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Brähmer und Zeuge im Interview "Erwarte einen unfairen, unsauberen Kampf"

Der Weltmeister und sein Trainer: Tyron Zeuge (l.) und Jürgen Brähmer peilen gegen Isaac Ekpo die Titelverteidigung an.

Der Weltmeister und sein Trainer: Tyron Zeuge (l.) und Jürgen Brähmer peilen gegen Isaac Ekpo die Titelverteidigung an.

(Foto: imago/Christian Schroedter)

Sie sind das erfolgreichste Duo im deutschen Boxsport. Tyron Zeuge ist derzeit der einzige Weltmeister und verteidigt seinen Titel gegen den Nigerianer Isaac Ekpo (ab 22.30 Uhr, Sport1). Sein Trainer Jürgen Brähmer ist selber noch aktiv und war bereits zwei Mal Weltmeister. Im n-tv.de Interview sprechen Trainer und Schützling nicht nur über den bevorstehenden Kampf, sondern auch über die mangelnde Nachwuchsförderung und die gesundheitlichen Risiken des Boxsports.

Herr Zeuge, Sie trafen bereits im vergangenen Jahr auf Isaac Ekpo. Damals wurde der Kampf in der fünften Runde nach einem Kopfstoß von Ekpo beendet und Sie gewannen nach Punkten. Welche Erinnerungen haben Sie?
Tyron Zeuge: Nur schlechte Erinnerungen, weil das ein unfairer und unsauberer Kampf war. Festhalten, Kopfstöße, Ellbogenchecks - alles war dabei. Ekpo kann eben nicht anders boxen. Daher erwarte ich diesmal einen ähnlichen Kampf.

Jürgen Brähmer: Wir haben den letzten Kampf natürlich analysiert. Wichtig ist, dass er sich nicht auf das gleiche Niveau herablässt. Boxerisch ist Tyron klar besser.

An den letzten Kampf gegen Isaac Ekpo hat Tyron Zeuge keine guten Erinnerungen.

An den letzten Kampf gegen Isaac Ekpo hat Tyron Zeuge keine guten Erinnerungen.

(Foto: imago/Camera 4)

Früher galt Tyron als undiszipliniert und unpünktlich, soll zudem Gewichtsprobleme gehabt haben. Wie haben Sie ihn wieder auf die Erfolgsspur gebracht?
Brähmer: Ich habe ihm klar gesagt, dass ich bereits zwei Kinder habe und kein drittes brauche. Bei einer Zusammenarbeit lege ich größten Wert darauf, dass man pünktlich ist und sich aufeinander verlassen kann. Ansonsten hätte ich ihn nicht trainiert.

Herr Zeuge, was genau hat Jürgen Brähmer bei Ihnen bewirkt?
Zeuge: Ich bin einfach erwachsen und somit auch ernsthafter geworden. Das Wichtigste war aber, dass ich unter Jürgen wieder den Spaß am Boxen zurückfand. Dieser Spaß kam in den Jahren zuvor etwas zu kurz. Natürlich ist es auch ein Vorteil, in Jürgen einen Trainer zu haben, der selber noch aktiv ist. Er kann sich viel besser in mich hineinversetzen.

Spüren Sie einen besonderen Druck, weil Sie der einzige deutsche Box-Weltmeister sind und ein Titelverlust somit ein herber Schlag für den gesamten deutschen Boxsport wäre?
Zeuge: Darüber denke ich überhaupt nicht nach. Ich boxe vor allem für mich, aber natürlich auch für die Fans. Dem Druck, der einzige Weltmeister zu sein, setze ich mich aber nicht aus.

Herr Brähmer, eigentlich hätten Sie im Februar im Halbfinale der World Boxing Super Series selber im Ring stehen sollen, mussten aber verletzungsbedingt absagen. Haben Sie es bereits verarbeitet, so eine einmalige Chance verpasst zu haben?
Brähmer: Das ist natürlich sehr schade, aber die Gesundheit geht vor. Stand heute gehe ich davon aus, dass ich möglicherweise im Finale wieder im Ring stehe, weil George Groves aufgrund einer Schulterverletzung vermutlich nicht boxen kann.

Sie trainieren neben Tyron Zeuge noch einige weitere ambitionierte Boxer. Wie groß schätzen Sie die Chance ein, dass Deutschland bald wieder mehrere Weltmeister hat?Brähmer: Wir haben in Deutschland sehr viele Talente. Das Problem ist oft die mangelnde Förderung. Wenn junge Boxer 16 oder 17 Jahre alt werden und der Start ins Berufsleben ansteht, muss man ihnen eine sportliche Perspektive bieten. Und das ist letztendlich eine Geldfrage. Leider wird der Sport von der Politik zu wenig unterstützt - gerade auf der Bundesebene.

Inwiefern?
Brähmer: Etwa die Hälfte aller Förderplätze im Boxen wurden eingespart. Das ist irre. Gerade wenn man bedenkt, dass auf der anderen Seite rund 15 Milliarden Euro an öffentlichen Geldern für die Rettung der HSH Nordbank verbrannt wurden. Im Sport hingegen würde eine einzige Milliarde Euro genügen, um zu einer der größten Sport-Nationen aufzusteigen. Aber da wird gespart. Dabei trägt der Sport viel zur Integration bei. Ich sage: Würde man Migranten nicht in irgendwelche Kurse stecken, sondern einfach zu einem Sportverein schicken, würde die Integration in Deutschland viel besser gelingen.

Der Boxsport hinterlässt Spuren. Über gesundheitliche Spätfolgen macht sich Tyron Zeuge aber keine allzu großen Gedanken.

Der Boxsport hinterlässt Spuren. Über gesundheitliche Spätfolgen macht sich Tyron Zeuge aber keine allzu großen Gedanken.

(Foto: imago/Camera 4)

Herr Zeuge, Sie sind erst 25 Jahre alt und könnten locker noch zehn Jahre boxen. Bereitet es Ihnen Sorgen, wenn Sie von Medizinern hören, dass Sportarten wie American Football oder auch Boxen schwere Hirnschäden verursachen können?
Zeuge: Bei mir ist nicht so viel Hirn vorhanden, also kann nicht so viel passieren (lacht). Nein, Spaß beiseite: Man sollte sich als Sportler nicht so viele Gedanken machen. Risiken existieren überall. Im Fußball gibt es zum Beispiel aufgrund der vielen Kopfbälle mehr Hirnverletzungen. Darüber spricht man nur nicht, weil es vielleicht nicht so offensichtlich ist wie im Boxen, wo man auf Kopftreffer abzielt.

Brähmer: Das ist ein wichtiger Punkt. Wir sind in Deutschland sehr strengen Regularien unterzogen. Boxer sind dazu verpflichtet, viele Untersuchungen durchführen zu lassen. Im Fußball ist es nicht so. Dabei fordern Neurologen schon seit Ewigkeiten, dass Fußballer genauso gründlich untersucht werden. Bekommt man einen hart geschossenen Ball gegen den Kopf, ist die Wucht ähnlich wie bei dem Schlag eines Schwergewichtsboxers. Aber das wird im Fußball gar nicht groß thematisiert. Dabei ist die Anzahl der Erschütterungen im Fußball viel höher ist als im Boxen. Wir Boxer haben im Jahr vielleicht drei Kämpfe. Fußballprofis absolvieren locker 20 Mal so viele Spiele, das Training außen vor gelassen. Die Verletzungsgefahr ist beim Boxsport meiner Meinung nach deutlich niedriger.

Themawechsel: Die Kämpfe Ihres Promoters Kalle Sauerland wurden kürzlich noch von der Sendegruppe ProSiebenSat1 übertragen. Nun laufen die Boxabende auf Sport 1. Wie groß ist der Nachteil, dass der Boxsport keine Präsenz mehr auf den Hauptsendern hat?
Brähmer: Einerseits ist es richtig, dass wir dadurch etwas weniger öffentliche Aufmerksamkeit erhalten. Andererseits aber haben wir nun die Möglichkeit, mehr Boxer zu präsentieren. Sport1 überträgt viel mehr Kämpfe, als dass bei Sat. 1 oder ProSieben der Fall war - nicht nur die Hauptkämpfe, sondern auch die Vorkämpfe. Dadurch bekommen junge Boxer eine attraktive Plattform und können ihren Wiedererkennungswert ausbauen.

Die höchsten Quoten wurden im Boxsport oft erzielt, wenn deutsche Helden wie Henry Maske und Graciano Rocchigiani gegeneinander geboxt haben. Könnten Sie beide sich vorstellen, irgendwann gegeneinander in den Ring zu steigen?
Zeuge: Wir machen ja öfter Sparring gegeneinander. Da zeigt sich bei Jürgen bereits das Alter. In den letzten Runden baut er stark ab (lacht).

Brähmer: Das Problem ist nur, dass du die letzten Runden gegen mich meist gar nicht erlebst. Nein, ganz im Ernst: Es gäbe in Deutschland genug andere interessante Duelle. Ein Kampf gegen Arthur Abraham oder Felix Sturm würde sicherlich viele Menschen begeistern. Da müssen nicht zwingend Tyron und ich gegeneinander in den Ring steigen.

Mit Jürgen Brähmer und Tyron Zeuge sprach Oliver Jensen

Quelle: ntv.de

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