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Deutsche Hoffnung bei der EM Handballer Kühn lässt die Bombe platzen

"Ich glaube, heute ist die Bombe ein kleines bisschen geplatzt": Julius Kühn.

"Ich glaube, heute ist die Bombe ein kleines bisschen geplatzt": Julius Kühn.

(Foto: REUTERS)

Ein Spiel, und der deprimierte Schlaks mutiert zum selbstbewussten Handballer. Beim 25:26 gegen die Dänen ist Julius Kühn ein Sieger. Kommt es zum Showdown ums EM-Halbfinale gegen Spanien? "Ich habe auf jeden Fall Bock."

Es ist meist unpassend, im Sport militärisches Vokabular zu verwenden. Manchmal beschreibt es aber einfach die Gefühl- und Gemengelage ganz gut. Julius Kühn sah zwar immer noch angespannt aus, aber in seinem Gesicht zeigten sich gleichzeitig Züge der Erleichterung. "Ich glaube, heute ist die Bombe ein kleines bisschen geplatzt", sagte der 24-Jährige der MT Melsungen am Sonntagabend im Bauch der Arena in Varazdin.

"Julius hat ein ganz gutes Spiel gemacht, oder": Finn Lemke.

"Julius hat ein ganz gutes Spiel gemacht, oder": Finn Lemke.

(Foto: imago/Camera 4)

Die deutschen Handballer hatten just das zweite Hauptrundenmatch bei der Europameisterschaft gegen Dänemark nach einer deutlich verbesserten Leistung 25:26 verloren - und dennoch Sieger produziert. Der nachnominierte Rune Dahmke vom THW Kiel war einer, und vor allem aber es Kühn. Das ist vielleicht die wichtigste Erkenntnis des Niederlage gegen den Olympiasieger. Denn die Deutschen brauchen Kühn in Topform, soll die EM doch noch erfolgreich werden.

Allerdings haben das mutmaßlich weder Kühn noch das deutsche Team selbst in der Hand. Sie müssen hoffen, dass Mazedonien in den letzten beiden Partien nicht mehr als zwei Punkte holt. Und dann müssten sie auch noch am Mittwoch (ab 20.30 Uhr im ZDF und im Liveticker bei n-tv.de) gegen Spanien gewinnen. Für diesen Fall aber scheint die deutsche Mannschaft nun besser aufgestellt als zuvor. "Julius hat ein ganz gutes Spiel gemacht, oder?", fragte Finn Lemke mit einem Augenzwinkern, als er auf die Vorstellung des Halblinken angesprochen wurde. Kühn war in den ersten vier Partien der EM das Sinnbild für die Zaghaftigkeit des deutschen Angriffsspiels und die zunehmende Verunsicherung.

Wie klappt's mit dem Halbfinale?

Es gibt viele Varianten, doch die Rechnung ist einfach: Gibt Mazedonien gegen Tschechien am Dienstag und Dänemark am Mittwoch noch zwei Punkte ab, bekommt das DHB-Team sein Endspiel um das EM-Halbfinale gegen Spanien am Mittwoch ab 20.30 Uhr. Also: Verliert Mazedonien eines der beiden Spiele oder spielt zwei Mal remis, reicht Titelverteidiger Deutschland ein Sieg, egal in welcher Höhe, gegen Spanien.

Noch einen Tag vor der Partie gegen die Dänen war der blonde Schlaks mit hängenden Schultern durch das Teamhotel der Deutschen geschlurft, die Voraussetzung für sein mitunter mitreißendes Spiel war abhandengekommen. In der Bundesliga hat in der ersten Saisonhälfte niemand mehr Feldtore erzielt als Kühn. Es gibt kaum einen Handballer, der diese komplexe Sportart mit seinen krachenden Würfen aus der zweiten Reihe derartig vereinfachen kann.

Mit dieser Fähigkeit verhalf er seiner Mannschaft vor zwei Jahren in Polen zum überraschenden EM-Triumph. Und sie sollte in Kroatien wieder ein wichtiger Baustein für ein erfolgreiches Abschneiden werden. Doch bei dieser Europameisterschaft war das Selbstvertrauen weg, wie kein anderer litt Kühn in der Vorrunde unter den taktischen Überlegungen von Christian Prokop. Der Bundestrainer vertraute im Rückraum in den Duellen gegen die unorthodox deckenden Mannschaften aus Slowenien und Mazedonien anderen Spielern, der Melsunger saß fast nur auf der Bank. Und wenn er auf das Feld beordert wurde, fehlte die Überzeugung: Aus dem sonst so unerschütterlichen Julius Kühn war ein zaghafter Spieler geworden.

Für Drux ist die EM vorbei

Diese unselige Entwicklung gefährdete die Ambitionen der Deutschen, ein stark aufspielender Rückraumriese ist in der Offensive eine Grundvoraussetzung für den Erfolg. Funktioniert Kühn, ist er - um beim militärischen Vokabular zu bleiben - eine Waffe. Die gegnerische Abwehr muss sich Kühn aggressiv in den Weg stellen, um dessen Würfe aus der zweiten Reihe zu verhindern, dadurch ergeben sich automatisch größere Lücken für seine Nebenleute. Gegen Dänemark war das Angriffsspiel der Deutschen nicht mehr so zaghaft, als Kühn begann, zu treffen.

Sechs Tore erzielte er, und mit jedem einzelnen ging ein Ruck durchs deutsche Team. "Ich habe darum gebetet, dass so ein Spiel kommt", sagte Kühn. Es kam, und das freute nicht nur den Torjäger selbst. "Wir brauchen einen guten Julius Kühn", erklärte Bob Hanning, der Vizepräsident es DHB. Auch er weiß, welche Wirkung ein stark aufspielender Rückraumschütze für die Statik des eigenen Spiels hat - und welche Probleme das beim Gegner auslöst.

Diese Erkenntnis ist noch wichtiger geworden, weil der Berliner Paul Drux gegen Dänemark einen Meniskusriss im Knie erlitt, bereits nach Deutschland zurückgekehrte und in den nächsten Tagen operiert werden muss. Noch ist nicht klar, ob der Leipziger Maximilian Janke, der am Samstag für Dahmke aus dem Kader genommen worden war, ins Team zurückkehrt, oder möglicherweise Fabian Wiede, Drux‘ Kollege in Berlin, nachnominiert wird. Eine Entscheidung soll spätestens am Dienstag erfolgen.

Damit befasst sich Kühn nicht. "Ich habe auf jeden Fall Bock, keine Frage", sagte er mit Blick auf das vermeintliche Gruppenendspiel um das Halbfinale am Mittwoch (ab 20.30 Uhr im ZDF und im Liveticker bei n-tv.de) gegen Spanien. Beim langen Blonden auf Halblinks wächst das Selbstvertrauen. Für die deutschen Handballer ist eine gute Nachricht - und lässt sie hoffen.

Quelle: ntv.de

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