Gruppe E: Kamerun im Porträt Die Löwen sind hungrig
27.05.2010, 19:20 UhrDeutsche Trainer waren mit Kamerun erfolgreich - in Afrika. Winnie Schäfer wurde mit den "Löwen" Afrikameister. Otto Pfister wurde sechs Jahre später Zweiter. Der französische Coach Le Guen fokussiert sein Team für Südafrika: Mit Party-Verbot, einer Taktik-Kur und abgesetzter Ikone. Die Löwen wollen bei der WM wieder sein, was sie 1990 mit Roger Milla schon waren - die beste Nationalmannschaft Afrikas.
Der 8. Oktober 2005 war der schwärzeste Tag in der an Höhepunkten reichen Laufbahn des Fußball-Profis Pierre Wome. Mit seinem Strafstoß in der Nachspielzeit hätte er Kamerun mit Star Samuel Eto'o zur WM-Endrunde nach Deutschland schießen können - doch Wome versagten die Nerven, Eto'o weinte, und ein ganzes Land versank in tiefer Trauer.
Der Kölner Wome bekommt viereinhalb Jahre nach dem Fehlschuss in Südafrika keine neue Chance: Er fehlt im WM-Aufgebot von Trainer Paul Le Guen. Für Eto'o geht der WM-Traum dagegen am 14. Juni gegen Japan rund drei Wochen nach dem Endspiel in der Champions League mit Inter Mailand gegen Bayern München mit einiger Verspätung doch noch in Erfüllung. Doch die Erinnerung an den Oktober 2005 begleitet ihn.
Afrikanischer Rekord
"Als wir die WM 2006 verpassten, war das ein großer Schock für uns alle, von dem wir uns nur schwer erholten. Nun haben wir endlich die Chance, uns dafür zu revanchieren", sagte Eto'o. Der dreimalige afrikanische Fußballer des Jahres glaubt auch, dass Kamerun das gelingt: "Wir spielen auf sehr hohem Niveau und werden unser Bestes geben, um die Könige von Afrika zu werden."
Zu Beginn der zweiten Qualifikations-Phase sah es allerdings nach einer Wiederholung der Schmach von 2005 aus. Der viermalige Afrika-Cup-Sieger hatte aus zwei Spielen nur ein Remis geholt und der deutsche Trainer Otto Pfister sein Amt aufgegeben. Der Franzose Le Guen übernahm und führte Kamerun mit vier Siegen in vier Spielen zum sechsten Mal zur WM. Kein afrikanisches Land war häufiger dabei.
Psychologie gegen Partywut
"Le Guen hat uns in einer schwierigen Zeit zusammengeschweißt. Er ist ein großartiger Psychologe und ein Coach mit modernen Ideen", lobte Eto'o den 46 Jahre alten Fußballlehrer, der Olympique Lyon zu drei französischen Meistertiteln in Folge führte, ehe seine Karriere bei den Glasgow Rangers und Paris St. Germain stagnierte. In Kamerun fand Le Guen zurück in die Erfolgsspur.
Er hat das Umfeld professionalisiert, die bisweilen allzu partywütigen "unzähmbaren Löwen" gebändigt und dabei auch unpopuläre Maßnahmen nicht gescheut. Er setzte den Ex-Kölner Rigobert Song, mit 134 Einsätzen Kameruns Rekordnationalspieler, als Kapitän ab und gab die Binde an Eto'o weiter. Außerdem führte er das 4-3-3-System ein und holte Stürmer Pierre Achille Webo zurück.
"Dieser Umschwung war sehr wichtig", sagte Webo selbst, "ihm ist es gelungen, Spielern, die zuvor keinen großen Einfluss hatten, wichtige Rollen zu übertragen." Wichtigste Stützen sind nun neben Eto'o und Webo Torhüter Carlos Kameni, in der Abwehr Stephane Mbia, Sebastian Bassong und Benoit Assou-Ekotto, Jean II Makoun und Alex Song im Mittelfeld sowie der Stürmer Achille Emana, die allesamt in den europäischen Top-Ligen England, Spanien oder Frankreich spielen.
Milla im Hintergrund
"Der Schlüssel ist das Talent der Spieler. Ich habe ja nicht allzu viel am Personal geändert, wohl aber teaminterne Abläufe. Ich will, dass die Jungs mit Herzblut spielen und unter Top-Bedingungen arbeiten können", sagte Le Guen. Mit dem Viertelfinal-Aus beim Afrika-Cup im Frühjahr musste er jedoch einen ersten Dämpfer hinnehmen.
Auch bei Weltmeisterschaften ist Kamerun seit dem Einzug ins Viertelfinale 1990 in Italien nichts mehr gelungen. Dreimal kam das Aus schon in der Vorrunde - wie 2002, als es ein 0:2 gegen Deutschland gab. Eto'o hofft, dass Kamerun 2010 in die Fußstapfen der legendären Mannschaft um Roger Milla tritt, die vor 20 Jahren als erstes afrikanisches Team in die Runde der letzten Acht kam: "Ich bin sehr optimistisch, dass wir für eine Überraschung sorgen" - wie 2000, als Eto'o, Wome und Co. Olympiasieger wurden.
Quelle: ntv.de, Marco Mader, sid