Hängepartie um Dopingstudie hält an Forscher formulieren klare Empfehlungen
27.06.2013, 16:22 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Seit mehr als fünf Jahren forschen Wissenschaftler zum Thema Doping in Deutschland. Auch am Mittwoch wurden überraschend keine Ergebnisse präsentiert, doch ein Schriftstück birgt Brisanz.
Die umstrittene Studie zur Aufarbeitung des Dopings in Deutschland ist weiter unter Verschluss, doch die an die Öffentlichkeit gelangten Schlussfolgerungen der beteiligten Forscher sind brisant. In einer dem Sport-Informations-Dienst vorliegenden Stellungnahme für den Sportausschuss des Deutschen Bundestages empfehlen die Berliner Wissenschaftler weitreichende Änderungen im deutschen Sport. Unter anderem sprechen sie sich eindeutig für ein eigenständiges Anti-Doping-Gesetz aus.
"Ein Dopingverbot durch ein Gesetz Ä...Ü ist ein unerlässlicher, zeitnah zu implementierender Schritt", heißt es in dem Bericht. Dazu gehöre ausdrücklich auch, die Strafbarkeit des Athleten mit einzubeziehen. Eigentlich sollten am Mittwoch die Ergebnisse der Studie "Doping in Deutschland" im Sportausschuss vorgestellt werden. Überraschenderweise kam es dazu aber erneut nicht.
Nach Angaben des Bundesinstituts für Sportwissenschaft (BISp), das die vom Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) initiierte Studie 2008 an Forscher aus Münster und Berlin vergeben hatte, würden datenschutzrechtliche Gründe weiter einer Veröffentlichung entgegenstehen. Es war die nächste Runde in einem seit Monaten andauernden Possenspiel. Eigentlich hätten die Ergebnisse bereits seit dem vergangenen Herbst vorliegen sollen, doch die Öffentlichkeit wartet noch immer auf einen Abschlussbericht. "Mit jedem Tag, mit dem der Bericht nicht veröffentlicht wird, steigen die Spekulationen. Die Dinge müssen auf den Tisch", sagte der Berliner Forscher Giselher Spitzer: "So etwas habe ich noch nicht erlebt. Aus unserer Sicht ist der Prüfungsprozess längst abgeschlossen. Ich sehe eine gewisse Angst und einen Verdrängungsprozesse. Das ist genau verkehrt."
Keine Ergebnispräsentation?
Die Wissenschaftler der Berliner Humboldt-Universität plädieren in ihrem vierseitigen Brief unter anderem auch für ein Ende der vielzitierten "Endkampfchance" als entscheidendes Kriterium für die Entsendung von Sportlern zu internationalen Wettbewerben. Diese habe sich als "ein stark wirksamer Dopinganlass erwiesen". Zudem solle es verbindliche Umgangsempfehlungen für Funktionäre geben, die sich rechtlich wie berufsethisch nicht korrekt verhalten hätten. Eine öffentliche Diskussion über die Ergebnisse und Empfehlungen wird es aber mit hoher Wahrscheinlichkeit in den nächsten Wochen und Monaten nicht geben.
Nach der abgesagten Ergebnispräsentation werden sich die Sportpolitiker erst nach der Bundestagswahl wieder mit diesem Thema beschäftigen. Eine von der SPD beantragte Sondersitzung des Ausschusses für Anfang September wurde mit den Stimmen der Regierungskoalition abgelehnt. "Einige Verantwortliche sind sich der Tragweite dieser Studie offenbar nicht bewusst", sagte Martin Gerster, sportpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion. "Vielleicht sind die Ergebnisse so brisant, dass die Veröffentlichung so weit nach hinten gezogen werden soll, dass wir nicht mehr darüber diskutieren können", mutmaßte Viola von Cramon, sportpolitische Sprecherin von Bündnis 90/Die Grünen.
Diesem Vorwurf widerprach Christoph Bergner, parlamentarischer Staatsekretär im Bundesinnenministerium, allerdings vehemment. "Ich bin ein bisschen verwundert, dass hier jetzt Mutmaßungen angestellt werden, als würde man prekäre Ergebnisse kaschieren oder verheimlichen wollen", sagte er.
Spitzer und sein Team hatten allerdings bei einer Teilpräsentation 2011 bereits für Aufsehen gesorgt, als sie Westdeutschland für die Jahre 1970 bis 1990 ein "systemisches Doping" attestierten und Ex-NOK-Chef Willi Daume sogar "billigende Mitwisserschaft" vorwarfen. Die Wissenschaftler behaupteten zudem, dass drei Fußball-Nationalspieler bei der WM 1966 das verbotene Mittel Ephedrin eingenommen hätten und damit gedopt gewesen seien.
Quelle: ntv.de, sid