Fußball-WM 2019

Kribbeln im Bauch, Schlager im Ohr Ein Hauch von WM-Euphorie

Der Mannschaftsbus der DFB-Frauen steht noch gar nicht, da quietschen und klatschen die Fans schon vor Vergnügen. Rund 1000 Zuschauer sind gekommen, um sich das öffentliche WM-Training von Silvia Neids Team in Berlin anzuschauen, und sie sind begeisterungsfähig. Nur einem Fernsehteam ist die Stimmung noch nicht gut genug.

Empfang wie für Popstars: Die Fans standen Spalier, als die DFB-Damen in Berlin zum öffentlichen Training aufliefen.

Empfang wie für Popstars: Die Fans standen Spalier, als die DFB-Damen in Berlin zum öffentlichen Training aufliefen.

(Foto: dpa)

Nur die beiden Rentner auf der Tribüne sind noch nicht ganz auf der Höhe. "Wer isn das? - "Weiß nicht. Woher sollste die auch alle kennen? Die siehste ja nie!" Celia Okoyino da Mbabi hat gerade den Ball ins Tor geschossen, die Zuschauer applaudieren freundlich. Etwa 1000 sind an diesem Spätnachmittag nach Berlin ins Stadion am Wurfplatz gekommen, um sich anzusehen, wie die deutschen Fußballerinnen für die Weltmeisterschaft trainieren. Die beginnt am Sonntag um 18 Uhr im ausverkauften Olympiastadion gleich nebenan.

Einige Familien sind dabei, die Mischung ist bunt, Männer und Frauen, Alt und Jung, kaum jemand trägt ein Trikot, nur vereinzelte schwarz-rot-goldene Fahnen, eine Stimmung wie auf einem Klassenausflug, gute Laune, Laugenbrezeln und Limo. Nett halt. Schon beim lockeren Warmtraben applaudiert das Publikum den Spielerinnen, ebenso bei jeder gelungenen Aktion im Trainingsspielchen Fünf-gegen-Fünf. Auch, als Celia Okoyino da Mbabi trifft. Sie ist Stürmerin, 22 Jahre alt, und hat gute Chancen, sich einen festen Platz im Team zu erspielen.

"Beeil dich, die hat nicht mehr viele"

Gewinnerin der Vorbereitung: Alexandra Popp drängt mit Einsatz und Toren in die Startelf. Das macht sie auch bei Autogrammjägern begehrt.

Gewinnerin der Vorbereitung: Alexandra Popp drängt mit Einsatz und Toren in die Startelf. Das macht sie auch bei Autogrammjägern begehrt.

(Foto: dpa)

Sie gilt als Gewinnerin der WM-Vorbereitung, zusammen mit Alexandra Popp, ebenfalls Angreiferin und noch einmal zwei Jahre jünger. Die beiden jungen Frauen sind dabei, den Routiniers Inka Grings und Birgit Prinz, 32 und 33 Jahre alt, den Rang abzulaufen. Und dafür zu sorgen, dass spätestens nach dem Turnier vielleicht nicht alle, aber sehr viele Menschen in Deutschland sie kennen. Die meisten Zuschauer beim Training tun das schon jetzt. Mittlerweile auch die beiden Rentner. Denn Teammanagerin Doris Fitschen verteilt Mannschaftsfotos im DinA4-Format. "Beeil' dich, die hat nicht mehr viele."

Für die Besucher im Stadion am Wurfplatz, wo sonst die Amateure von Hertha BSC um Punkte in der Regionalliga spielen, reicht es dann aber doch. Dabei ist 1000 keine schlechte Zahl. Das sind immerhin mehr, als sich im Schnitt ein Bundesligaspiel ansehen – nämlich 836. Und am Sonntag, wenn Deutschland auf Kanada trifft, werden es knapp 75.000 Zuschauer sein, das Olympiastadion ist ausverkauft.

Ansonsten gilt: Vergleiche verboten. Das ist das inoffizielle Motto der WM. Offiziell firmiert das Turnier der 16 besten Teams zwar unter dem Slogan: 20elf von seiner schönsten Seite. Aber nichts nervt die Frauen mehr, als mit den Männern verglichen zu werden. Was ja auch Quatsch ist. Schließlich hat seinerzeit beim Tennis auch niemand Steffi Graf mit Boris Becker verglichen.

"Eher so Bumm-bumm-Musik"

Also vergessen wir, dass beim öffentlichen Training der deutschen Fußballer vor der Weltmeisterschaft 2006 in Düsseldorf mehr als 42.000 Zuschauer die Mannschaft von Jürgen Klinsmann feierten. Jetzt ist 2011, die Frauen spielen und die Trainerin heißt, nach ihrer Vertragsverlängerung mindestens bis 2016, Silvia Neid. Das Ziel ist die Titelverteidigung, der Fokus liegt auf dem Eröffnungsspiel.

Rund 1000 Fans schaut im Stadion am Wurfplatz zu, wie Bundestrainerin Silvia Neid ihre 21 WM-Teilnehmerinnen zur öffentlichen Übungseinheit bat.

Rund 1000 Fans schaut im Stadion am Wurfplatz zu, wie Bundestrainerin Silvia Neid ihre 21 WM-Teilnehmerinnen zur öffentlichen Übungseinheit bat.

(Foto: dapd)

"Wir denken immer mehr an Sonntag, da kribbelt es schon", sagt Abwehrspielerin Linda Bresonik. Alexandra Popp hingegen ist "noch relativ relaxed". Im Gespräch mit den Reportern ist sie das tatsächlich und plaudert darüber, dass sie "auch Schlager auf meinem iPod" hat. Doch wenn es in vier Tagen ernst wird, ändert sie das Programm. "Vor dem Spiel höre ich dann eher so Bumm-bumm-Musik."

Sie und ihre Kolleginnen wissen die öffentliche Aufmerksamkeit sichtlich zu schätzen. Auch beim Training. Torhüterin Nadine Angerer spricht hinterher von "einer schönen Anerkennung", Annike Krahn hatte "mit so vielen Zuschauern gar nicht gerechnet" und Kerstin Garefrekes konstatiert: "Ein guter Auftakt, auf jeden Fall. So kann es weitergehen."

Nur einem Fernsehteam der ARD ist die Stimmung nicht gut genug. Der Kameramann filmt auf der Tribüne und die blonde Reporterin versucht, die Zuschauer zu animieren. "Schalalala, schalalala" und "Finale, oho". Zehn Menschen singen tatsächlich, der Rest lacht und schüttelt den Kopf. Egal, Szene im Kasten. Berlin im WM-Fieber.

Quelle: ntv.de

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