfolg der Auswahl des Deutschen Handballbundes (DHB) nicht von großem Belang, denn der Halbfinaleinzug stand schon vor der Begegnung fest. Aber für Patrick Groetzki war das Match wichtig, denn es ging für den Rechtsaußen der Rhein-Neckar Löwen darum, ein gutes Gefühl zu erlangen - und ein klitzekleines bisschen ging es auch darum, die Kritik an seiner Person einzudämmen.
Die deutschen Handballer fliegen in diesen Tagen auf einer großen Wolke der Euphorie durch die WM im eigenen Land. Die Stimmung in den Arenen ist gigantisch, die öffentliche Aufmerksamkeit erreicht ständig neue Höchststände. Doch nicht alle werden von der öffentlichen Welle getragen, Patrick Groetzki musste sich in den zurückliegenden zwei Wochen immer wieder großer Kritik erwehren. Und deshalb war die Partie gegen die Iberer für ihn nicht nur ein Einspielen auf Wettkampfbedingungen vor dem Halbfinale. Es waren noch keine drei Minuten gespielt, als der 29-Jährige freigespielt wurde - und den Ball souverän verwandelte. Kurz vor der Pause legte er im Gegenstoß zum 16:15 seinen zweiten Treffer nach, ehe er sich in der zweiten Hälfte auf der Bank ausruhen - und wegen der Erfolgserlebnisse zuvor - auch entspannen konnte.
"Mit meinen Leistungen selbst nicht zufrieden"
Beim hauchdünnen 22:21-Erfolg gegen die Kroaten zwei Tage zuvor hatte der Außen zwei große Chancen vergeben und damit sein Wellental bei dem Turnier erweitert. Nach einem durchwachsenen Beginn mit einigen Fehlwürfen war der Linkshänder nach dem 22:22-Remis in der Vorrunde gegen Russland in die Kritik geraten, im Boulevard wurde sogar gefordert, Tobias Reichmann von der MT Melsungen für Groetzki ins Team zu holen, obwohl er sich ein paar Tage zuvor wegen abwertender Äußerungen in den sozialen Netzwerken eigentlich disqualifiziert hatte. Reichmann war nicht in den finalen WM-Kader berufen worden und hatte auf diesem Weg seinem Frust freien Lauf gelassen.
Zunächst hatte Groetzki auf die aufkeimende mediale Missstimmung gegen ihn, die mit Beschimpfungen in Internetportalen einherging, eine starke Antwort gegeben. Er hatte in den Partien gegen Frankreich, Serbien und Island alle Wurfversuche verwandelt, ehe es gegen die Kroaten nicht rund lief. "Ich bin mit meinen Leistungen ja selbst nicht zufrieden", sagte Groetzki, der es schaffte, die Kritik von außen nicht an sich herankommen zu lassen. Gegen Spanien war es dennoch wichtig, unter Beweis zu stellen, dass er der besonderen Beobachtung trotzen kann.
"Patrick genießt mein Vertrauen"
Die Wertschätzung innerhalb der Nationalmannschaft ist ohnehin nicht mit der in der Öffentlichkeit zu vergleichen. "Patrick genießt mein Vertrauen. Er wurde von mir nicht nominiert, weil ich von ihm eine hundertprozentige Chancenverwertung verlange. Natürlich erwartet er von sich eine höhere Effektivität, aber ich messe ihn nicht nur daran", lobte Christian Prokop den Rechtsaußen vor dem Match gegen die Spanier ausdrücklich. Der Bundestrainer schätzt Qualitäten an Groetzki, die für eine Mannschaft enorm wichtig sind, die aber in der oberflächlichen Betrachtung meist unbeachtet bleiben. Der Rechtaußen sei "spielerisch stark", spiele "kluge Pässe an den Kreis", "genaue Pässe beim Tempogegenstoß" und zeichne sich durch "eine sehr gute Abwehrarbeit" aus.
In der Szene werden die vielfältigen Fähigkeiten anerkannt, bei der Spitzenmannschaft Rhein-Neckar Löwen ist er auf seiner Position seit vielen Jahren unangefochten - doch im Dunstkreis der Nationalmannschaft gibt es seit Jahren das Vorurteil, dass Groetzki nicht gut genug sei. Und es gibt das Vorurteil, dass er in wichtigen Spielen nicht nervenstark genug im Abschluss sei. Seit Groetzki im WM-Viertelfinale vor sechs Jahren im Duell gegen Gastgeber Spanien zwei große Chancen ausließ und die Deutschen anschließend verloren, hängt ihm dieser vermeintliche Makel an. "Ich kann die Bewertung in der Öffentlichkeit nicht ändern, ich kann nur alles geben", hatte Groetzki einmal über die Stimmung gesagt, die oft aufkommt, wenn er das Nationaltrikot trägt.
Mit der guten Vorstellung gegen Spanien bei der gerade laufenden Weltmeisterschaft hat Groetzki Werbung für sich gemacht und mit einer starken Leistung im Halbfinale am Freitag (20.30 Uhr) gegen Norwegen könnte er vielleicht sogar die Vorurteile widerlegen.
Quelle: ntv.de