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Pistons mobben, schocken, siegenDie hässlichen "Bad Boys" prügeln die NBA windelweich

14.12.2025, 06:55 Uhr
imageVon Seb Dumitru
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Die Detroit Pistons um Duncan Robinson finden derzeit viele gute Lösungen. (Foto: AP)

Sie waren der schlechteste Klub der Liga, kassierten die meisten Pleiten in Folge. Nur zwei Jahre später stehen die ruppigen Detroit Pistons an der Spitze der Conference – und haben dank ihrer Reminiszenz an die ikonischsten Teams der Franchise-Historie Titelhoffnungen geweckt.

Es sind keine News aus dem Archiv: Die Detroit Pistons bleiben unangefochtener Spitzenreiter in der Eastern Conference. Sie gewannen dank des mühelosen 142:115 gegen die Atlanta Hawks ihr fünftes Spiel aus den vergangenen sechs Partien – und das 20. von insgesamt 25 in der neuen Saison. Dabei stellten die Pistons einen ewigen NBA-Rekord ein: Zwölf Akteure kamen auf sieben Zähler oder mehr. Die Vibes könnten nicht besser sein in "Motown": Seit dem 1. Januar 2025 haben die Pistons 50 ihrer 75 Partien gewonnen. Nur zwei Klubs (Oklahoma City und Boston) weisen seit Jahresbeginn eine bessere Bilanz auf als Detroit.

Was vor zwei Jahren 62 Spiele dauerte, gelang in dieser Saison bereits nach drei Wochen: der zehnte Saisonsieg. Fast einen Monat lang, zwischen dem 29. Oktober und dem 26. November, blieb dieses Team ungeschlagen. 13 Siege in Folge egalisierten den Franchise-Rekord aus der Saison 1989-90. Star-Guard Cade Cunningham wurde zum Eastern Conference Player des Monats November, J.B. Bickerstaff zum Coach des Monats im Osten ernannt. Cunningham ist der erste Pistons-Spieler seit Chauncey Billups im Februar 2007, der diese Auszeichnung erhielt. Bickerstaff, der das Kunststück bereits im Februar schaffte, ist der erste Pistons-Coach seit Flip Saunders im Februar 2008, dem diese Ehre zuteil wurde.

"Sie lieben es, wenn es hässlich wird"

Besser als die jüngsten Erfolge ist angesichts der Franchise-DNA nur die Art und Weise, wie sie zustande kommen: Dieses Team spielt mit einer physischen Intensität, die in der heutigen NBA ihresgleichen sucht. Sie mobben, schlagen, siegen. Vergangene Saison führten sie die Liga bei den Technischen Fouls an. Auch in dieser Saison ist mit diesen Pistons nicht gut Kirschen essen: Kein Team begeht mehr Fouls, kein Team fälscht häufiger den Ball ab, kein Team punktet häufiger in der Zone, kein Team holt mehr "Stocks" (Steals und Blocks). Detroit ist Zweiter bei den Rebounds, bei den Freiwürfen pro Spiel, bei den gezogenen Freiwürfen pro Spiel und der erlaubten gegnerischen Trefferquote in Korbnähe – allesamt Indikatoren für eine permanent ruppige, überaggressive Art und maximalen Einsatz in jeder Phase des Spiels. "Meine Jungs haben eine Garstigkeit an sich. Das macht Spaß", sagt Bickerstaff. "Sie lieben es, wenn es hässlich wird, blühen dann erst richtig auf. Wir wollen den Gegner testen und sehen, woraus er gemacht ist."

Die Pistons sind eine der ikonischsten Franchises in der National Basketball Association. Nur sechs Klubs (Boston Celtics, L.A. Lakers, Philadelphia 76ers, New York Knicks, Golden State Warriors, Atlanta Hawks) haben in der ewigen Tabelle mehr Siege eingefahren, nur fünf (Celtics, Lakers, Warriors, Chicago Bulls, San Antonio Spurs) mehr Meisterschaften gewonnen.

In den 1980er- und frühen 1990er-Jahren machten sich die "Bad Boys"-Pistons aufgrund ihrer überharten, bisweilen unfairen Spielweise einen berüchtigten Namen. Sie waren Mobber, verhasst, gefürchtet. Der Erfolg gab ihnen aber recht. Zwischen 1984 und 1992 erreichte der Klub aus Michigan dank Legenden wie Isiah Thomas, Joe Dumars, Dennis Rodman, Bill Laimbeer und Rick Mahorn neunmal in Folge die Playoffs und dreimal in Folge die NBA Finals. Zwei Titel „back-to-back“, 1989 gegen die Lakers und 1990 gegen die Portland Trail Blazers, legitimierten die Bad-Boys-Dynastie.

Nach einer Schwächephase gegen Ende des Millenniums kehrten mit Beginn der 2000er-Jahre Konstanz und Dominanz zurück nach "Motor City". Dank kultigen Spielern wie Ben Wallace, Billups, Richard "Rip" Hamilton, Rasheed Wallace und Tayshaun Prince etablierte sich das Team einmal mehr als Nonplusultra in der Liga. Sechs Jahre in Folge, zwischen 2003 und 2008, erreichte Detroit immer mindestens die Conference Finals im Osten. 2004 gelang gegen das Superteam der Lakers der erneute Titelgewinn – der insgesamt dritte der Franchise-Historie.

Auferstanden von den Toten

Danach ging es ganz steil bergab. 16 lange Jahre stümperte der einst so stolze Klub durch die Association, verlor 14 Mal mehr als die Hälfte seiner Partien in einer Saison und fand immer neue, haarsträubende Wege, als Galgenvogel zu enden. Vor zwei Jahren stellten die Pistons einen ewigen NBA-Negativrekord auf, als sie 28 Partien am Stück verloren. "Nie im Leben sind wir so schlecht", sagte ein junger Cunningham damals, kopfschüttelnd. Teambesitzer Tom Gores nahm die Verantwortung auf seine Kappe, entließ Cheftrainer Monty Williams nach nur einer Saison und General Manager Troy Weaver nach vier.

Mit Trajan Langdon als neuem Präsidenten und Bickerstaff als neuem Head Coach gelang auf Anhieb der Umschwung: Detroit schaffte 2024-25 nicht nur seine erste bilanzpositive Saison in zehn Jahren, sondern verdreifachte die Anzahl seiner Siege. Das war bis dato nur einem anderen Team jemals gelungen. Die Pistons gewannen zum zweiten Mal seit 2008 wieder mehr als die Hälfte ihrer Partien – und holten zum ersten Mal seit 17 Jahren wieder einen Playoff-Sieg. Zwar war gegen New York bereits in der ersten Runde Schluss. Sechs tapfere und hart umkämpfte Partien gegen die Knicks brachten den jungen Pistons aber gehörigen Respekt ein – und legten den Grundstein für eine noch krasseren Leistungssprung in dieser neuen Saison.

Es waren diese harten Zeiten, die den Wiederaufstieg umso entzückender gemacht haben. Wie die Heimatstadt Detroit, die selbst nach all ihren massiven Problemen inklusive Totalbankrott vor knapp zehn Jahren eine glorreiche Wiederauferstehung feiert, haben auch die Pistons dem Tod ein Schnippchen geschlagen. „Sie haben endlich den Weg zurück zur Pistons Bad Boy Kultur wiedergefunden. Sie haben ihre Identität entdeckt. Das hier ist Detroits DNA, genau das will diese Stadt sehen“, sagt Pistons-Legende und NBA TV Analyst Isiah Thomas. Als seine Truppen die Liga regierten, widerspiegelten sie die Mentalität der Malocher-Stadt am "Great Lake State" – kantig, kompromisslos, furchtlos. Dieselbe Kultur verkörpern auch die neue Protagonisten im weiss-blauen Trikot.

Neue Ära, selbe Malocher-DNA

Wie die originalen Bad Boys wurde auch diese Pistons-Edition vor allem durch eigene Draft-Picks zusammengestellt. Der Fixstern ist Cunningham, ein geschmeidiger, butterweicher Point Guard, den Detroit 2021 an Nummer eins selektierte. Mit erst 24 Jahren agiert der Spielmacher weit über seinem Erfahrungs-Level in der Liga. Vielleicht ist es kein Wunder, dass sich der All-Star heuer in die MVP-Konversation gehievt hat. Nur wenige Youngster haben in ihren ersten vier Jahren mehr erlebt, von verheerenden Verletzungen bis zur Demütigung der längsten Pleitenserie aller Zeiten. Cunningham blieb sich immer treu, blieb die Sorte stiller Anführer, der professionell seinen Job erledigt und immer volle Verantwortung übernimmt. Heute gehört er mit 26,9 Punkten und 9,1 Assists im Schnitt zu den besten Spielern weit und breit, ist für seine Bierruhe und Abgezocktheit in heiklen Momenten berüchtigt.

Sein kongenialer Partner ist sein guter Freund Jalen Duren, mit dem Cunningham im Sommer trainiert und seine Freizeit verbringt. Der muskulöse Modellathlet dominiert trotz seiner erst 22 Jahren mit unbändiger Energie und Explosivität an den Brettern – und als Cunninghams präferierte Anspielstation aus dem Blocken-und-Abrollen. Duren (18,6 Punkte und 11,3 Rebounds im Schnitt) ist einer von nur zwei Spielern ligaweit, die mindestens 18 Punkte, zehn Rebounds und einen Block pro Partie schaffen. Sein Aufstieg zum All-Star scheint vorprogrammiert, seine rasante Entwicklung als multidimensionale Offensivoption hat Detroits Bahnkurve steil nach oben korrigiert.

Neben Duren regiert Isaiah Stewart (24) in der Zone. Der Raufbold gilt als einer der ruppigsten Akteure in der NBA – und als einer ihrer besten Verteidiger. Gegner fürchten seine Aggressivität an den Brettern, Detroit stellt vor allem dank „Beef Stew“ die beste Defensive im Osten und drittbeste ligaweit. Opponenten verzweifeln in Korbnähe. Stehen Duren und Stewart, deren Umkleideschränke direkt nebeneinander liegen, gemeinsam auf dem Parkett, avancieren die Pistons zu einer kaum überwindlichen Abwehrmauer.

Ein Oktett von U-25-Talenten

Zumal vor ihnen ein weiterer Ausnahmekönner sein Handwerk pflegt: Ausar Thompson ist eine Pest, fliegt übers Parkett und verbreitet im Halbfeld Angst und Schrecken. Dass der 22-jährige Balldieb dabei erst in seinem dritten NBA-Jahr ist und zunehmend auch offensiv sein immenses Potenzial anzapft, ist beklemmend für den Rest der Liga. Der begnadete Scorer und Offensivmotor Jaden Ivey (23) ist nach langer Verletzungspause ebenso wieder mit von der Partie wie der Jüngste im Kader, Ron Holland (20). Sophomore Dannis Jenkins (24) und Rookie-Shooter Chaz Lanier (23) vervollständigen das Oktett von U-25-Talenten, die den Kern der neuen Pistons bilden. Veteranen wie Tobias Harris, Duncan Robinson und Caris LeVert komplettieren den derzeitigen Kader des Ost-Primus, der die Conference vor New York und Boston anführt.

Zwar warten die echten Härtetests noch – ein ermüdender Westküstentrip vor der Jahreswende sowie ein brutaler Spielplan Ende Februar. Außerdem müssen die Pistons ihre Wurfschwäche, vor allem aus der Distanz, in den Griff bekommen, und dann in den Playoffs bestätigen, dass sie bereit sind für den nächsten großen Schritt. Aber sie haben Zeit, stehen erst am Anfang. Die Synergie, die zwischen diesem jungen Team und der Stadt, die es repräsentiert, entstanden ist, scheint mehr als legitim zu sein. Der Weg ist noch weit und beschwerlich, um wie ihre berühmten Vorgänger eines Tages echten Legenden-Status zu erringen. Die beste Story dieser Saison sind die neuen Bad Boys aber schon jetzt.

Quelle: ntv.de

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