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Skisprung-Experte analysiert Tournee "DSV-Adler hätten um Sieg kämpfen können"

Trotz der schlechten Platzierung in Innsbruck: Markus Eisenbichler springt eine sehr gute Tournee.

Trotz der schlechten Platzierung in Innsbruck: Markus Eisenbichler springt eine sehr gute Tournee.

(Foto: dpa)

Markus Eisenbichler und Andreas Wellinger hätten in diesem Jahr um den Gesamtsieg bei der Vierschanzentournee mitspringen können, findet der ehemalige deutsche Spitzenspringer Gerd Siegmund. Warum das nicht geklappt hat, erklärt er im Gespräch mit n-tv.de Außerdem verrät er, warum die Prevc-Brüder Domen und Peter in diesem Jahr so "abgestürzt" sind und wer die 65. Austragung gewinnt.

Gerd Siegmund war früher selbst erfolgreicher Skispringer.

Gerd Siegmund war früher selbst erfolgreicher Skispringer.

Wenn heute Nachmittag in Bischofshofen alles normal und von den Bedingungen her fair verläuft, wird es wieder keinen deutschen Tournee-Gesamtsieger geben. Dafür haben aber einzelne Springer wie Markus Eisenbichler, Stephan Lehye oder auch Andreas Wellinger mit seinem Schanzenrekordsprung gestern in der Qualifikation gute Leistungen angeboten. War es eine gute oder schlechte Tournee für die DSV-Adler?

Das ist Gerd Siegmund
  • Gerd Siegmund ist ein ehemaliger deutscher Skispringer und war 13 Jahre lang TV-Experte für Eurosport an der Seite von Dirk Thiele.
  • Im Weltcup feierte der mittlerweile 43-Jährige einen Einzelsieg.
  • Sein größter Erfolg war allerdings die WM-Silbermedaille im Team mit Jens Weißflog, Dieter Thoma und Hansjörg Jäkle 1995 in Thunder Bay.
  • Mittlerweile ist er als Sportmanager aktiv und betreut unter anderem die beiden deutschen Weltcupspringer Richard Freitag und Andreas Wank.
  • Gemeinsam mit Dirk Thiele betreibt er noch einen Video-Blog zum Skispringen.

Gerd Siegmund: Es ist eine gemischte Tournee. Anders kann man das nicht sagen. Mit den Vorleistungen in den Weltcups gehörten die Deutschen allerdings ohnehin nicht zu den Favoriten. Dennoch haben wir gerade mit Eisenbichler und Wellinger zwei Springer, die in der Lage gewesen wären und den Anspruch haben sollten, um den Gesamtsieg mitzukämpfen. Das hat leider nicht geklappt. Aber vielleicht gibt's ja noch einen versöhnlichen Abschluss.

Woran liegt es denn, dass sich die Deutschen bei der Tournee in den vergangenen Jahren regelmäßig schwertun, ihr absolutes Topniveau konstant zu halten?

Puh, das ist eine schwierige Frage. Aber im vergangenen Jahr war es ja beispielweise so, dass Severin Freund seine Topleistung gebracht hat, da war mit Peter Prevc halt einer besser. Das muss man akzeptieren. Ansonsten ist es so: Eisenbichler hatte in Innsbruck sicher Pech mit den Bedingungen aber auch nicht seinen besten Sprung gemacht und sich einen zu großen Rückstand in der Gesamtwertung eingehandelt. Das darfst du dir auf diesem Niveau eben nicht erlauben. Und wenn du vor der Tournee wie Wellinger nur sehr wechselhafte Leistungen bringst, dann kannst du das nicht plötzlich bei den vier Springen auf die ganz hohe Konstanz drehen. Wenn dich unten im Kessel 20.000 Leute anfeuern, dann willst du halt oft noch mehr machen. Aber noch mehr machen, geht im Skispringen fast immer schief.

Deutsche Sieger bei der Vierschanzentournee
  • Helmut Recknagel (DDR): 1957/58, 1958/59 und 1960/61
  • Max Bolkart (BRD): 1959/60
  • Horst Queck (DDR): 1969/70
  • Rainer Schmidt (DDR): 1972/73
  • Hans-Georg Aschenbach (DDR): 1973/74
  • Jochen Danneberg (DDR): 1975/76, 1976/77
  • Manfred Deckert (DDR): 1981/82
  • Jens Weißflog (DDR/BRD): 1983/84, 1984/85, 1990/91, 1995/96
  • Dieter Thoma (BRD): 1989/90
  • Sven Hannawald: 2001/02
  • Erfolgreichster Tournee-Springer ist der Finne Janne Ahonen mit insgesamt fünf Erfolgen: 1998/99, 2002/03, 2004/05, 2005/06, 2007/08.

Also ist der Druck der Fans und der Öffentlichkeit zu groß, nach Sven Hannawald 2002 endlich wieder einen Tourneesieger aus Deutschland haben zu wollen?

Es ist vor allem der eigene Erwartungsdruck. Du versuchst es noch besser zu machen, bist aber angesichts deiner Form dazu nicht in der Lage.

Sind daran letztlich auch die so dominierenden Prevc-Büder Domen und Peter in diesem Jahr gescheitert?

Bei Peter ist es so, dass er sein Gefühl verloren hat. Das hat er mir mehrmals bestätigt. Er hat eine ganze andere Vorstellung von seinem Sprung als in der Realität. Er denkt zum Beispiel, dass er in der Anfahrtsspur tief sitzt, sieht dann aber im Video das Gegenteil. Und wenn dir das Gefühl abgeht, dann bekommst du es so schnell nicht wieder. Da brauchst du Geduld.

Und wie sieht's bei Domen aus? Trotz seiner erst 17 Jahre hat er den Weltcup vor der Tournee beeindruckend beherrscht …

Domen ist noch sehr jung. Das dürfen wir nicht vergessen. Er ist in der ersten Saisonphase vielleicht auch ein wenig über seinem tatsächlichen Leistungsniveau gesprungen. Aber klar, wenn du das Gelbe Trikot als Gesamtweltcupführender trägst, dann bist du auch bei der Tournee Favorit, egal wie alt du bist. Unterbewusst spielt das natürlich eine Rolle, er weiß ja was er kann und was in seiner Heimat los ist. Doch dann kam der Probesprung in Oberstdorf, der ging komplett in die Hose und dann wollte er eben auch plötzlich mehr machen. Aber das kannst du wie gesagt nicht erzwingen.

Ein Wort bitte noch zu Skisprung-Opa Noriaki Kasai. Schließlich bestreitet der 44-Jährige heute seinen unfassbaren 101. Tournee-Wettkampf.

Er ist ein Phänomen. Auch wenn er bislang keine einfache Saison hat. Aber gestern hat er in der Qualifikation gezeigt, was noch möglich ist, wenn er ein bisschen Aufwind hat. Der Sport lebt doch von Typen wie Nori. Einfach überragend, dass er noch dabei ist.

Blicken wir noch auf den Tournee-Abschluss: Wer holt sich den Gesamtsieg, wer gewinnt das Springen - und gibt's zum Abschluss doch noch ein deutsches Podium?

Oh, knifflige Frage. Aber ich glaube Daniel André Tande packt's, auch wenn er die Quali gestern ziemlich verbockt hat. Er gewinnt auch heute Abend. Sein Verfolger Kamil Stoch wird Zweiter und ja, Andreas Wellinger springt aufs Podest!

Mit Gerd Siegmund sprach Tobias Nordmann

Quelle: ntv.de

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