Ferrari entrüstet Freispruch für McLaren
26.07.2007, 13:23 UhrNicht schuldig - aber kein Freispruch erster Klasse: Der britisch-deutsche Formel-1-Rennstall McLaren-Mercedes ist vom Vorwurf der Spionage freigesprochen worden. Doch die Entscheidung des FIA-Weltrats beruhte auf einem Mangel an Beweisen und ist mit einer Warnung verbunden.
Sollte sich herausstellen, dass sich der Rennstall doch einen Nutzen durch geheime Ferrari-Unterlagen im illegalen Besitz des nachträglich entlassenen Chefdesigners Mike Coughlan verschaffen konnte, drohte die FIA sogar mit dem WM-Ausschluss, sowohl für die laufende Saison als auch für die kommende Saison.
Erleichterung in Silber
Mercedes-Motorsportchef Norbert Haut zeigte sich nach der Entscheidung zufrieden. "Die FIA hat bestätigt, was wir von Anfang an sagten, denn unser Team hat eindeutig nicht von Ideen oder Designs einer konkurrierenden Mannschaft profitiert", sagte er. Auch die Warnung der FIA sei ohne jegliche Relevanz.
"Denn wir haben nicht und wir werden nicht Ideen aus dem beanstandeten Material für uns verwenden - wir kennen dessen Inhalt nicht und wollen diesen auch nie kennen lernen", betonte Haug. Teamchef Ron Dennis sprach nach dem "lange und detailliert" geführten Prozess von einer Strafe, die dem Vergehen entspreche.
Enttäuschung in Italien
Dies sieht Rivale Ferrari indes ganz anders. In einer Pressemitteilung kritisierte die Scuderia das FIA-Urteil. Ferrari finde es unverständlich, dass die Verletzung fundamentaler Prinzipien der Ehrlichkeit im Sport, "als logische und ausweichliche Konsequenz", keine Sanktionen zur Folge habe, hieß es. Die Entscheidung des FIA-Weltrates legitimiere unehrliches Verhalten in der Formel 1 und markiere einen sehr ernst zunehmenden Präzedenzfall. "Ferrari empfindet, dass dies in hohem Maße der Glaubwürdigkeit der Formel 1 abträglich ist."
Der Blick auf die nun weiterhin unveränderten Klassements der Königsklasse dürfte das Unbehagen der Italiener nach 10 von 17 WM- Läufen weiter steigen lassen. Denn alles bleibt beim Alten. Senkrechtstarter Lewis Hamilton aus England und Weltmeister Fernando Alonso aus Spanien führen die Fahrerwertung mit 70 und 68 Punkten vor dem Ferrari-Duo Felipe Massa (Brasilien/59) und Kimi Räikkönen (Finnland/52) an. Bei den Teams liegt McLaren-Mercedes (138) ebenfalls vor Ferrari (111).
Verstoß ohne Folgen
Über fünf Stunden verhandelten die 26 Mitglieder des World Council an einem riesigen Tisch im Salle du Comit in der Pariser Zentrale des Internationalen Automobilverbandes FIA. Der Besitz der Unterlagen, die Coughlan vom ehemaligen Ferrari-Chefmechaniker Nigel Stepney erhalten haben soll, stellt einen Verstoß gegen Artikel 151c der Internationalen Sporting Codes dar. Dem Team habe aber nicht belegt werden können, dass es sich durch diese Informationen einen Nutzen verschafft habe, hieß es zur Begründung der mit großer Spannung erwarteten Entscheidung. "Daher erlegen wird keine Strafe auf", teilte die FIA mit.
"Es gab keine Beweise für einen Vorteil für McLaren. Es gibt keinen Zweifel, dass es eine Datenweitergabe gab. Dies ist für mich sehr schwerwiegend", erklärte das italienische Mitglied im FIA- Richterkollegium, Luigi Macaluso. "McLaren entkommt Spionage-Affäre ohne Strafe", titelte die Internetredaktion der englischen Tageszeitung "Times". "Hamilton atmet auf", meinte der "Daily Mail".
Aufatmen dürfte auch Formel-1-Chef Bernie Ecclestone, dass die teilweise bizarre Affäre mit vermeintlichen Verfolgungsjagden, Privatdetektiven und einem ehemaligen Scotland-Yard-Chef nun ein Ende hat. "Es wurde so viel über diesen Spionage-Unsinn geredet, es lenkt sogar von dem ab, was auf der Strecke passiert. Ich mag das nicht", hatte der 76 Jahre alte Brite der "The Times" schon vor der Sitzung gesagt.
Berufsverbote möglich
Vor der FIA verantworten müssen sich demnächst unterdessen auch die beiden Hauptdarsteller der "Formel 007", Coughlan und Stepney. Ihnen droht eine lange Sperre oder möglicherweise sogar ein Berufsverbot. Stepney, gegen den in Italien auch wegen des Verdachts der Sabotage an den Ferrari-Rennwagen beim Großen Preis von Monaco ermittelt wird, soll seinem Kumpel Coughlan die Informationen übermittelt haben.
Coughlans Frau soll das die Unterlagen wiederum zu einem nahe der McLaren-Zentrale in Woking gelegenen Kopier-Laden gebracht haben. Ein Mitarbeiter des Geschäfts benachrichtigte angeblich die Scuderia. Stepney und Coughlan hatten offenbar die Absicht, sich mit ihrem Wissen bei einem anderen Rennstall zu bewerben.
Quelle: ntv.de