Kampf um die Goldene Ananas Löws Truppe unter Schock
08.07.2010, 16:17 UhrDie Party ist vorbei. Jetzt geht es für die deutschen Fußballer bei der Weltmeisterschaft nur noch um die Goldene Ananas. Allein Bundespräsident Christian Wulff hat das noch nicht gemerkt – und fliegt am Samstag nach Südafrika, um sich das Spiel um Platz drei gegen Uruguay anzusehen. Bundestrainer Joachim Löw will indes seinen Ersatzspielern eine Chance geben.
Bundestrainer Joachim Löw muss im Spiel um Platz drei bei der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika am Samstag ab 20.30 Uhr gegen Uruguay vielleicht auf Sami Khedira, Mesut Özil und Miroslav Klose verzichten. Während Khedira und Özil nach dem 0:1 im Halbfinale gegen Spanien über muskuläre Probleme klagten, hat Torjäger Klose Rückenschmerzen. Aber ganz so schlimm ist das nicht. Zum einen hält sich die Vorfreude seiner Akteure auf dieses bedeutungslose Spiel in engen Grenzen. Und zum anderen ist diese Partie um die Goldene Ananas eine gute Gelegenheit, auch die notorischen Bankdrücker einmal spielen zu lassen.
Und so kündigte Assistenztrainer Hansi Flick an, dass sich wohl die bisherigen Reservisten Dennis Aogo und Serdar Tasci über ihren ersten WM-Einsatz freuen können. Vielleicht erhält sogar Ersatzkeeper Tim Wiese eine Bewährungschance. "Wir haben einige Probleme. Zudem überlegen wir, ob wir den ein oder anderen Spieler belohnen. Sie haben tolle Arbeit geleistet und es sich verdient, eine Chance zu bekommen. Da kann man etwas zurückgeben", sagte Flick und ergänzte: "Ich denke, dass uns neues, frisches Blut ganz gut tut."
Wulff fliegt dann mal hin
Das mag sich auch der neue Bundespräsident Christian Wulff gedacht haben. Jedenfalls kündigte er an, nach Südafrika fliegen zu wollen, um sich das Spiel der Halbfinal-Verlierer in Port Elizabeth im Stadion anzuschauen. Nach Angaben aus dem Bundespräsidialamt sei der Besuch von Wulff eine Reverenz an die "tolle junge deutsche Mannschaft und an den Gastgeber Südafrika für das großartige Turnier, das das Land ausgerichtet hat". Immerhin nimmt er auch noch das Finale am Sonntag in Johannesburg mit. Da spielen dann die Niederländer und die Spanier gegeneinander.
Unterdessen herrscht im DFB-Quartier immer noch Enttäuschung. Auch am Tag nach dem geplatzten Finaltraum standen die abgestürzten deutschen Himmelsstürmer weiter unter Schock - alle rosigen Zukunftsaussichten taugten nicht als Trost. Vom ungeliebten Spiel um WM-Bronze schon am Samstag gegen Uruguay wollte noch keiner viel wissen. "Es herrscht noch große Enttäuschung, weil man nicht alle vier Jahre in einem WM-Halbfinale steht", berichtete Kapitän Philipp Lahm erschöpft und mit glasigen Augen 14 Stunden nach dem K.o. gegen Europameister Spanien. Wie schon bei der Europameisterschaft 2008 hatte die Rote Furie Fußball-Deutschland brutal von der Euphorie-Wolke geholt.
"Gegen uns ihr bestes Turnierspiel"
"Unglücklicherweise haben die Spanier gegen uns ihr bestes Turnierspiel gemacht", klagte Torjäger Miroslav Klose, dem in Durban seine letzte Chance auf den Weltmeisterschafts-Titel durch die Finger geglitten war. Die Ursachenforschung für das 0:1 gegen starke Spanier um die überragenden Xavi, Andres Iniesta und Pedro verlief ähnlich erfolglos wie der mental und körperlich kraftlose Auftritt im Moses Mabhida Stadion zuvor. "Wir kamen nicht wie gewohnt zu unserem Spiel, konnten die Hemmungen nicht so richtig ablegen", erklärte Joachim Löw und schloss ratlos an: "Warum, weiß ich auch nicht."
Vom Spaßfußball, den Mesut Özil & Co. bei den Kantersiegen zuvor gegen England und Argentinien gezeigt hatten, war gegen den Europameister nichts mehr übrig geblieben. "Wir haben mutlos gespielt", stellte der junge Torhüter Manuel Neuer als einen entscheidenden Aspekt heraus. "Wir haben nach der Balleroberung zu viele Bälle zu schnell wieder verloren. Das Umschalttempo fehlte dieses Mal. Wir hatten nicht den Mut und die vollständige Überzeugung, unsere Aktionen zu Ende zu spielen", analysierte Löw.
Schweinsteiger: Ballack ist wichtig für uns
Die Spanier wiesen seine Boy Group vor allem mit Erfahrung und einem seit Jahren perfekt eingespielten Ensemble in die Schranken. Der Bundestrainer hatte das Geflecht aus jugendlicher Unbekümmertheit der Özils, Khediras und Müllers mit der neuen Chefetage um Lahm und Schweinsteiger sowie den wenigen Routiniers wie Klose und Friedrich in nur wenigen Wochen zu einer erstaunlich funktionierenden Einheit zusammengefügt.
"Die Spanier arbeiten seit drei, vier Jahren in diesem System und mit diesen Spielern zusammen", skizzierte Lahm den eigenen Nachteil, schloss aber an: "Wir haben auch die Möglichkeit, da hinzukommen." Auf dem absoluten Weltniveau entscheide "halt doch auch die Erfahrung", sagte Bastian Schweinsteiger. Und darum schreibt er den in Südafrika fehlenden Leitwolf Michael Ballack (33) auch im Gegensatz zu anderen nicht ab. "Er wird auf jeden Fall zurückkommen. Er ist ein Spieler, der natürlich sehr wichtig ist für uns."
Löws Zukunft weiter unklar
"Die Mannschaft hat keinen Grund, den Kopf hängen zu lassen", betonte Missions-Chef Löw, dessen unklare Zukunft als Bundestrainer nun wieder in den Brennpunkt rückt. Alle wollen den 50-jährigen Schwarzwälder weiter als Baumeister der nächsten potenziellen deutschen Titelgewinner-Generation sehen. Vor allem DFB-Boss Theo Zwanziger steht nach den geplatzten Vertragsgesprächen zu Jahresbeginn unter Druck. Und der Verbands-Präsident versprach den Fans in der Heimat schon mal forsch, "dass wir Lösungen finden werden, die man in Deutschland von uns erwartet".
Zunächst einmal aber muss der Bundestrainer für das letzte Spiel innerhalb seines aktuellen Vertrages sein enttäuschtes Personal wieder in die Spur bringen, um Uruguay zu schlagen und so mit einem guten letzten Eindruck aus Südafrika heimreisen zu können. "Ich muss versuchen, sie wieder etwas aufzurichten", beschrieb Löw die schwierige Aufgabe, in wenigen Stunden den Frust aus dem DFB-Hotel Grand Velmoré in Erasmia zu vertreiben. Zunächst stand nur Regeneration und Pflege an, schon an diesem Freitag geht der nächste Flug nach Port Elizabeth – zum Spiel um die Goldene Ananas.
Quelle: ntv.de, stg/dpa/sid