Sport

Ex-DHB-Kapitän Baur im Interview "Die Jungs spielen richtig gut"

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Für den guten Zweck greift Markus Baur immer noch gern zum Ball.

(Foto: imago/Noah Wedel)

Markus Baur weiß, wie es ist, ein Halbfinale bei der Handball-Weltmeisterschaft im eigenen Land zu gewinnen. 2007 ist der Kapitän der Siegwerfer im Zitterspiel mit zwei Verlängerungen gegen Frankreich. Drei Tage darauf folgt der Titelgewinn. Dem Team von Trainer Christian Prokop traut er das nun ebenfalls zu. Im Interview mit n-tv.de erklärt Baur, dass sich neben der überragenden Abwehr auch das deutsche Angriffsspiel sehen lassen kann und dass die Fans wahnsinnig wichtig sind.

Noch vor zwei Wochen galt die deutsche Handball-Nationalmannschaft als potenzieller Sanierungsfall. Jetzt spielt sie ein WM-Halbfinale. Trifft auch Sie das unerwartet?

Markus Baur: Nein, so ist der Sport. Ich habe nicht erwartet, dass die Mannschaft nach acht Spielen noch immer ungeschlagen durch das Turnier marschiert. Aber ich habe schon erwartet, dass die Mannschaft so auftritt, wie sie hier auftritt. Ich wusste ja, dass eine WM im eigenen Lande etwas Besonderes ist. Insofern war mir schon klar, dass die Jungs sich zusammenraufen und Vollgas geben.

Die Kritik an der Nationalmannschaft fokussierte sich seit der misslungenen Europameisterschaft in Kroatien nahezu ausschließlich auf die Person des Trainers Christian Prokop. Ist das nachvollziehbar?

Das ist völlig normal. Wenn es im Sport mal nicht läuft, macht man den Trainer verantwortlich. Vor allem, wenn eine Mannschaft auf der Platte steht, die noch zwei Jahre zuvor den EM-Titel gewinnen konnte. Wenn dann Erwartungen, die von außen herangetragen werden, nicht erfüllt werden, kommt Kritik auf. Bei dieser WM aber lässt die DHB-Auswahl überhaupt keine Diskussionen aufkommen. Die Jungs spielen richtig gut und sind fokussiert auf die WM. Sie haben mit dem Erreichen des Halbfinales ihr selbst gesetztes Ziel erreicht. Das passt gerade alles. Und über die Qualität im Kader müssen wir nicht reden. Die ist vorhanden.

Registrieren Sie Veränderungen?

Ich glaube, dass Prokop in der Ansprache ein wenig gelassener geworden ist. Und er hat Vertrauen aufgebaut zu dem, was da auf der Platte steht.

Das Team von Christian Prokop trifft in Hamburg auf die Auswahl Norwegens. Wie realistisch ist ein Weiterkommen ins Finale?

Alle vier Mannschaften, die im Halbfinale stehen, haben Riesenqualitäten. Alle vier können das Ding gewinnen. Am Ende wird die Tagesform entscheiden.

Die Norweger sind erst seit wenigen Jahren in der Weltspitze zu finden. Was macht sie so stark?

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Baur warnt vor dem Norweger Sagosen.

(Foto: imago/Bildbyran)

Das ist ein sehr gut ausgebildetes Kollektiv. Fast alle Spieler gehören zu einer Generation, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Interessant ist der Vergleich zwischen ihrem Superstar Sander Sagosen und dem auch in der Liga bekannten Kreisläufer Bjarte Myrhol. Der eine ist gerade mal 23 Jahre alt, der andere 36. Myrhol könnte fast der Vater von Sagosen sein. Insgesamt hat der Verband mit seiner Nachwuchsarbeit schon vor Jahren eine sehr gute Basis gelegt. Und mit Sagosen haben sie etwas sehr Außergewöhnliches, was viele andere Mannschaften nicht haben. Sie haben zudem überragende Außenspieler und funktionieren im Kollektiv mit einer geballten Portion Kampfkraft und hohem Tempo. Die sind richtig stark.

Ist der Halbfinal-Gegner von 2019 stärker als der von 2016?

Ich denke, dass die norwegische Mannschaft stabiler ist als noch vor drei Jahren.

Die Stärken der deutschen Mannschaft sind mittlerweile allseits bekannt. Die Abwehr der DHB-Auswahl gilt als die beste der Welt.

Zumindest in diesem WM-Turnier. Das ist das Fundament, um bei einer WM überhaupt bestehen zu können. Wenn du nur im Angriff glänzt, reicht das allein nicht aus.

Auch das gebundene Spiel hat sich im Laufe des Turniers verbessert. Als Spielmacher der Weltmeistermannschaft von 2007 können Sie das sicher einordnen.

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2007 war Baur Kapitän der Wintermärchen-Mannschaft.

(Foto: imago/Sven Simon)

Das haben Sie gut erkannt. Das ist wirklich besser geworden. Auch, weil mit der Nachnominierung von Tim Suton für den so schwer verletzten Martin Strobel noch einmal eine weitere Alternative hinzugekommen ist. Gegen Spanien haben wir endlich auch mal viele Tore aus dem Rückraum gesehen. Sonst haben wir uns da immer einen abgewürgt und nur 22 bis 24 Tore geworfen. Am Mittwoch haben wir endlich mal wieder die 30 geknackt. Es war aber auch ein ganz anderes Tempo drin als im Spiel zuvor. Die Kroaten haben das Spiel sehr langsam gemacht und wenige Angriffe gespielt. Das war gegen Spanien anders.

Sie selbst hatten am Mittwoch in Köln Ihren großen Tag, als der Mannschaft von 2007 ein besonderer Empfang geboten wurde.

Das war sehr kurzfristig. Der DHB hatte uns zwei Tage zuvor eingeladen. War 'ne schöne Sache.

Waren alle da?

Leider nicht. Mimi Kraus und Jogi Bitter waren schon im Trainingslager. Auch Toto Jansen und Heiner Brand waren nicht da. Aber das hat ja schon ganz gut ausgesehen.

Geradezu episch war damals Ihr Halbfinale 2007 gegen Frankreich, das die Mannschaft in der Verlängerung gewinnen konnte. War das Ihr wichtigstes Match in Ihrer Karriere?

Nein, es gab da viele interessante und sehr emotionale Spiele in meiner Zeit. Ich denke, das olympische Viertelfinale von 2004 gegen Spanien, das wir im Siebenmeterwerfen gewinnen konnten, war noch größer. Aber das Match gegen Frankreich war sicher eines der heißesten Duelle, die für lange Zeit im kollektiven Handball-Gedächtnis bleiben. Bis das nächste Highlight folgt. Vielleicht schon heute Abend.

Sie haben damals einen Handball-Boom in Deutschland losgetreten. Kann das dieser Mannschaft auch gelingen?

Mit Sicherheit. Der Erfolg der Nationalmannschaft sorgt immer für Euphorie. Das hat man schon in der Halle gesehen, dass viele Kids da waren, die richtig Spaß an dieser Truppe hatten. Gut, die meisten werden wohl schon aktiv spielen, aber es werden sicher auch viele dabei gewesen sein, die jetzt Handball ausprobieren werden. Da sind nun Trainer, vereine und Schulen gefragt, ob sie das alles hinbekommen werden.

Wäre der Verband auf einen WM-Titel vorbereitet, um Nachhaltigkeit zu garantieren?

Keine Ahnung, da habe ich mir keinen Kopf gemacht. Das ist aber auch nicht meine Baustelle. Ich habe mich aber auch schon damals nicht so sehr mit der Sache beschäftigt, um zu wissen, was da falsch gelaufen ist. In jedem Fall aber wäre ein WM-Titel eine Riesenchance für die Sportart hierzulande.

Nennen Sie doch mal drei Gründe, warum Deutschland Weltmeister wird.

Der erste ist sicher, dass wir die beste Abwehr dieser WM hinstellen, der zweite Grund, das sind die Wahnsinnsfans. Und der dritte ist der Teamgeist dieser Mannschaft.

Mit Markus Baur sprach Arnulf Beckmann

Quelle: ntv.de

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