Hilfe durch Psychologen Frankreichs Fußball in der Krise
13.09.2002, 15:46 UhrFrankreichs Fußball-Welt befindet sich nach den unerwartet schlechten Resultaten der Fußball-Nationalmannschaft weiterhin in einem Schockzustand. Dem blamablen Vorrunden-Aus bei der Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea folgte der mühsame 2:1-Sieg bei Fußball-Exot Zypern zum Auftakt der EM-Qualifikation.
Trotz der Ausfälle einiger Stammspieler war auf der Ferieninsel zu erkennen, das die Mannschaft das Trauma des frühen WM-Scheiterns nicht überwunden hat. Mannschaftsarzt Jean-Marcel Ferret meint, die Gründe für die Leistungsschwäche erkannt zu haben. Öffentlich hat er die Diskussion eröffnet, der “Equipe Tricolore" einen Psychologen an die Seite zu stellen.
In der Pariser Zeitung “Le Monde“ verlangt Ferret: “Die Spieler, die es wünschen, brauchen eine psychologische Betreuung." Selbstkritisch räumt er ein: “Wir fangen in diesem Bereich beim Punkt null an, aber nach Südkorea ist die Zeit gekommen, damit zu beginnen. "
Fachleute erkennen an Interviews und Pressekonferenzen, dass die sportlichen Misserfolge nicht verarbeitet sind, da die Spieler Fragen bezüglich des Weltturniers zumeist ausweichen. Für Gerard Garreau, Psychiater am INSEP-Institut, ist dies aber ein nachvollziehbares Verhalten: “Wären die Spieler nicht traumatisiert, hätten wir es ja mit Robotern zu tun. Die Spieler sagen, sie wollen die WM vergessen und von vorne beginnen. Es geht nicht darum, dies zu sagen, es geht darum, dies zu tun. Dafür kann psychologische Betreuung notwendig sein. "
Ferret hat bereits konkrete Vorstellungen, wie die mentale Fürsorge künftig aussehen soll. Demnach wird es keinen festen Psychologen im Betreuerteam des amtierenden Europameisters geben. Stattdessen sollen jeweils nach den individuellen Bedürfnissen der Stars Spezialisten hinzugezogen werden. Bisher ist nur von Robert Pires und Eric Carriere bekannt, dass sie eigenständig Hilfe bei “Seelendoktoren“ gesucht haben. Die Hauptverantwortung will der Franzose allerdings weiterhin nur mit einem Mann teilen: “Der Mannschaftsarzt muss in enger Abstimmung mit dem Trainer die Kontrolle über alles behalten.“
Von den zuletzt ergriffenen disziplinarischen Anordnungen wie frühe Bettruhe und dem Verbot, zwei Tage vor einer Partie mit Journalisten zu reden, hält Ferret wenig. Gegenteilig ruft er zu mehr Offenheit auf. Es sei schade, dass der Fußball glaube, in diesem Männersport müssen alle Probleme in den vier Wänden der Kabine bleiben. Ein Hochleistungsprofi sei ein im mentalen Bereich sehr zerbrechliches Wesen, das psychologische Unterstützung durchaus gut gebrauchen könne.
Quelle: ntv.de