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Rhein Fire haut die Vikings um Traumreise endet als Katastrophe in Gelsenkirchen

Strahlende Champions: Die Männer von Rhein Fire.

Strahlende Champions: Die Männer von Rhein Fire.

(Foto: IMAGO/Eibner)

Rhein Fire ist erneut Champion der European League of Football und holt seit der Ligagründung vor vier Jahren als erstes Team zwei Titel. Im Endspiel vor der Rekordkulisse von 41.364 Zuschauern in Gelsenkirchen setzen sich die Düsseldorfer gegen die Vienna Vikings klar durch.

Die Stadt Gelsenkirchen hat in diesem Sommer viel erlebt. Der Ruf der alten Industriemetropole changierte zwischen verspottetem "Shithole" und schillerndem "Swiftkirchen". Wütende England-Fans nahmen erst die architektonische Schönheit auseinander und dann den ÖPNV. Wenige Wochen später legte die Pop-Titanin ein wenig von ihrem Glanz auf das triste Grau der Stadt. Die Fußball-EM war zu Gast und Taylor Swift. Gelsenkirchen war plötzlich mittendrin in den Schlagzeilen, ein Hotspot. Und klar, dann ist da auch noch der FC Schalke 04, der stets für Schlagzeilen gut ist. An diesem Wochenende erst blamierte sich die Mannschaft gegen Darmstadt 98, verspielte eine 3:0-Führung und ging noch mit 3:5 unter. Am Tag danach flogen Trainer Karel Geraerts und Sportdirektor Marc Wilmots. All das verdichtete sich auf einen Ort in Gelsenkirchen: Auf die Arena in Erle.

Die Vikings wurden schwer geschlagen.

Die Vikings wurden schwer geschlagen.

(Foto: IMAGO/Eibner)

Mehr geht nicht? Und doch. An diesem Sonntag wurde es abermals historisch und schmerzhaft. Die European League of Football war zu Gast und trug in Gelsenkirchen ihr Endspiel aus. Rhein Fire aus Düsseldorf und die Vienna Vikings standen sich gegenüber. Die beiden Schwergewichte im europäischen Football. Rhein Fire, der Titelverteidiger, war mit nur einer Saisonniederlage in dieses Finale geflogen. Den Vikings, Champion von 2022, war sogar die perfekte Reise gelungen. Sie hatten jeden Gegner aus dem Weg geräumt. Mehr Showdown geht nicht.

Doch wer nicht wusste, was sich an diesem Sonntag in der Arena abspielt, schließlich hatte Schalke doch schon gespielt, der war erstmal ratlos. So wie eine Rentergang mit ihren E-Bikes, die in langer Kolonne im Schatten des Stadions entlang bretterte. Flankiert von heftig wummernden Beats der Power Party, die eher ein Techno-Festival nahelegten, als ein sportliches Finale. Und dann waren da die vielen bunten Jerseys. "Wat machen die hier?", fragte einer aus der E-Bike-Gang. Normalerweise sind die Dinge an diesem Ort ja klar. Da treffen sich die Menschen in überwiegend blauen Trikots, Schalker also, und deren Gegner. Auch die sind in der Regel anhand ihrer Kleidung klar zu identifizieren. Aber beim Finale der ELF war das anders. Denn dieses Finale war nicht nur das Duell zwischen Fire und Vikings, sondern ein Fest für Football-Fans in Deutschland.

Im Schatten des NFL-Hypes wachsen

Die NFL, die größte und spektakulärste Liga der Welt (jede Woche live bei RTL und RTL+), erlebt seit ein paar Jahren einen gigantischen Hype. War es früher lediglich der Super Bowl, der hierzulande größeres Interesse befördert, ist mittlerweile auch die Saison zu einem Gesprächsthema weit über die Nische hinaus geworden. Patrick Esume, RTL-Experte und Commissioner, also Liga-Chef, der ELF sagte vor wenigen Wochen: "Es gab in der Bundesrepublik nach Fußball noch nie so eine Cinderella-Geschichte wie den Football in der Sportlandschaft."

Stargast und Schalke-Legende Gerald Asamoah hatte reichlich Spaß.

Stargast und Schalke-Legende Gerald Asamoah hatte reichlich Spaß.

(Foto: IMAGO/Hartenfelser)

Von diesem Hype will er, will die vor vier Jahren an den Start gegangene ELF profitieren. Ein bisschen Tailgaiting hier, ein bisschen Power Party da. Ein feuriger Einlauf der Mannschaften, Pyro und Feuerfontänen inklusive. Gelsenkirchen, die Fußballstadt, wurde ein ganz kleines bisschen vom Football erobert. Es wird mit der ELF. 41.364 Menschen waren am Sonntag in der Arena, um das Endspiel zu sehen. Sport, der noch nicht auf dem Niveau der NFL ist, sich aber immer mehr annähert. "Coach" Esume beschrieb das zuletzt so: "Das sieht schon teilweise sehr danach aus, nur halt in langsamer." Das Finale nun konnte den Coach zumindest in Teilen widerlegen. Die Vikings starteten furios und lagen blitzschnell mit 6:0 vorne. Quarterback Ben Holmes hatte in jedem Angriff eine gute Idee und fand am Ende Reece Jones. Den Extrapunkt ließen die Vikings liegen.

Fire antwortete, allerdings noch mit reichlich Mühe. Über mehrere Minuten ackerten sich Jadrian Clark und seine Männer Richtung Endzone. Das Spiel war wahnsinnig hektisch. Bei nahezu jeder Aktion flog eine Flagge aufs Feld, bedeutet: Es hagelte Strafen ohne Ende. Der Videobeweis wurde bemüht. Einmal schaute sich Malte Scholz, der Hauptschiedsrichter, einen Fumble minutenlang an. Das war zäh, nahm dem Spiel jede Dynamik. Das sah plötzlich nach einem Abend füllenden Programm aus. Der Stadionsprecher bemühte sich, die gute Laune hochzuhalten, der DJ haute einen absurd wilden Mix der Stile raus. Da gab es eine völlig überdrehte Techno-Version von Purs "Abenteuerland" und Oomph! rief den Menschen zu: "Augen auf, ich komme". Lange nicht gehört so was.

Pajarinen wird zur tragischen Figur

Die NFL live bei RTL am 29. September

19 Uhr: NFL Minnesota Vikings at Green Bay Packers live auf RTL+
19 Uhr: NFL Philadelphia Eagles at Tampa Bay Buccaneers live bei RTL
22:25 Uhr: Kansas City Chiefs at Los Angeles Chargers live bei RTL

Rhein Fire ließ sich davon nicht beeindrucken. Clark fand Saison-MVP Glen Toonga und der besorgte den ersten Touchdown. Vom Band knallte Scooters Legenden-Song "Fire" los. Nicht zum letzten Mal an diesem Nachmittag, der plötzlich so wahnsinnig einseitig verlief. Rhein war on fire und die Vikings völlig neben der Spur. Zur tragischen Figur wurde der Finne Karri Pajarinen. Der Runningback ist eine der bevorzugten Aus- und Anspiel-Optionen von Zulieferer Holmes im Angriffsspiel. Und er zeigte auch, warum das eigentlich so ist. Der Finne nahm einen Pass auf und setzte zu einem überragenden Lauf an, doch am Ende haute ihm Flamur Simon das Ei aus der Hand. Fire war in Ballbesitz und flog davon.

Im nächsten Drive der Vikings verlor Pajarinen wieder das Spielgerät, Omari Williams köpfte es beim Tackling aus der Hand des Finnen. Der musste danach erstmal von seinen Teamkollegen getröstet werden und mit ansehen, wie die Mannschaft aus Düsseldorf das zweite Viertel mit 23:7 gewann. Als Tritt in den Hintern bekamen die Vikings noch den letzten Drive von Rhein Fire mit in die Kabine. Clark warf einen sensationellen Pass über 44 Yards auf den herausragenden und nie zu stoppenden Wide Receiver Kelvin McKnight. Die Vikings erholten sich davon nicht mehr. Es wurde sogar noch schlimmer. Quarterback Holmes, der beste der Saison, fand fast gar keine Anspielstationen mehr, mehrfach wurde er von Fires Hünen umgeworfen. Der NFL erprobte Coach Jim Tomsula, ein Defensiv-Gigant, hatte Fire den perfekten Plan mit an die Hand gegeben und bedankte sich später auf einer emotionalen Ehrenrunde bei nahezu jedem einzelnen, der im Stadion war. Die Rhein-Fire-Fans Fans hatten allerbeste Laune und waren auch klar in der Überzahl, was freilich auch an der geografischen Nähe lag.

Balsam nach einer schwierigen Saison

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Die ELF bekam ein großes, stimmungsvolles, wenn auch nicht spannendes Finale zum Ende einer schwierigen Saison geschenkt. Auf dem Weg, den Sport in Europa zu professionalisieren, ruckelt und zuckelt es gewaltig. Der Zuschauerschnitt mancher Franchises war unbefriedigend und dennoch setzt die Liga weiter auf Expanison. Am Rande des Championship Games wurde bekannt, dass mit Nordic Storm in der kommenden Saison ein weiteres Team dazustößt. Im Kreis der Liga bleiben auch die Barcelona Dragons, das größte Sorgenkind der Elf. Das Team aus der katalanischen Metropole hatte während der Saison das Hinspiel gegen die Munich Ravens beim Stand von 0:54 nicht mehr fortgesetzt und das Rückspiel 0:90 verloren. "Das enttäuscht uns", sagte Esume.

Von dieser Enttäuschung war am Sonntag dann nichts mehr zu spüren. 20.000 Fans bei der Power Party, dazu Party-Gast Andre Schnurra, der während der Fußball-EM zur Saxophon-Sensation geworden war, und eben die absolute Rekordkulisse auf Schalke. Esume sagte: "Wenn man das hier sieht, weiß man, wofür man das macht." Die Stadt Gelsenkirchen ist nicht mehr Shithole, nicht mehr Swiftkirchen, sondern Football-Town. Was für ein Sommer.

Quelle: ntv.de

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