"Dafür wird man bestraft"Darts-Superstar Michael van Gerwen vernichtet sich selbst
Michael van Gerwen ist sauer - auf sich selbst. Der Niederländer scheidet bei der Darts-WM früh aus und geht hart mit sich selbst ins Gericht.
Die Darts-WM in London geht für den einstigen Dominator und dreifachen Weltmeister Michael van Gerwen mit einer gewaltigen Enttäuschung zu Ende: Der Niederländer, von 2014 bis 2021 ununterbrochen die Nummer 1 der Welt, scheidet in einem hochklassigen Duell gegen Gary Anderson schon im Achtelfinale aus. Und "MvG", einem der Lautsprecher der Szene, geht das 1:4 dermaßen gegen den Strich, dass er sich im Interview mit dem Sender "Viaplay" ordentlich selbst zerlegt.
"Ich habe es in wichtigen Momenten vergeigt. Das ärgert mich enorm. Das muss ich mir vorwerfen, niemand anderem. Ich habe sicherlich nicht schlechter als er gespielt, aber dafür war er in den entscheidenden Momenten sehr konzentriert – und ich äußerst schlampig. Dafür wird man hier bestraft." Während Anderson 38 Prozent der Doppel traf, versenkte van Gerwen in den entscheidenden Momenten nur 31 Prozent seiner Würfe. Sein höchstes Finish war mit 80 denkbar unspektakulär. Zu wenig, um "The Flying Scotsman" zu besiegen.
Anderson, selbst zweimaliger Weltmeister, entschied die ersten beiden Sätze schnell für sich - und van Gerwen war sofort im Hintertreffen. "Timing ist das Allerwichtigste. Vor allem in solchen Spielen. Man muss sofort dabei sein. Das habe ich heute zu sehr vernachlässigt. Scheiße, in dieser Position will man nicht sein."
Beide Sätze wurden im Decider entschieden, beide Male zeigte Anderson im entscheidenden Augenblick seine Topleistung - und van Gerwen nicht. Der Niederländer kämpfte sich zwar zurück ins Spiel und holte sich den dritten Satz, doch in der Folge nutzte Anderson die zahlreichen Fehler des dreimaligen Weltmeisters auf die Doppel aus. Im fünften Satz traf van Gerwen nur einen von zwölf Versuchen auf ein Doppel-Feld. Wenig später war ein überraschend einseitiges Match beendet, van Gerwen schlich sichtbar niedergeschlagen von der Bühne des "Ally Pally". Der Traum vom ersten WM-Triumph seit 2019 war wieder einmal geplatzt.
"Sie müssen mehr trainieren"
Kurz zuvor hatte van Gerwen, der je nach Turnierverlauf nach einem für ihn schwierigen Jahr, in dem er nach der Trennung von seiner Frau zu Jahresbeginn eine mehrwöchige Pause einlegte, sogar noch aus den Top 4 der Geldrangliste rutschen könnte, für Aufsehen vor allem in der deutschen Dartsszene gesorgt. Nach seinem Drittrundensieg über den deutschen Außenseiter Arno Merk (4:1) hatte sich "MvG" über die Deutschen gewundert: "Ein Land wie Deutschland sollte mehr Spitzenspieler haben", ist der Niederländer überzeugt. "Ich war überrascht, dass Niko Springer in der ersten Runde ausgeschieden ist. Vielleicht war er zu nervös. Martin Schindler hat zuletzt gut gespielt, dann bricht er aber plötzlich ein", zählt van Gerwen auf und fordert: "Sie müssen mehr trainieren und konstanter werden."
Dass medialer Druck die weitere Entwicklung von Darts-Deutschland an der Spitze hemmen würde, lässt den Superstar nur bitter lächeln: "Willkommen in meinem Leben", entgegnet der Weltmeister von 2014, 2017 und 2019 auf eine entsprechende Frage von ntv.de.
Schindler konnte in seiner Drittrundenpartie gegen Ryan Searle beim 0:4 zu keiner Sekunde an seine zuvor gezeigten Leistungen anknüpfen. Neben Merk und Schindler hatten auch die beiden anderen Deutschen Ricardo Pietreczko und Gabriel Clemens ihre Drittrundenpartien verloren. Nun reiht sich auch van Gerwen in die Riege der Enttäuschten ein.