Was wird jetzt aus Daniel Jones? Gescheiterter Spielmacher setzt auf erstaunliche Kuroase
01.12.2024, 10:27 Uhr
Daniel Jones' Zeit in New York ist vorbei.
(Foto: IMAGO/Icon Sportswire)
Daniel Jones - bei den New York Giants gescheitert, bei den Minnesota Vikings gelandet. Dort soll der einst hoffnungsvolle, aber tief gefallene Quarterback aufgepäppelt werden. Mut macht ihm die Story eines anderen abgestützten Ex-New Yorkers.
Er lacht wieder. So richtig schön und erfrischend. Und das Lachen von Daniel Jones wirkt nicht gestellt, sondern echt und vor allem erleichtert. Er hat ja auch allen Grund dazu. Seine Leiden haben ein Ende. Er wurde erlöst, befreit, gerettet. Er ist raus aus dem Keller der NFL, weg von den New York Giants, die in seiner Zeit dort alles gewesen sind, aber nie Giganten. Das lag allerdings zu einem großen Teil auch an diesem Daniel Stephen Jones III., der vielleicht größten Quarterback-Enttäuschung der Giants-Vereinsgeschichte.
Nachdem die Minnesota Vikings ihn am Mittwoch für ihre Trainingsgruppe, den Practice Squad, verpflichtet hatten, stand der 27-Jährige am Freitag erstmals im Outfit seines neuen Vereins vor der Presse. Warum Minnesota? "Du guckst dir an, was sie offensiv bislang geleistet haben. Das System, Coach Kevin O'Connell, seine Mitarbeiter", antwortete Jones. Er soll reichlich Angebote von anderen Vereinen gehabt haben, heißt es. Doch Jones brauchte nicht lange zu überlegen, um sich für Minnesota zu entscheiden. "Hier passiert einfach viel Gutes - und ganz besonders im Angriff. Ich freue mich, mitzumachen und auszuhelfen, wo ich kann."
Jones und die Giants - ein großes Missverständnis
Rückblick: Am 10. November verloren die Giants in München das Kellerduell gegen die Carolina Panthers 17:20 nach Verlängerung. Jones hatte abermals schlecht gespielt, unter anderem zwei Interceptions geworfen. Was niemand ahnte: Dies würde sein letztes Spiel im Giants-Trikot sein. Acht Tage später gab Trainer Brian Daboll bekannt, Jones auf die Bank zu setzen und stattdessen Tommy DeVito als Starting Quarterback aufzustellen. Nach vier weiteren Tagen bat Jones am 22. November um eine Vertragsauflösung - der New York liebend gerne nachkam.
Es war alles ein großes Missverständnis gewesen zwischen beiden. 2019 hatten die Giants Jones bei der Draft an sechster Stelle ausgewählt. Doch er konnte die in ihn gesetzten Erwartungen nie erfüllen - nicht mal ansatzweise. Dennoch vertraute ihm der Verein weiterhin, gab Jones im März 2023 einen Vier-Jahres-Vertrag mit einem Finanzvolumen von 160-Millionen-Dollar. Jones war also nicht nur die Gegenwart, er sollte - trotz des ausgebliebenen Erfolgs - auch die Zukunft der Giants sein.
Eine Bilanz des Grauens
Nach seiner Degradierung durch Daboll sah der Spielmacher jedoch keine Zukunft mehr in der Stadt, in der für viele die Karriere-Leitern steil nach oben gehen. In der sie ihre Träume Wirklichkeit werden ließen, Stars werden. Jones hingegen war in der Mega-Metropole gescheitert. Und die Giants hatten genug von ihm. Seine Bilanz nach fünfeinhalb Jahren: 69 Spiele von Beginn an, 24 Siege, 44 Niederlagen, ein Unentschieden. Hinzu kommt ein gewonnenes Playoff-Spiel.
Das Jones-Highlight in dieser Saison: Am neunten Spieltag bediente er Tight End Chris Manhertz in der Endzone. Es war sein erster erfolgreicher Touchdown-Pass in der heimischen Arena nach 672 Tagen! Man wisse Jones zu schätzen und wünsche ihm für die Zukunft alles Gute, ließ sich Giants-Eigner John Mara in einer Vereinsmitteilung zitieren. Damit war das Kapitel beendet.
Ein paar Schritte zurück für langfristigen Sprung nach vorne
Und nun also der Neubeginn für Jones bei den Vikings. In einem Gespräch zu Wochenbeginn mit Trainer Kevin O'Connell hatte Jones Interesse signalisiert. Doch bevor Minnesota ihn am Mittwoch für den Practice Squad verpflichtete, redete O'Connell mit seinen vier Quarterbacks Sam Darnold, Nick Mullens, Brett Rypien und J.J. McCarthy. "Quarterbacks zu entwickeln ist eine große Leidenschaft von mir", so O'Connell. Und Quarterbacks zu entwickeln braucht Zeit. Die soll Jones bekommen.
"Du willst dich immer verbessern, willst reifen. Es liegt an mir, aufzuholen", betont er - und klingt dabei richtig begeistert. Es mag komisch klingen, dass jemand, der viele Jahre lang in Amerikas größter Stadt und auf Amerikas größtem Medienmarkt als gesetzt auf seiner Position galt, jetzt froh ist, bei einem anderen Verein in der Trainingsgruppe mitmachen zu dürfen. Doch Jones ist erst 27 Jahre. Er kann durchaus noch viele Jahre in der NFL spielen, kann trotz seiner missglückten Giants-Zeit noch eine erfolgreiche Zukunft in der Liga haben. Er ist gewillt, sich zu verändern, gewillt, etwas Neues zu lernen. Er hat keinerlei Starallüren - und offenbar keine Probleme damit, ein paar Schritte zurückzugehen, um langfristig einen entscheidenden Sprung nach vorne zu machen.
Das Win-Win-Geschäft der Vikings mit Sam Darnold
Hinzu kommt: Die Vikings sind bereits für einen anderen Spielmacher eine Art Kuroase geworden, der in New York gescheitert war. Sam Darnold. Der galt für die Jets als das, was Jones für die Giants sein sollte - ein Franchise-Quarterback. 2018 hatten sie ihn bei der Draft an dritter Stelle ausgewählt, im Januar 2023 jedoch gehen lassen. Um Darnolds Zeit bei den Jets zu bilanzieren, reichte der "Sports Illustrated" ein Wort: "Flop".
Nach einem erfolglosen Intermezzo bei den San Francisco 49ers wagte Darnold im Frühjahr in Minneapolis einen Neustart. Es wurde für beide zu einem Win-Win-Geschäft. Der abgestürtzte Jet Darnold hat als Wikinger sein verloren gegangenes Selbstvertrauen zurückgewonnen und bewiesen, dass er ein Starter in dieser Liga ist. Er hat die Vikings in elf Spielen zu neun Siegen geführt, dabei 21 Touchdown-Pässe geworfen. Kurzum: Darnold hat seine Zeit im Vikings-Schaufenster optimal genutzt, um Eigenwerbung zu betreiben, sich für andere Vereine interessant zu machen.
Unterbezahlter Über-Performer
Minnesota wiederum hat einen Spielmacher für diese Saison bekommen, der jetzt Top-Leistungen bringt, der sie ziemlich sicher in die Playoffs führen wird und der - die NFL ist ja vor allem ein Business - ein unterbezahlter Über-Performer ist. Denn Darnolds Jahresgehalt ist mit zehn Millionen Dollar ziemlich überschaubar.
Jones hat Darnold's Entwicklung aus der Entfernung beobachtet und gesehen, dass er "auf einem extrem hohen Niveau spielt." Durch seine Verpflichtung wird sich vorerst nichts im Ranking der Vikings-Spielmacher ändern. Darnold bleibt der Starter, Nick Mullins, der bereits zum Ende einiger Partien eingewechselt wurde und dabei seine Zuverlässigkeit angedeutet hat, gilt als Nummer zwei.
Darnolds Vertragssituation als Chance für Jones?
Allerdings: Jones - oder zumindest sein Agent - kennt natürlich die Vertragssituation in Minnesota. Von den anderen vier Quarterbacks hat derzeit nur McCarthy einen Kontrakt für die kommende Saison. Und der ist aktuell Rekonvaleszent, erholt sich von einer Operation, die nötig war, um seinen Meniskusriss zu beheben. McCarthy kann deshalb nicht trainieren - und wird wohl diese Saison auch nicht mehr zurückkommen. Jones hingegen will jede Trainingseinheit nutzen, sich mit allem in der Vikings-Welt vertraut zu machen.
Was das für die Saison 2025 garantiert? Gar nichts. Wer sagt denn, dass Darnold im Frühjahr nicht einen neuen Vertrag unterschreibt? Doch wer sagt andererseits, dass die Vikings bereit sind, ihm den deutlich besser dotierten Kontrakt anzubieten, den er verlangen kann und verlangen wird? Vor allem, wenn sie dann einen Daniel Jones hätten, der System, Mitspieler, Trainerstab bestens kennt? Der aber billiger ist. Warum sollten sie nicht erneut hoch pokern, einem Ausgelaugten, Demoralisierten und woanders Gescheiterten aufpäppeln, ihm eine Chance geben - und damit letztlich vielleicht abermals gewinnen? So, wie sie es mit Sam Darnold gemacht haben. Willkommen in der Kuroase Minnesota, Daniel Jones.
Quelle: ntv.de