Mit Hoffnungen überladen WM als "Südafrikas Chance"
12.05.2010, 11:24 Uhr
Die WM soll ein "Jahrhundert Afrikas" einläuten, hoffen viele Südafrikaner.
(Foto: dpa)
Die Stadien sind fertig, die Infrastruktur steht, die Vorfreude ist groß: Mit stolz geschwellter Brust erwarten die Südafrikaner die WM. Doch viele fürchten einen anschließenden Kater.
Die Erwartungen an diese WM sind gigantisch: Das Fußballfest werde der Startschuss zum "Jahrhundert Afrikas", meint euphorisch der Chef des südafrikanischen Unternehmerverbands, Jerry Vilakazi. Friedensnobelpreisträger Desmond Tutu hofft, dass die Begeisterung der WM zur Versöhnung der tief gespaltenen Gesellschaft Südafrikas beitragen werde. Und Präsident Jacob Zuma schwärmt von "Südafrikas Chance, nun zur Lokomotive des Wandels und der Entwicklung in Afrika" zu werden. Der skandalumwitterte Polygamist und Vater von 20 Kindern wird nicht müde, die Messlatte so hoch wie möglich zu hängen: "Bafana Bafana", die Mannschaft Südafrikas "wird den Weltpokal im Land behalten", wiederholt Zuma immer wieder.
Mit stolz geschwellter Brust erwarten die Südafrikaner die Mannschaften und Fans aus aller Welt. Die Skeptiker, die einem afrikanischen Land nicht zutrauten, ein Fußball-WM zu meistern, scheinen widerlegt. Neue, prächtige Stadien sind rechtzeitig fertig geworden. Wenige Wochen vor dem WM-Start sind fast 90 Prozent der WM-Karten verkauft, das Gespenst leerer Stadien scheint gebannt.
Unberechenbares Südafrika
Die renovierten und ausgebauten Flughäfen brauchen kaum einen internationalen Vergleich zu scheuen. Straßen wurden ausgebaut, der Nahverkehr verbessert, Innenstädte herausgeputzt. Voller Naturschönheiten ist das Reiseland Südafrika ohnehin. Auf die Fußballfreunde aus nah und fern warten bunte Fanzonen, zahlreiche Gratiskonzerte sowie Heerscharen von Helfern - und nicht zuletzt gigantische Sicherheitsmaßnahmen, die in der Geschichte des Kontinents in Friedenszeiten einmalig sind.
Denn auch wenn Sicherheitsexperten beteuern, dass es keine ernstzunehmenden Drohungen gibt, so könnten doch Zwischenfälle die größte Party, die Afrika je gesehen hat, stören. Die meisten Sorgen bereiten aber nicht einmal vage Drohungen von Rechtsextremisten im Land oder Islamisten auf Webseiten. Wirkliche Gefahr für friedliche Spiele und den Imagegewinn Südafrikas droht von der gewalttätigen Kriminalität - die zum Alltag des Landes gehört.
Während der WM werden zwar die Zonen rund um die Stadien, Hotels und Fanmeilen zu Hochsicherheitszonen - aber darüber hinaus wartet das unberechenbare Südafrika, in dem noch immer viele Millionen Schwarze in bitterer Armut in den Townships der Städte leben. Seit Ende der Apartheid hat sich am Leben in den windschiefen Wellblechhütten und Lehmhäusern nicht viel geändert. Allerdings gibt es fast überall Strom und Fernseher - die täglich die glänzende Welt der Reichen in die kärglichen Heime bringen, wo sich oft vielköpfige Familien einen Raum teilen.
Gewerkschaften drohen mit Streiks
Wenn es arg kommt, drohen Südafrika auch Streiks. Trotz aller Appelle der Regierung drohen Gewerkschaften mit Arbeitskämpfen. Besonders betroffen davon könnte ausgerechnet der Verkehr sein. Die Transportarbeiter haben zumindest "den größten Streik in der Geschichte Südafrikas" angekündigt.

Stadien, Fanmeilen und Hotels gleichen Hochsicherheitszonen.
(Foto: dpa)
Für viele Südafrikaner ist bei der WM die wichtigste Frage, ob sie - wie 1996 der Titelgewinn der südafrikanischen Rugbyspieler im eigenen Land - einen wichtigen Beitrag zum Nationalbewusstsein der Südafrikaner leisten wird. Damals wurde der erste schwarze Präsident Südafrikas, Nelson Mandela, demonstrativ zum leidenschaftlichen Anhänger von Rugby, einer traditionell weißen Sportart. Nun steht der "schwarze" Sport Fußball im Fokus.
Angst vor Enttäuschungen
Die WM ist überladen mit Hoffnungen - es wäre ein kleines Wunder, wenn alle erfüllt würden. Viele Menschen der "Regenbogennation" fürchten einen Kater nach dem großen Spektakel - wenn die Spiele eben nicht so perfekt würden, Südafrikas Team als Außenseiter doch wie erwartet in der ersten Runde scheitert, unerfreuliche Zwischenfälle den Glanz der Spiele trübten. Als jüngst der weiße Rassist Eugene Terreblanche auf seiner Farm ermordet wurde, zeigte sich anschließend kurz das hässliche Gesicht Südafrikas: fanatische Weiße, die im Auftreten, in Worten und Gesten erschreckend den Faschisten ähneln. Und ehrgeizige schwarze Politiker wie der Zuma-Schützling und ANC-Jugendliga-Chef Julius Malema, der mit giftigen Slogans, Liedern und Thesen den Hass auf die reichen Weißen schürt.
Die Südafrikaner wissen sehr genau, dass die Welt eine WM im Geiste Nelson Mandelas sehen will. Nicht nur die 64 Spiele versprechen enorme Spannung; die Großveranstaltung wird auch die für viele Afrikaner brennende Frage beantworten, ob die WM das schlechte Image ihres Kontinents verändern kann.
Quelle: ntv.de, Laszlo Trankovits, dpa