Fußball-WM 2010

Stärken und Schwächen der Gegner Sportstudenten als Zettel-Macher

Studenten beobachten seit Monaten die WM-Teams.

Studenten beobachten seit Monaten die WM-Teams.

(Foto: dpa)

Jens Lehmann machte, was auf "ihrem Zettel" stand, und Deutschland zog ins WM-Halbfinale ein. Sportstudenten analysieren im Vorfeld der WM die Gegner der Deutschen.

Der Zettel. Immer wieder dieser Zettel, der im Stutzen von Jens Lehmann gesteckt und Jürgen Buschmanns Arbeit auf der ganzen Welt bekanntgemacht hat. "Unser Zettel", wie der Fußball-Wissenschaftler an der Deutschen Sporthochschule in Köln sagt. Monatelang hatten sich seine Studenten im Vorfeld der WM 2006 die Spiele der argentinischen Nationalmannschaft angesehen und in mühseliger Kleinstarbeit jede Szene ausgewertet, analysiert und kategorisiert. Aus der Masse folgerten sie die entscheidenden Informationen, die Torwart-Trainer Andreas Köpke schließlich auf den Zettel schrieb: "Ayala, lange warten, langer Anlauf rechts." Lehmann wartete lange, sprang dann in die rechte Ecke, hielt den Elfmeter des argentinischen Abwehrspielers Roberto Ayala - und Deutschland stand im Halbfinale.

Oder das Achtelfinale gegen Schweden. "Zwei Tage vorher hat der DFB bei mir angerufen. Sie hätten keine Informationen, wie der schwedische Stürmer Henrik Larsson Elfmeter schießt", erinnert sich Buschmann. "Wir haben dann noch mal in die Videos geschaut und herausgefunden, dass er abwartet, was der Torwart macht, und dann erst schießt. Also haben wir an den DFB weitergegeben, dass Lehmann sich nicht bewegen darf." In der 53. Minute kommt es in der Münchner Allianz Arena zum Elfmeter: Larsson tritt an, Lehmann bleibt stehen, Larsson schießt über das Tor. "Da saß ich dann schon mit der Boris-Becker-Faust vor dem Fernseher."

Spielaufbau, Abwehrverhalten, Kondition

Bei der Weltmeisterschaft 2010 in Südafrika arbeitet der Deutsche Fußball-Bund bereits zum dritten Mal - nach der WM 2006 und der EM 2008 - mit Jürgen Buschmann und seinem Team zusammen. 53 Studenten und eine Studentin sitzen deswegen seit Monaten bis zu 12 Stunden pro Woche vor ihren vom DFB gesponserten Laptops und beobachten die WM-Teams. Serbien, Ghana und Australien stehen als Gruppengegner bereits fest, aber auch alle anderen Mannschaften werden analysiert - je wahrscheinlicher ein Zusammentreffen mit der deutschen Elf ist, desto genauer.

Bei der WM 2010 in Südafrika arbeitet der DFB zum dritten Mal mit der Deutschen Sporthochschule in Köln zusammen.

Bei der WM 2010 in Südafrika arbeitet der DFB zum dritten Mal mit der Deutschen Sporthochschule in Köln zusammen.

(Foto: dpa)

Dabei geht es nicht um simple Dinge wie Ballkontakte oder das Ecken-Verhältnis - es geht um die "technisch-taktische Analyse einer Mannschaft", erklärt Buschmann: Wie sieht der Spielaufbau aus? Über wen läuft das Spiel? Wie ist das Abwehrverhalten und wie ändert es sich bei Rückstand oder bei Führung? Wer spielt die entscheidenden Pässe in die Tiefe? Wann werden die Spieler müde?

Nur spielen muss das Team noch selbst

"Ich hangele mich da eben so am Spiel entlang", sagt Sportstudent Kai Krüger und klickt auf seinem Laptop eine Spielszene an. Mit einem speziell entwickelten Computerprogramm speichert er Szenen und dazugehörige Informationen. Spieler und Trainer der Nationalelf können dann die für sie wichtigen Szenen abrufen. "Beispielsweise könnte ich bei einem bestimmten Spieler merken: Wenn der sich am Stutzen kratzt, dann schießt er den Eckball kurz. Das ist dann wie ein Code, den ich knacke." Wirklich verraten darf der 24-jährige Bonner, der für die Mannschaften aus Australien und Nigeria eingeteilt ist, aber nichts - das ist mit dem DFB vertraglich so vereinbart.

Über seinem Kopf, an der Wand des Büros in der Kölner Sporthochschule, hängt ein DFB-Trikot mit allen Unterschriften der Nationalspieler - der Dank nach der Europameisterschaft 2008. Geld bekommt Krüger für seine Arbeit nicht - "aber dafür eine Bescheinigung, wo Offizielle vom DFB drauf unterschrieben haben. Das sieht im Lebenslauf richtig gut aus."

Die Sportstudenten liefern der Nationalmannschaft ein Rundum-Sorglos-Paket: Dossiers zu den Mannschaften, ihren Spielern und Trainern, dazu eine Beschreibung des Landes. Pro Land sind das rund 300 Seiten und mehrere DVDs mit Spielszenen. Nur spielen muss das Team noch selbst. "Natürlich können wir aus elf Ackergäulen nicht elf Rennpferde machen", sagt Buschmann, "aber wenn es beispielsweise um ein Halbfinale gegen Italien geht, dann sind das die letzten ein bis zwei Prozent, die entscheidend sein können". Bei einem Testspiel gegen Liechtenstein brauche die Nationalelf das nicht. "Da würde ich frei nach Franz Beckenbauer sagen:'Geht raus und haut sie weg'."

Quelle: ntv.de, Christina Horsten, dpa

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