
Serena Williams hat ihr Herz immer auf dem Platz gelassen.
(Foto: dpa)
Der Abschied ist gekommen: Serena Williams verlässt die Tennis-Bühne. In einem letzten spannenden Match wehrt sie noch fünf Matchbälle ab, ehe ihr Karriereende besiegelt ist. Die 40-Jährige hat in einer unfassbar langen und gigantischen Karriere ihren Sport verändert.
Es war der 2. September 2022 um 22.22 Uhr, als eine unfassbare Sport-Karriere zu Ende ging. Serena Williams verlor in diesem Moment ihr letztes Einzel bei einem Grand-Slam-Turnier. Ihr Vorhandschlag blieb im Netz hängen, die Australierin Ajla Tomljanovic gewann in diesem Moment das Duell bei den US Open 5:7, 7:6, 1:6. Fünf Matchbälle hatte Williams zuvor abgewehrt, doch dann war der Moment des Abschieds gekommen.
24.000 Fans im Arthur-Ashe-Stadium von New York erhoben sich, applaudierten und feierten weniger den Achtelfinal-Einzug von Tomljanovic als vielmehr die lange, gigantische Karriere von Williams. Drei Stunden lang hatte sich die 40-Jährige auch in der dritten Runde dagegen gewehrt, nachdem sie zuvor überraschend den Auftakt gegen Danka Kovinic sowie die zweite Runde gegen Anett Kontaveit überstanden hatte. Doch nun war Schluss - und Williams weinte.
"Das sind Freudentränen", erklärte sie, als sie ihrer Familie huldigte. "Danke Papa, danke Mama", sagte die Tennis-Queen - die auch ihre Tochter Olympia sowie ihren Mann Alexis Ohanian einbezog - und betonte mit brechender Stimme: "Ich wäre nicht Serena, wenn es nicht Venus gäbe." Mit ihrer nur gut ein Jahr älteren Schwester war sie bei den US Open auch noch einmal im Doppel angetreten. Das Duo, das eine Wildcard erhalten hatte, scheiterte aber bereits im Auftaktmatch an den Tschechinnen Linda Noskova und Lucie Hradecka.
Mutter sein, Zeit für Neues haben
Die Tennis-Karriere endet, auch wenn sie dies nicht explizit aussprach. So wie vorher auch nie, selbst nicht, als sie in der "Vogue" Anfang August ihren Abschied bekannt machte. Da sprach sie von einer "Evolution", einer Entwicklung weg vom Tennis - deutlich genug war es dennoch. Doch so ganz wahrhaben kann sie es offenbar selbst noch nicht, dass es das gewesen sein soll. "Ich glaube nicht. Aber man weiß ja nie. Ich weiß es nicht", sagte sie über einen möglichen Rücktritt vom Rücktritt. Und: "Aber ich habe Australien immer geliebt." Dort finden im kommenden Januar wieder die Australian Open statt.
Doch es ist unwahrscheinlich, sie hat neue Pläne, auch wenn sie noch nicht so richtig weiß, was alles folgen wird. Sie werde "eine Mutter" sein, Zeit haben für ihre Tochter, sie möchte ein zweites Kind bekommen. Williams will sich ausprobieren, ihren Aufgaben als Geschäftsfrau nachgehen und auch testen, wie es ist, "nicht jeden Tag ins Gym" zu gehen.
"Leidenschaft ein wirklich passendes Wort"
1995 trat Williams erstmals bei einem Profiturnier auf, da war sie gerade einmal 14 Jahre alt. "The Athletic" machte die fast unglaubliche Tatsache öffentlich, dass Williams Spielerinnen besiegte, die in jedem Jahr zwischen 1966 und 2001 geboren wurden, dazu noch Lisa Pigato, die Jahrgang 2003 ist. Von Larisa Neiland über Steffi Graf, Monica Seles und Jennifer Capriati bis zu Kim Clijsters, Maria Sharapova, Simona Halep, Naomi Osaka und viele mehr. 23 Grand-Slam-Titel hat sie gewonnen, nur an dem einen, dem entscheidenden, der sie von Rekordsiegerin Margaret Court trennt, arbeitete sie vergeblich. So viel Preisgeld - 94,5 Millionen Dollar - hatte noch keine vor ihr verdient. "Ich glaube, dass ich dem Tennis wirklich etwas gegeben habe", sagte Williams nun auf dem Platz. Und: "Ich denke, dass Leidenschaft ein wirklich passendes Wort ist."
Spektakuläres Tennis, voller Kraft und Intensität, Vorhand wie Rückhand unfassbar stark, sie dominierte ihre Gegnerinnen zeitweise nach Belieben. Wenn mal nicht spielerisch, dann aber doch mental. Ihre Outfits waren ebenso immer voller Spannung erwartet, sie ist eine Mode-Ikone, die Bekanntgabe ihres Karriereendes ausgerechnet im Modemagazin "Vogue" passt zu ihr. Bei ihrem letzten Turnier trug sie Schwarz mit Glitzer, dezent für ihren Geschmack. 2002 und 2018 spielte sie Turniere im Ganzkörperanzug, auch Jeansrock und Stiefel kamen schon zum Einsatz, genauso wie Leoparden-Muster. Das Elitäre, das Dezente, es war nicht ihre Sache.
Sie wirbelte den elitären Mief auf
Sie hat das Tennis geprägt und verändert. Als sie Mitte der 90er-Jahre begann, war der Sport einer für die Weißen. Nicht nur die weiße Kleidung, auch der elitäre Zirkel aus Aktiven und Fans war weiß. Doch dank ihr und ihrer Schwester veränderte sich das Publikum, Schwarze, Latinos und Asiaten kamen auf die Tribüne. "Danke, dass Du den Sport für schwarze Athleten, für Athletinnen und jeden Sportler in eine neue Dimension gebracht hast", würdigte etwa Turn-Star Simone Biles zum Karriereende. Die Williams-Schwestern wurden Vorbilder, die die Massen begeisterten.
Ihre Leidenschaft endete nicht auf dem Platz. Ihre Nachfolgerinnen schauen zu Serena Williams auf, die den Jüngeren stets Mut gemacht hat, ihren Weg zu gehen. "Danke, Serena. Deinetwegen glaube ich an diesen Traum", sagte Coco Gauff nun. "Die Wirkung, die Du auf mich hast, geht weit über alle Worte hinaus, die zusammengesetzt werden können. Und dafür sage ich danke, danke, danke, GOAT!"
"Ich liebe Dich, kleine Schwester!"
Williams' Wirken geht weit über das Tennis hinaus, viele andere Sport-Größen wie Tiger Woods und LeBron James gratulierten nach ihrem letzten Spiel. "Du bist buchstäblich die Größte auf und neben dem Platz", so der Golf-Profi. "Danke, dass Du uns alle dazu inspiriert hast, unseren Träumen zu folgen. Ich liebe Dich, kleine Schwester!" Und der Basketball-Star schrieb: "Herzlichen Glückwunsch, Du hattest eine unglaubliche Karriere. Was Du für den Sport und für Frauen getan hast, ist beispiellos. Es war mir eine Ehre, Deine Reise zu beobachten und mitzubekommen, wie Du alle Ziele, die Du Dir gesetzt hast, erreicht hast. Sieg, Niederlage oder Unentschieden: Wir wussten, dass Du die Größte bist."
Moderatorin Oprah Winfrey sagte: "25 Jahre. Shero. Eine Legende für immer." Und Michelle Obama dankte ihr: "Herzlichen Glückwunsch zu einer großartigen Karriere. Wir hatten das Glück mitzubekommen, wie ein junges Mädchen aus Compton zu einer der größten Sportlerinnen aller Zeiten herangewachsen ist. Ich bin stolz auf Dich, meine Freundin, und ich kann es kaum erwarten zu sehen, wie Du mit Deinen Talenten weiter Leben verändern wirst."
Neue Aufgaben warten. Ihre Geschäfte laufen, wie etwa das Investment in den Fußballklub Angel City FC, der nicht weniger soll als die Strukturen im Fußball der Frauen zu revolutionieren. Erst einmal aber trat Serena Williams ab von der großen Bühne. Aus den Lautsprechern erklang Tina Turners Hit: "Simply the Best".
Quelle: ntv.de