Zabel-Krisengipfel Gnade vor Recht?
25.05.2007, 16:02 UhrAm Tag nach seiner Doping-Beichte ist die Zukunft von Erik Zabel noch offen. Ein "Vierer-Krisengipfel" am Samstag mit dem geständigen Radstar und den Führungskräften seines Rennstalls Milram soll darüber entscheiden, ob der bis 2008 datierte Vertrag vorzeitig aufgelöst wird.
"Doping verjährt nach acht Jahren. Aber das ist für unsere Entscheidung, ob wir Erik weiter beschäftigen können, nicht das einzige Kriterium. Wir loten aus: Wie ist die Stimmung in Deutschland, in Holland, Belgien und Italien. Wichtig wäre auch zu wissen, ob der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) Sanktionen plant", sagte Team-Manager Gerry van Gerwen.
Im Kreis von Zabel, van Gerwen, Team-Direktor Gianluigi Stanga und Martin Michel von Sponsor Nordmilch entscheidet sich, mit welchen Konsequenzen der Topsprinter rechnen muss. Unmittelbar nach Zabels Geständnis in Bonn hatte der Niederländer van Gerwen mit Weltverbands-Präsident Pat McQuaid und der Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA) Kontakt aufgenommen, um die weitere Vorgehensweise zu beraten. "Ich glaube, in Deutschland haben gestern viele Menschen geweint", meinte der Team-Manager, der im gleichen Atemzug auf den von den ProTour-Teams selbst erlassenen Ethik-Code verwies: "Demnach müssten auch die geständigen Aldag und Henn von ihren Posten suspendiert werden."
Zabels spontaner Ausstieg aus der Katalonien-Rundfahrt verstärkten die Gerüchte, dass der bald 37-Jährige früher als geplant vom Rad steigen könnte. Seine Hoffnung auf einen finalen WM-Triumph im September vor heimischem Publikum könnte Wunschdenken bleiben. Der mit 192 Siegen erfolgreichste deutsche Radprofi wollte nicht ausschließen, dass der Verband, sein Arbeitgeber und die Öffentlichkeit mit aller Härte reagieren: "Mein Ziel ist es, an der WM in Stuttgart teilzunehmen. Die Frage ist, ob dieses Ziel nach meinem Outing noch aufrecht zu halten ist."
Schnelle Verzeihung?
Möglicherweise fällt die Reaktion auf den Sportbetrug jedoch watteweich aus. Erste Signale aus dem Präsidium des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) sind aus Zabels Sicht ermutigend. "Wir haben die Richtlinien, dass Doping belastete Fahrer weder für Olympische Spiele noch Weltmeisterschaften eingesetzt werden. Aber, wenn ich Zabel richtig verstanden habe, geht es um zugegebenes Doping im Jahr 1996", sagte Burkhard Bremer. Der BDR-Sportdirektor will die Entscheidung auch vom Milram-Votum abhängig machen.
Wie Bremer kündigte auch Rudolf Scharping, seit Jahren eine Art Zabel-Intimus, eine Einzelfall-Prüfung an. Der BDR-Präsident wollte eine Sperre nicht ausschließen, äußerte sich aber zwischen den Zeilen wohlwollend: "Ich sag' mal so: Im Himmel -so steht es in der Bibel -ist mehr Freude über einen reuigen Sünder als über tausend Gerechte. Die tausend Gerechten auf der Erde sollten jetzt nicht versuchen, die reuigen Sünder pauschal an die Wand zu nageln." Legt man nur den WADA-Code zu Grunde, muss Zabel keine Sperre fürchten. Demnach werden Doping-Vergehen aktiver Sportler nur acht Jahre rückwirkend bestraft.
Fünf Tage vor dem Start der Bayern-Rundfahrt in Garmisch-Partenkirchen ist unklar, ob Zabel beim zweitgrößten Etappenrennen Deutschlands an den Start gehen wird. Rundfahrtleiter Ewald Strohmeier hofft auf eine Teilnahme des Stars: "Ich habe kein Problem damit, wenn Erik Zabel fährt. Das ist so lange her. Wir müssen froh sein über jeden, der den Mund aufmacht." Andere Veranstalter äußerten sich ähnlich positiv. Auch beim Rennen "Nacht von Hannover" ist der einstige Zuschauerliebling Zabel erwünscht. "Nach heutigem Stand der Dinge werden wir an diesem Vertrag festhalten", sagte Organisationschef Reinhard Kramer.
Zabel hatte sich als erster noch aktiver Radprofi als Doping-Sünder geoutet. Bei einer Pressekonferenz in Bonn gab der 38-Jährige unter Tränen zu, vor und in der ersten Woche der Tour de France 1996 mit EPO gedopt zu haben.
Keine finanziellen Konsequenzen
Zabel und auch die anderen bisher geständigen Doping-Sünder müssen nicht mit der Rückzahlung eventueller Sporthilfe-Gelder aus Amateur-Zeiten rechnen. "Wir haben rechtlich keine Möglichkeit, das Geld zurückzufordern", erklärte Hans Wilhelm Gäb, der Vorstands-Vorsitzende der Deutschen Sporthilfe (DSH), bei einer Pressekonferenz in Berlin aus Anlass des 40. Gründungstages der Organisation.
Gäb verwies darauf, dass zwar seit einigen Monaten alle von der Sporthilfe geförderten Athleten einen Eid unterschreiben müssen und damit auch zur Rückzahlung von Fördergeldern im Falle eines Doping- Delikts verpflichtet sind.
Konsequenzen für Aldag gefordert
Die ehemalige Präsidentin des Bundes Deutscher Radfahrer, Silvia Schenk, verlangte nach den Dopinggeständnissen im Deutschlandradio Kultur die Ablösung von Rolf Aldag als Sportdirektor beim T-Mobile-Team. "Ein notorischer Lügner wie Rolf Aldag, der letztes Jahr den Neuanfang verkündet hat, ... kann nicht an führender Position bleiben", sagte sie. Der Wille, "reinen Tisch" zu machen, sei noch nicht zu sehen, betonte Schenk. Von der Politik forderte sie ebenfalls ein entschlossenes Handeln. Gegebenenfalls müssten Sportgelder für einige Zeit gesperrt werden.
Aldag hatte gestanden seit den 90er Jahren gedopt zu haben. Aldag und Zabel sind nach Bert Dietz, Christian Henn und Udo Bölts die Profis vier und fünf des früheren Telekom-Rennstalls, die Doping zugegeben haben.
Michael Vesper, Generaldirektor des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), fordert mehr Einzelheiten der geständigen Dopingsünder. "Mich würde interessieren: Was läuft heute?", sagte Vesper im ZDF. "Es ist schwer, zu glauben, dass nun alles vorbei sein soll."
Quelle: ntv.de