WM-Wunschkonzert auf n-tv.de Warum die Schweiz es schaffen kann
16.06.2010, 09:40 Uhr
Einer für alle: Schweizer Fans, fein herausgeputzt.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Die Schweiz ist bei dieser Fußball-WM nicht der Favorit. Aber der Favoritenschreck. Noch dazu einer mit gestählten Nerven - und daraus kann eine ganze Menge werden.
Grüezi mitenand - ich verbitte mir mitleidiges Zucken um die Mundwinkel herum! Warum sollte die Schweizer Nati denn nicht Fußball-Weltmeister werden? So ballungeübt sind die Eidgenossen ja nun auch nicht, wie man an Roger Federer sieht. Na also, immer schön bescheiden bleiben. Nicht jede Mannschaft kann im Gruppenauftaktspiel so leicht davonkommen wie Deutschland, für die Schweiz hängen da gegen Topfavorit Spanien die Trauben schon höher. Aber so sind sie, die Eidgenossen, streben ständig nach Höherem. Hat dann ja auch beim Frauenwahlrecht geklappt.
Nun liegt zum Auftakt auch noch das Top-Duo Alex Frei/Valon Behrami flach, zumindest kurzzeitig. Wird also kein Spaziergang auf dem grünen Rasen werden, aber - um den Burschen mal mit einer alten Emanzenweisheit auf die Sprünge zu helfen - was uns nicht umbringt, macht uns hart!
Fußball fängt im Kopf an
Wer da denkt, Fußball ist (nur) Beinarbeit, irrt gewaltig. Fußball fängt im Kopf an. Das ist schon der erste Grund, warum die Schweizer durchaus in der Lage sind, endlich Weltmeister werden zu können. Während der Lärm der Vuvuzelas zartbesaiteten Spielern anderer "Elfen” den letzten Nerv raubt, ist das für die Schweizer nicht mehr als Almgedudel. Nur ein wenig leiser: Bei einem Wettstreit zwischen einer Gruppe Vuvuzelabläsern und einer traditionellen Kuhglockengruppe hat ein Akustikingenieur des Schweizer Fernsehens kürzlich die bei maximalem Lärmerzeugungswillen erreichten Dezibel gemessen. Die gute Nachricht: Vuvuzela und Kuhglocken lagen beide über dem in der Schweiz bei Rockkonzerten und in Discos zulässigen Maximal-Dauerschallpegel von 100 Dezibel. Die bessere Nachricht: Am lautesten aber waren die Kuhglocken!!! Das stählt!
Also, liebe Nadin und lieber Mahmut, wenn, ja wenn die "Bullen vom Bospurus” in Südafrika dabei wären, würde das auch nix werden. Denn was ist schon das Zurna-Geflöte gegen den Kuhglocken-Knall, der kurz vor dem Durchbrechen der Schallmauer liegt? Na also.
Aber dennoch vielen Dank für Gökhan Inler und Eren Derdiyok. Anstatt zu maulen wegen der Quali 2006, freut Euch lieber, denn schon gegen den Europameister könnte der Eren in die Bresche springen und auflaufen. Die Türken sind doch irgendwie dabei in Südafrika.
It’s cool, man
Da aller guten Gründe drei sind, kommt nun der zweite Grund, weshalb die Schweiz Fußballweltmeister werden könnte. Es ist - die Schweizer Lebensart. Wer hat das schon: Käse, Schoki, Banken mit und ohne Steuersündern, Heidi-Land, Geierwally und Rütli-Schwur! Welches Land hat schon Käse, der nie (nie!!!) eine Konsistenz wie Bremsbelag hat. Wem läuft nicht beim Begriff "Schweizer Schokolade" (übrigens gesetzlich geschützt) das Wasser im Munde zusammen?
Ist nämlich was ganz anderes als diese klebrige Masse, die sich ganze Fußballmannschaften aufs Brot schmieren. Aber natürlich nicht die Schweizer, denn man sieht ja an Kurányi, wohin das führt. Und vor allem der Rütli-Schwur! So etwas wie: Einer für alle und alle für einen und alle gemeinsam gegen die anderen. Unsereins in Berlin hat nur die Rütli-Schule. Wer will das schon?
Aufgeben ist nicht
Es ist die neunte WM-Teilnahme für die Schweiz. Der Ehrlichkeit halber muss man sagen, dass die "großen” Erfolge auch schon eine Weile zurückliegen. Drei Mal kam die Schweiz bis ins Viertelfinale: 1934, 1938 und 1954. 2006 schafften die Schweizer sogar das "Wunder von Köln” und beendeten als erstes Team der WM-Geschichte ein Elfmeterschießen ohne einen einzigen Treffer. Aus die Maus und die Ukraine war im Achtelfinale. 2008 - die Heim-EM war für die Schweizer Elf sogar schon nach vier Tagen Geschichte. Aber aufgeben ist nicht! Das kann doch nur noch besser werden.
Dann kam Ottmar
Und schon sind wir - last but not least - beim dritten Grund: der Trainer! Nicht einfach ein Trainer, sondern Trainerfuchs Ottmar Hitzfeld motiviert seit 2008 die Schweizer. Nach der geglückten WM-Qualifikation verlieh ihm die Schweizer Presse Beinamen wie "Messias” und "Superstar”. Die Walliser Gemeinde Staldenried taufte ihr neues, in 2000 Metern Höhe gelegenes Stadion in "Ottmar Hitzfeld Gspon Arena". (Gspon deshalb, weil‘s im Weiler Gspon liegt.) Wer kann das schon vorweisen? Nicht mal der Jogi.
Hitzfeld, unter anderem langjähriger Erfolgstrainer von Bayern München, will seine Jungs mit "Psychologie zu Höchstleistungen kitzeln”. Es ist ihm offenbar schon gelungen, seinem Team das "Kölner Trauma" zu nehmen: Der "deutsche Hexer" ließ im Training alle 18 Feldspieler Elfmeter schießen. Außer dem Herthianer Steve von Bergen trafen alle. Das lässt hoffen! Für die stählernen Nerven ließ Hitzfeld das Team unter Vuvuzela-Lärm trainieren. Da kann also nichts mehr passieren.
Zugegeben, die WM-Qualifikation lief nicht optimal, sogar eine peinliche 1:2-Heimniederlage gegen den "Fußball-Zwerg" Luxemburg war drin. Na und? Was uns nicht umbringt … siehe oben. Denn danach lief es besser - und die Schweiz qualifizierte sich als Gruppenerster direkt für Südafrika.
Nicht von schlechten Eltern
Hitzfelds Team ist nicht von schlechten Eltern. Die erfahrensten Spieler im Kader sind neben Kapitän Frei Hakan Yakin, Tranquillo Barnetta und Christoph Spycher, die alle bei der WM ihr viertes Endrundenturnier (WM oder EM) bestreiten. Recht zahlreich sind Bundesliga-Spieler vertreten, das ist ja nun auch kein Armutszeugnis: Tranquillo Barnetta und Eren Derdiyok (Bayer Leverkusen, Diego Benaglio (VfL Wolfsburg), Mario Eggimann (Hannover 96), Steve von Bergen (Hertha BSC Berlin), Pirmin Schwegler (Eintracht Frankfurt) und Albert Bunjaku (1. FC Nürnberg).
Jetzt sehe ich wieder Ihr Zucken um die Mundwinkel! Ich will die Schweiz doch gar nicht zum Favoriten machen. Aber um mit Hitzfeld zu sprechen - sie kann "zum Favoritenschreck werden". Und daraus kann sich eine ganze Menge entwickeln …
Na denn: Uf wiederluege! Das heißt nicht: Schon wieder ‘ne Lüge, sondern schlicht und einfach "Auf Wiedersehen" - bei der Fußball-WM 2014!
Quelle: ntv.de