Countdown zum WM-Auftakt DFB-Team brennt schon
10.06.2010, 15:53 UhrNur noch ein Tag, dann wird die erste Fußball-WM in Afrika angepfiffen. Bundestrainer Joachim Löw verbreitet vorab großen Optimismus, bezüglich des DFB-Teams und der WM selbst. Sorgenkind Lukas Podolski will in Südafrika seine desolate Bundesligasaison vergessen machen - und wieder "einfach Spaß haben am Fußball".
Einen Tag vor Beginn der Fußball-Weltmeisterschaft in Südafrika sieht Bundestrainer Joachim Löw dem Turnierstart "mit großer Gelassenheit" entgegen: "Ich bin voller Energie. Denn wir haben vieles getan." Dieses Kompliment macht Löw auch dem Gastgeber der ersten WM-Endrunde auf dem afrikanischen Kontinent: "Ich sehe der ganzen Veranstaltung hier in Südafrika unheimlich positiv entgegen. Ich bin sicher, dass in den Stadien eine tolle Atmosphäre herrschen wird."
Ihren WM-Auftakt bestreitet die DFB-Elf am Sonntag gegen Australien. Es soll die erste von möglichst sieben Partien in Südafrika werden. In diesem Fall würde Deutschland mindestens das Halbfinale erreichen, so wie bei der Heim-WM 2006. Bei der Feinabstimmung für das Australienspiel machte Löw erneut alle Schotten dicht, um keinem australischen Trainings-Spion Geheimnisse zu verraten. TV-Kameras und Reporter waren nur beim Aufwärmprogramm und ersten Passübungen im Super Stadium von Atteridgeville zugelassen. Das Einspielen der Startformation sowie Einstudieren von Spielzügen, Ecken und Freistößen fand im Verborgenen statt.
Gute Statistik, schlechte Statistik
Die Statistik, dass noch kein deutscher Bundestrainer von seiner ersten WM den Titel mitgebracht hat, ficht den Bundestrainer nicht an. Zu groß ist sein Vertrauen in die deutschen Spieler, das er auch durch seinen konsequenten Verzicht auf Nachnominierungen unterstrichen hat. Unterstützung hält er von Franz Beckenbauer, der Deutschland 1990 nach sechs Jahren im Amt zum bislang letzten deutschen WM-Titel geführt hatte. "Irgendwann ist immer das erste Mal", sagte Beckenbauer zu Löws Chancen, die Serie zu durchbrechen. Er traut dem jungen deutschen Team eine positive Überraschung zu. Obwohl Spanien in Topform ist, sagt Beckenbauer: "Ich sehe keine übermächtige Mannschaft." Der Weltmeister als Spieler (1974) und Trainer (1990) gab vielmehr frei nach dem früheren Bundestrainer Helmut Schön die Devise aus: "Die anderen müssen uns Deutsche erst einmal schlagen."
Für Löws Erfolg spricht derweil eine andere Statistik: In der Liste der bisher zehn Bundestrainer und Teamchefs steht er ganz oben, was die durchschnittliche Punkt-Ausbeute in den gecoachten Länderspielen betrifft. 34 Siege, acht Remis und nur sieben Niederlagen stehen auf seinem 49-Spiele-Konto. Mit 2,25 Punkten im Schnitt verweist er "Terrier" Berti Vogts auf Rang zwei (2,18). Die Weltmeister-Trainer Schön (2,10), Sepp Herberger (1,85) und Beckenbauer (1,85) folgen abgeschlagen.
Team-Psychologe Hans-Dieter Hermann sieht in Löw "eine sehr konsequente Führungsperson", die Gelassenheit des Bundestrainers vor dem WM-Start sei "keine Fassade". Auch die Rückschläge bei der WM-Vorbereitung hätten Löw nicht geändert, machte Hermann deutlich, der seit 2004 das DFB-Team begleitet. "Die allermeisten würden jetzt schon nach Ausreden suchen oder in Aktionismus verfallen. Jogi Löw dagegen verfolgt klar weiter seine Linie. Ich kann ihm dafür nur meine Hochachtung aussprechen. Das ist schon erste Sahne", sagte er der "Frankfurter Rundschau"
Poldi will Spaß haben
Am Kap setzt der Bundestrainer auf Begeisterung, aber auch auf Perfektion. Ob es mit der neuen, extrem spielfreudigen aber auch extrem unerfahrenen Generation Mesut Özil & Co. schon bei diesem Turnier klappt, bleibt die große Unbekannte. "Es ist für alle eine besondere Herausforderung und Anstrengung. Wie sie in Extremsituationen reagieren, muss man abwarten", sagte der DFB-Chefcoach zu seinem jungen Personal, mit dem er die Herausforderung gegen die stärksten Teams der Welt angeht.
Einer der Jungen, aber gleichzeitig auch einer der Erfahrensten im Team ist Lukas Podolski. Der 25-jährige vom 1. FC Köln hat bereits 73 Länderspiele absolviert, geht bereits in sein fünftes großes Turnier und war bei der Heim-WM 2006 der beste Nachwuchsspieler. In Südafrika will er, wie eigentlich immer, "einfach Spaß haben am Fußball". Dass er diesen Spaß besonders im DFB-Trikot hat, will er bei der WM in Südafrika schon gegen Australien unter Beweis stellen. "Ich bin gut drauf, habe gut trainiert und freue mich, dass es losgeht", sagte er: "Für uns gibt es nur einen Sieg. Natürlich ist ein gewisser Druck da, weil wir der Favorit sind. Aber wir wollen positiv starten und unbedingt gewinnen."
Sein schlechtes Jahr beim 1. FC Köln - die Profikollegen wählten ihn sogar zum Absteiger der Saison - hat er nach eigener Aussage längst "abgehakt", weil ihm die Spielweise der DFB-Elf ohnehin mehr liegt. "Ich mag die offensive Ausrichtung lieber. Außerdem sind in der Nationalmannschaft die besten Spieler Deutschlands zusammen. Das macht es mir leichter."
Auch Mesut Özil verbreitet Optimismus. "Australien ist sehr defensivstark, eine robuste Mannschaft mit einer kompakten Spielanlage. Aber wir sind spielerisch besser, gut vorbereitet und absolut motiviert. Deswegen bin ich sehr optimistisch, dass wir das Spiel gewinnen und uns Schwung für das gesamte Turnier holen werden", sagte der Bremer und verdeutliche damit das von Tag zu Tag steigende Selbstbewusstsein bei der zweitjüngsten deutschen WM-Truppe überhaupt: "Ich bin sehr zuversichtlich. Man sieht auf dem Platz, dass wir immer besser harmonieren. Wir haben eine junge Mannschaft, die erfolgshungrig ist. Wir glauben an uns." Die zweite Halbzeit gegen Bosnien, als der stark nachlassende Gegner mit druckvollem Offensivspiel und schönen Kombinationen an die Wand gespielt wurde, hat Lust auf mehr gemacht.
Löws Zukunft ungewiss
Ihren Zenit wird die Mannschaft aber wohl erst später erreichen, bei der EM 2012 etwa. Natürlich lockt Löw die Aussicht, diese Entwicklung weiter zu begleiten. Doch erstens wird der sportliche Erfolg in Südafrika die Zukunft des Schwarzwälders mit beeinflussen. Und zweitens bleibt die Frage, ob der große Bruch mit dem Verband vom Jahresanfang tatsächlich zu kitten wäre.
DFB-Präsident Theo Zwanziger möchte Löw weiter beschäftigen, sogar unabhängig vom WM-Abschneiden, wie er mehrfach beteuerte. Der DFB-Boss hat aber immer noch nicht schlüssig erklären können, wie bei den gescheiterten Vertragsverhandlungen die Details in die "Bild"-Zeitung gelangen konnten. Löw hat klargestellt, dass dieser Vertrauensbruch für ihn extrem schwer wiegt. Ungelöst ist zudem das Problem Oliver Bierhoff. Löw hat klargemacht, dass er ohne den DFb-Manager nicht weitermachen will. Zwanziger hält ihn für sehr verzichtbar.
Letztlich aber wird Löw derjenige sein, der entscheidet. Und je mehr Partien zu seiner 50. gegen Australien bei der WM dazukommen, umso mehr dürfte sich seine Position verbessern. Fürsprecher im Team hat er genau, zum Beispiel Podolski: "Natürlich hoffe ich, das Jogi Löw mit dem gesamten Trainerteam weitermacht und das alles so bleibt wie bei der WM."
Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa