Studentin ist Europameisterin Extremsportart Klippenspringen
06.01.2008, 11:15 UhrAnna Bader strahlt, und ihre lebhaften braunen Augen blitzen, wenn sie von ihrem Sport erzählt: "Der Aufprall ist hart und manchmal das Wasser so kalt, dass ich kaum Luft bekomme! Doch ich bin mitten in der Natur, im See spiegelt sich die Sonne, und ich schaue nach oben zur Klippe, von der ich wenige Sekunden zuvor gesprungen bin. Das ist ein absolut cooles Gefühl." Die 24-jährige Studentin aus Mainz zählt zu den wenigen Frauen in der Extremsportart Klippenspringen. Im vergangenen Juli wurde sie zum zweiten Mal Europameisterin.
"Die Höhe habe ich schon als Kind geliebt und bin mit meinen Geschwistern von Bäumen runter gesprungen", sagt Anna Bader. Sie redet schnell und lacht viel. Dann wird sie ernst: "Aber es wäre eine Lüge, wenn ich sagen würde, ich hätte keine Angst." Doch die "Highdiver", so bezeichnen sich die Athleten selbst, haben eine Devise: "Angst ist dein Freund und dein Schutz. Sie verhindert, dass wir leichtsinnig werden." Denn die Gefahr ist groß, selbst der kleinste Fehler wird bestraft. "Ich stelle mir den Sprung ungefähr tausendmal vor, wie er abzulaufen hat. Während des Sprungs denke ich kaum, sondern konzentriere mich darauf, nicht die Orientierung zu verlieren."
Nur rund 300 Menschen weltweit üben laut der Internetseite www.cliff-diving.de die Extremsportart aus. In einer Geschwindigkeit von bis zu 100 Kilometern pro Stunde bleiben den Athleten nur etwa 2,5 Sekunden vor dem Eintauchen ins Wasser. Der Aufprall aus einer Höhe von 28 Metern ist neunmal härter als von einem 10-Meter-Turm. Größere Fehler bedeuten unter Umständen Lebensgefahr.
Aufgewachsen im Hunsrück tritt Anna zunächst in die Fußstapfen ihrer Mutter, die 1968 in Mexiko und 1972 in München bei den Olympischen Spielen als Kunstturnerin startete. Mit 13 entschließt sie sich, die Sportart zu wechseln und konzentriert sich nun auf das Turmspringen. "Durch das Kunstturnen habe ich beim Springen große Vorteile, da sich die Bewegungsabläufe ähneln." Dreimal in der Woche pendelte sie zum Training nach Mainz. Deswegen zieht Anna mit 16 alleine in die rheinland-pfälzische Landeshauptstadt, macht 2003 ihr Abitur. Mit 17 ist sie im B-Kader der Nationalmannschaft der Turmspringer, dem sie zwei Jahre angehört.
Zum Klippenspringen sei sie eher zufällig über einen Freund gekommen, der sie zu einem Wettkampf in die Schweiz mitnahm. Bei der Europameisterschaft 2005 in der Schweiz ist Anna zum ersten Mal am Start - und gewinnt. Sie balanciert im Handstand - ihrer Lieblingsposition - auf dem Granitgestein und startet ihren Sprung aus 15 Metern Höhe.
Drei Sprünge mit verschiedenen Schwierigkeitsgraden aus mindestens 13 Metern Höhe müssen die Kandidatinnen vorführen. "Leider haben nur vier Frauen am Wettkampf teilgenommen", bedauert die zierliche Frau mit den dunkelbraunen Haaren. Als sie im vergangenen Jahr ihren Titel verteidigte, hatte sie nur zwei Konkurrentinnen. Für die Weltmeisterschaft sei eine Teilnahme von Frauen bisher nicht vorgesehen: "Es gibt nur Reglements für Männer, die dort aus einer Höhe von bis zu 28 Meter springen." Diese Höhe traut sich Anna nicht zu.
Im vergangenen Oktober lernte sie in China, wo sie in einem Freizeitpark bei einer Show mitwirkte, den Sprung aus 20 Meter Höhe, ihre bisherige Höchstmarke. "Dieser Sprung mit drei vorwärts Saltos und einer halben Schraube war bahnbrechend für mich." Durch diesen Erfolg angespornt, möchte sie in diesem Jahr bei den Weltcups der Männer an den Start gehen, wo die Sprunghöhe bei 23 Metern liegt. "Ich will zeigen: Frauen können das auch!"
Um diese Leistung zu erreichen, muss Anna viel trainieren. Daher passt es ihr nicht so gut, dass sie im Winter nicht im Frankfurter Stadionbad, einem Freibad, am Zehn-Meter-Turm trainieren kann. Einen so hohen Sprungturm gibt es in Mainz nicht. Stattdessen übt sie Teile des Gesamtsprungs einzeln von niedrigeren Türmen.
Große Unterstützung bekommt Anna von ihrer Familie. "Sie bestärkt mich und begleitet mich zu Wettkämpfen. Selbst meine Oma klettert noch auf den Berg, um mich springen zu sehen." Zur Zeit studiert die 24-Jährige Englisch, Spanisch und Geografie. "Die Aufnahmeprüfung für Sport habe ich nicht bestanden - ich bin eine Niete in Ballsportarten." Anna, die gern als Rucksacktouristin exotische Länder wie Nepal und Bangladesch bereist, hat für ihre Zukunft viele Pläne. Derzeit läuft die Bewerbung für den Show-Zirkus Cirque du Soleil: "Es wäre ein Traum, in der Wasserakrobatikshow "O" in Las Vegas ein bis zwei Jahre mitwirken zu dürfen."
Von Ute Klockner, dpa
Quelle: ntv.de