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Wilde Gerüchte um "Ally Pally" Darts-WM in Saudi-Arabien? "Wer das glaubt, ist verrückt"

Absurder als die Verkleidungen im "Ally Pally" ist nur der Gedanke an eine Darts-WM in Saudi-Arabien.

Absurder als die Verkleidungen im "Ally Pally" ist nur der Gedanke an eine Darts-WM in Saudi-Arabien.

(Foto: picture alliance/dpa/PA Wire)

Die Darts-WM ist seit fast zwei Jahrzehnten untrennbar mit dem "Ally Pally" verbunden. Aber wie lange noch? Wilde Gerüchte um Saudi-Arabien als Austragungsort machen die Runde. Deutlich wahrscheinlicher ist aber eine andere Lösung.

Michael van Gerwen feiert mit 18 Jahren sein WM-Debüt, Luke Littler ist zehn Monate alt und John Part wird erster Champion im "Ally Pally". Die Darts-Weltmeisterschaft 2008 ist eine denkwürdige, aus mehreren Gründen. Vor allem, weil das Turnier vor 17 Jahren den Beginn einer Ära markiert. Das Pfeile-Spektakel verlässt nach dem Jahrhundert-Finale zwischen Raymond van Barneveld und Phil Taylor im Jahr 2007 die enge, rauchige, aber nicht mehr zeitgemäße Circus Tavern am Stadtrand von London. Die Profidarts-Organisation PDC wagt den Schritt in die West Hall des Alexandra Palace. 3200 Zuschauer passen hier rein. Ein Quantensprung für den Sport. Von nun an entstehen massenhaft die Bilder, für die Darts mittlerweile berühmt ist. Feiernde Fans, die allermeisten verkleidet, jubeln den Dartprofis zu.

So ist es auch an diesem Freitagabend, als Luke Littler im Alter von 17 Jahren zum mit Abstand jüngsten Weltmeister aller Zeiten wird. Hat das englische Darts-Wunderkind womöglich sogar aus einem weiteren Grund einen historischen WM-Titel eingefahren? Seit Monaten halten sich Gerüchte hartnäckig, wonach die PDC die Darts-Kultstätte im Londoner Norden verlassen könnte. Wird schon die nächste Darts-WM woanders ausgetragen?

Der Alexandra Palace ist in den vergangenen 17 Jahren dank der Darts-WM zur Kultstätte geworden. Und der Sport hat sich auch dank des ikonischen Austragungsortes auf dem prägnanten Hügel zu einem Phänomen entwickelt, das zumindest einmal im Jahr ein Massenpublikum erreicht.

Doch der Vertrag mit dem Alexandra Palace als Austragungsort der Darts-WM läuft aus. Wie es weitergeht, werde sich "wahrscheinlich innerhalb der ersten zwei Monate dieses Jahres entscheiden", kündigt Matt Porter, Geschäftsführer der Profidarts-Organisation PDC, im Interview mit ntv.de eine Entscheidung bis Ende Februar an.

WM-Tickets nach 15 Minuten ausverkauft

Der aktuelle Austragungsort - die West Hall des riesigen Alexandra Palace - ist längst an ihr Limit gekommen. Die Weltmeisterschaft beginnt jedes Jahr am 15. Dezember und endet am 3. Januar. An Weihnachten und Silvester finden keine Spiele statt. An 16 Turniertagen werden 28 Sessions ausgetragen. Insgesamt kann die PDC für ihr mit Abstand größtes Turnier des Jahres 90.000 Tickets verkaufen. Eine angesichts des Hypes um die WM nahezu lächerlich geringe Anzahl. Diesmal waren alle Eintrittskarten innerhalb von 15 Minuten ausverkauft. Durch die Euphorie um Überspieler Luke Littler ist davon auszugehen, dass der WM-Hype eher größer als kleiner wird. Das Ticket für den "Ally Pally" könnte bald endgültig zur blauen Mauritius für Darts-Fans werden.

Exklusivität hat ihren Reiz, aber die PDC könnte finanziell mehr herausholen. "Ich habe meine Leute in der Zentrale gefragt: 'Sagen Sie mir, wie viele Tickets hätte ich verkaufen können? Sie sagten: 'Irgendwo über 300.000", berichtete Barry Hearn, der Anfang des Jahrtausends die PDC aufgekauft und Darts zum Massensport gemacht hatte. In besagtem Interview mit dem englischen Radiosender "Talksport" brachte Hearn direkt eine Art Übergangslösung für das Ticketproblem mit. Die Teilnehmerzahl der WM werde von 96 auf 128 aufgestockt, um den Sport weiter "wachsen" zu lassen, kündigte der Sportpromoter an.

Offiziell bestätigt sind die Pläne noch nicht, doch nach Informationen von ntv.de werden diese bereits zur WM 2025/2026 umgesetzt. Damit würde die WM künftig 20 statt 16 Tage dauern. Vier zusätzliche Turniertage, acht Sessions mehr. So könnte die PDC etwa 25.000 zusätzliche Tickets verkaufen. Hört man sich im "Ally Pally" um, wird der Plan in PDC-Kreisen bestätigt. Bei der kommenden WM, die erneut im Dezember beginnt und im Januar endet, soll der neue Modus höchstwahrscheinlich bereits zum Einsatz kommen.

"Die Saudis waren begeistert"

Kein Wunder, schließlich gibt es nach Hearns Interview-Aussagen kaum noch Handlungsspielraum. Das Wort von Barry Hearn hat immer noch enormes Gewicht innerhalb der PDC. Zwar hat der 76-Jährige die operative Verantwortung in seinem Unternehmen längst aufgegeben, im Hintergrund zieht der begnadete Sportpromoter aber noch immer die Strippen. Er ist offiziell Präsident seiner Firma Matchroom Sport. Aber kein Präsident der Marke Grüßaugust. Zentrale Entscheidungen sind innerhalb der PDC ohne Hearns Zustimmung nach wie vor nicht durchsetzbar.

Deshalb schreckten Darts-Fans im Mai vorigen Jahres entgeistert auf, als der Grandseigneur der PDC plötzlich einen neuen Austragungsort für die WM brachte. Die Weltmeisterschaft könne künftig in Saudi-Arabien stattfinden. "Ich habe mit den Saudis gesprochen und sie waren sehr begeistert", sagte Hearn im Interview mit der englischen Zeitung "The Mirror".

Die Darts-WM in Saudi-Arabien? Unvorstellbar, zumindest noch. Schließlich ist Alkohol in dem Wüstenstaat streng verboten. "Das Wesen des Dartsports ist, dass es eine Party ist", weiß auch Hearn. Saudi-Arabien sei deshalb "derzeit noch nicht bereit, eine solche Weltmeisterschaft auszurichten, aber es wird nicht mehr lange dauern". Kurz vor Turnierstart trat Hearn allerdings auf die Bremse, als er von einem weiteren Treffen mit den Saudis berichtete: "Ich fragte: Können wir Alkohol ausschenken? Sie sagten nein. Ich sagte: Okay, dann könnt ihr Darts nicht haben".

Für den Moment ist das arabische Königreich in der Tat keine Option als Austragungsort der Darts-WM. Ernsthaft hat die PDC den Plan, die WM nach Saudi-Arabien umzusiedeln, nach ntv.de-Informationen auch bisher gar nicht verfolgt.

"Politik ist nicht unsere Sache"

Die Vehemenz, mit der Saudi-Arabien derzeit verschiedene Sportevents ins Land holt, ist aber auch der PDC nicht verborgen geblieben. "Sie haben die Fußball-WM, sie haben Golf, sie haben Schwergewichtsboxen. Saudi-Arabien hat ein Auge auf die größten Events der Welt geworfen, sie haben in den letzten Jahren viel investiert. Und die Darts-WM ist ein riesiges Event", sagt Porter voller Selbstvertrauen. "Vielleicht wird es eines Tages so groß sein, um in diesem Atemzug mitgenannt zu werden."

Klingt danach, als wäre die PDC grundsätzlich nicht abgeneigt, ihr wichtigstes Produkt für viel Geld in ein Land zu verkaufen, das mit Darts nichts zu tun hat und Sportswashing betreibt. "Politik ist nicht unsere Sache. Unser Geschäft ist es, Menschen zu unterhalten. Die Politik neigt nicht dazu, das zu tun. Sie neigt dazu, die Leute runterzuziehen", sagt Porter. Gleichwohl werde man "auf keinen Fall den Erfolg und die Popularität des Events aufs Spiel setzen, nur um etwas zusätzliches Geld zu verdienen", macht der PDC-CEO gegenüber ntv.de deutlich.

Das PDC-Prinzip sieht so aus: Barry Hearn bringt Saudi-Arabien öffentlich ins Spiel. Medien berichten darüber. Darts ist Gesprächsthema. Barry Hearn agiert kommunikativ als der "Bad Guy". Als derjenige, der Saudi-Arabien ins Spiel bringt und den Sport für viel Geld verkaufen will. Porter übernimmt in den Medien die Rolle des "Good Guy, agiert kommunikativ defensiver, dampft die Saudi-Gerüchte eher ein als sie weiter anzuheizen. "Ich arbeite seit 23 Jahren mit Barry zusammen. Nichts, was er jemals gesagt hat, kommt für mich überraschend. Sie müssen zwischen den Zeilen lesen", rät Porter etwas nebulös.

Im Darts-Saudi-Kontext wird zwischen den Zeilen sofort deutlich, dass Luke Littler, Michael van Gerwen & Co. auf absehbare Zeit sicher nicht in der Wüste um die WM Pfeile werfen werden. Vielmehr dürften die PDC-Bosse mit der Saudi-Agenda derzeit auch das Ziel verfolgen, die Verhandlungsposition im Feilschen um TV-Verträge zu verbessern. Gerade laufen die Verhandlungen für die neuen Fernsehverträge. Der im Darts-Mutterland Großbritannien übertragende Sender Sky Sports hat sicher kein Interesse daran, künftig eine Wüsten-Darts-WM ohne die gewohnte "Ally-Pally"-Atmosphäre zu übertragen. Dann werden im Zweifel eher einige Pfund mehr gezahlt, um die PDC zufriedenzustellen.

Wechsel in die größere Halle?

Gleichwohl hat die Debatte um einen neuen Austragungsort auch einen wahren Kern. Die PDC will unbedingt mehr Fans die Möglichkeit geben, eine WM-Session zu besuchen. Und in erster Linie will das Unternehmen seinen Gewinn erhöhen. Zwar sind die neuen TV-Verträge dafür der größere Hebel, doch ohne eine Erhöhung der Zuschauerkapazität lässt die PDC vergleichsweise einfach verdientes Geld liegen. Gleichzeitig wollen Hearn, Porter & Co. sicherstellen, dass auch in Zukunft jede Session ausverkauft ist.

Eine Möglichkeit könnte der Umzug in die etwa dreimal so große Great Hall im Alexandra Palace sein. Eine Kapazität von 10.000 Zuschauern scheint abseits der Finaltage aber wiederum überambitioniert zu sein. Lange Zeit argumentierte die PDC auch deshalb gegen die Great Hall, weil dort während der WM derzeit das sogenannte "Fan Village" mit allen Essständen, Getränketheken, Aktivitäten und Fanshop ihren Platz hat. Zieht die Darts-WM hier hin, müsste das "Fan Village" in die West Hall umziehen, die dafür eigentlich zu klein ist.

Die Lösung könnte aber so aussehen: Die Darts-WM zieht am Ende doch in die Great Hall, wird aber nicht den gesamten Bereich in Anspruch nehmen, sondern einen nur etwa 6000 Zuschauer fassenden Teil der Great Hall. So könnten die nicht genutzten Quadratmeter vom Darts-Arena-Bereich getrennt und anderweitig genutzt werden. Nach ntv.de-Informationen kommen derlei Gedankenspiele aber erst für die übernächste WM infrage.

"Völlig egal, wo die WM sattfindet"

Nach seinem gewonnenen Halbfinale wurde unterdessen auch Michael van Gerwen auf die vermeintlichen Gedankenspiele rund um eine WM-Verlegung nach Saudi-Arabien angesprochen. "Wer das glaubt, ist verrückt", brachte "MvG" die Absurdität des Gerüchts auf den Punkt. "Es ist eine gute Strategie. Jeder spricht darüber."

Dem Niederländer ist es ohnehin egal, wo er spielt. "Mir ist völlig egal, ob die WM in Saudi-Arabien, China, Melbourne, auf dem Mars oder auf dem Jupiter stattfindet. Ich werde da sein." Ein Reporter merkte an, dass es auf Mars oder Jupiter mit der Schwerkraft kompliziert werden könne. "Ja, vielleicht", entgegnete der dreifache Weltmeister.

Es sieht aber ohnehin so aus, als würden Michael van Gerwen & Co. zunächst weiterhin im "Ally Pally" um die Darts-Weltmeisterschaft spielen.

Quelle: ntv.de

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