Fußball-WM 2019

DFB-Frauen glanzlos glücklich Der perfekte Start in die WM

Die deutsche Frauen lassen sich nach ihrem Auftaktsieg feiern.

Die deutsche Frauen lassen sich nach ihrem Auftaktsieg feiern.

(Foto: picture alliance / dpa)

Mit dem 2:1 gegen Kanada starten die DFB-Frauen erfolgreich in das WM-Turnier. Ein spielerisches Feuerwerk bleibt den Zuschauern zwar verwehrt, die Stimmung ist dennoch großartig. Fest steht zudem, dass Silvia Neid und ihre Kickerinnen einen Titel schon sicher haben: den im Tiefstapeln.

73.680 ohrenbetäubend laute Zuschauer im Berliner Olympiastadion (Europa-Rekord!), zwei Tore plus zwei Lattentreffer für Deutschland und nur ein Tor für Gegner Kanada (Sieg!), Torfrau Nadine Angerer galant von allen nervigen Fragen nach einem erneut gegentorlosen Turnier erlöst (Perfekt!), das Spiel bestimmt und trotzdem nicht zu hoch gewonnen (11:0 wie 2007!), was wiederum eine spannende Schlussphase ermöglichte, Luft nach oben sowie Raum für Selbstkritik ließ und gleichzeitig sehr angenehm ist, weil die Lösungsansätze schon klar auf der Hand zu liegen scheinen (Chancenverwertung, Raumaufteilung). Wenn es ein optimales WM-Eröffnungsspiel für die deutschen Fußballfrauen geben konnte, dann war es der Auftaktsieg gegen Kanada am Sonntag in Berlin.

Kerstin Garefrekes, die Spielerin des Abends.

Kerstin Garefrekes, die Spielerin des Abends.

(Foto: picture alliance / dpa)

Selbst Bundestrainerin Silvia Neid sah nach dem Spiel rundum zufrieden aus. Als sie zur Pressekonferenz erschien, scherzte sie kurz mit Kerstin Garefrekes, bevor die eilig ihre Auszeichnung als "Spielerin der Partie" davontrug. Zuvor waren noch einmal die Highlights der Partie gezeigt worden, und dabei waren vor allem deutsche Spielerinnen im Bild gewesen. Nur: Rundum zufrieden war Silvia Neid trotzdem nicht. Sie bemängelte: "Wir haben nicht Fußball gespielt in der ersten Halbzeit."

"Froh, dass wir noch gewonnen haben"

Den hatte ihre Mannschaft, so sah es die kritische Bundestrainerin, erst in der zweiten Halbzeit geboten, da aber nach den Toren von Kerstin Garefrekes (10.) und Celia Okoyino da Mbabi (42.) trotz schöner Kombinationen und bester Chancen nicht mehr getroffen. Fernschüsse von Sturmhoffnung Alexandra Popp und Mittelfeldspielerin Simone Laudehr landeten an der Latte und die ansonsten überragende Garefrekes schoss in der in der 66. Minute aus fünf Metern einen Meter über das leere Tor.

Kurios? Es war eben "ein verrücktes Spiel", fand die Bundestrainerin, ganz einfach. Angesichts der leicht wackeligen Schlussphase nach Christine Sinclairs (82.) spätem Anschlusstor war Neid am Ende vor allem froh darüber, "dass wir noch gewonnen haben". Nicht nur die Vorfreude des deutschen Teams auf das Eröffnungsspiel vor der Berliner Rekordkulisse war ja riesig gewesen, auch der Druck auf die Mannschaft war enorm.

Deutsche Leistung ist ausbaufähig

73.680 erwartungsfrohe Zuschauer können beflügeln, sie können aber auch lähmen – und sie können total aus dem Häuschen sein, wie in der 10. Spielminute. Da hatte Kerstin Garefrekes soeben per Kopf das 1:0 für Deutschland erzielt und dieses Tor für ihre Verhältnisse exorbitant ausgelassen bejubelt, mit ausgestrecktem rechten Arm und Luftsprung samt geballten Fäusten. Als "völlig aus dem Häuschen" erlebte Frank Schneider, einst Garefrekes' C-Jugend-Trainer bei Grün-Weiß Steinbeck, die sonst so introvertierte Torschützin in dieser Szene. Im Gespräch mit n-tv.de erklärte er sich den ungewöhnlichen Gefühlsausbruch so: "Da scheint eine ganz schöne Last von ihr abgefallen zu sein. Von ihr und von der Mannschaft."

"Ein verrücktes Spiel": Silvia Neid.

"Ein verrücktes Spiel": Silvia Neid.

(Foto: dapd)

Gemessen an den kaum erfüllbaren Erwartungen, mit denen die DFB-Frauen zusätzlich zum selbst ernannten Ziel WM-Hattrick vorab noch belastet worden waren, war das von Garefrekes eingeleitete 2:1 gegen starke Kanadierinnen zum Turnierstart äußerst souverän. Gemessen an den hohen Ansprüchen, die die deutschen Fußballfrauen nach zwei Jahrzehnten in der absoluten Weltklasse an sich stellen, war der erste Auftritt hingegen vor allem eins: ausbaufähig.

"Es war sicher nicht unsere Top-Leistung. Wir werden und müssen uns steigern", legte Kapitänin Birgit Prinz die Messlatte für Selbstkritik ganz forsch ganz hoch. Shootingstar Celia Okoyino da Mbabi, die ihre Berufung in die Startelf mit dem Tor zum 2:0 gerechtfertigt hatte, hielt aber problemlos mit: "Wir müssen die Sachen ablegen, die wir heute vielleicht nicht ganz so gut gemacht haben, und dann souveräner auftreten."

"Man hat sein eigenes Wort nicht verstanden"

Nicht ganz so gut gemacht hatten die DFB-Frauen im ersten Durchgang das Spiel in die Spitze, als sie zu wenig kombiniert und zu viel auf lange Bälle vertraut hatten. Nicht ganz so gut gelöst hatten sie die Raumaufteilung, weshalb zwischen Viererkette und Mittelfeld zu große Lücken klafften. Lücken, durch die sich die Kanadierinnen schonmal bis zum Tor von Nadine Angerer durchkombinierten, was Deutschland im ersten Durchgang kaum gelang.

Auch Kapitänin Birgit Prinz sieht noch Steigerungsbedarf.

Auch Kapitänin Birgit Prinz sieht noch Steigerungsbedarf.

(Foto: dpa)

Im zweiten Durchgang lief es dann zwar spielerisch besser. Nur mit dem Toreschießen klappte es nun nicht mehr, was Bundestrainerin Silvia Neid mit Blick auf das nächste Spiel am Donnerstag gegen Nigeria aber gar nicht mal unrecht ist: "So weiß jeder, dass für uns noch einiges zu tun ist. Vielleicht haben sich die Spielerinnen die Tore ja aufgehoben für das nächste Spiel."

Einmütig gelobt wurde in Berlin nur die Atmosphäre im Stadion, auch wenn die lautstarke Begeisterung auf den Rängen die Kommunikation auf dem Rasen bisweilen beeinträchtigte. "Ich fand das Publikum wirklich klasse. Meine Erwartungen wurden ganz klar übertroffen. Man hat ja sein eigenes Wort nicht mehr verstanden", sagte Neid. Torhüterin Nadine Angerer schwärmte von einem "super Publikum", dessen Energie sich auf die Spielerinnen übertragen habe - und bei Celia Okoyino da Mbabi für "Gänsehaut" gesorgt hatte: "Wir hoffen natürlich, dass die Stimmung weiter so bleibt und dass die Fans uns weiter so tragen werden." Dann könnte aus dem perfekten Eröffnungsspiel tatsächlich das erhofft perfekte Turnier werden. Die perfekte Basis dafür ist gelegt.

Quelle: ntv.de

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