Sport

"Er hat ja ein gesundes Bein" Harting kommentiert Prothesen-Streit

Der Meisterschaftssieg von Markus Rehm hat die Debatte befeuert: Kann ein behinderter Sportler durch seinen Nachteil im Vorteil sein?

Der Meisterschaftssieg von Markus Rehm hat die Debatte befeuert: Kann ein behinderter Sportler durch seinen Nachteil im Vorteil sein?

(Foto: imago/Pressefoto Baumann)

In der hitzigen Debatte um den behinderten Weitspringer Markus Rehm polarisiert Diskus-Weltmeister Robert Harting: Er schlägt vor, dass Rehm auf vermeintliche Vorteile durch seine Prothese verzichtet. Der weist den Vorschlag als "Schwachsinn" zurück.

Im Streit um den unterschenkelamputierten Weitspringer Markus Rehm hat Diskus-Weltmeister Robert Harting dem Leverkusener vorgeschlagen, nicht mehr mit seiner Karbon-Prothese abzuspringen. "Ich wäre für eine einfache Lösung, um die Diskussion zu beenden, ob er durch eine Prothese einen Vorteil hat. Er hat ja ein gesundes Bein. Wenn er mit dem abspringen würde, könnte er alle Zweifel ausräumen", sagte Harting der "Sport Bild": "Dann müsste es diese wissenschaftliche Untersuchung nicht geben, und die Konkurrenten hätten keinen Anlass mehr für Kritik."

Der 25-jährige Rehm, der am vergangenen Wochenende mit 8,24 Meter als erster Springer mit Handicap den deutschen Meistertitel der Nicht-Behinderten gewonnen hatte, hat keinerlei Verständnis für Hartings Vorschlag. "Die Forderung, mit dem gesunden Bein abzuspringen, ist Schwachsinn", sagte der Paralympics-Sieger von 2012: "Dann können die anderen ja auch mit dem anderen Bein springen. Auf diese Idee kommt ja auch kein vernünftig denkender Mensch. Jeder Athlet hat eine Schokoladenseite, die kann man nicht wechseln."

Rehm springt mit seiner Karbon-Prothese am rechten Bein ab. Das hat in der Leichtathletik-Szene für eine hitzige Debatte darüber gesorgt, ob er dadurch einen unerlaubten Vorteil gegenüber den anderen Springer hat. Biomechaniker hatten während der deutschen Meisterschaften Daten erhoben, um diese Frage zu klären. Bis die Ergebnisse vorliegen, gelten Rehms Leistungen nur unter Vorbehalt.

"Muss eine politische Entscheidung sein"

Die mögliche Nominierung des behinderten Weitspringers für die Leichtathletik-EM, über die heute entschieden wird, kann aus Sicht des Experten Gert-Peter Brüggemann nicht auf Basis wissenschaftlicher Erkenntnisse erfolgen oder verweigert werden. "Es kann keine datenbasierte und seriöse Beurteilung sein", erklärte der Biomechaniker an der Deutschen Sporthochschule in Köln. "Es ist und muss eine politische Entscheidung sein."

Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes Friedhelm Julius Beucher warnte unterdessen davor, Sportler mit Behinderungen von Wettkämpfen mit Nichtbehinderten auszuschließen. "Wenn im Regelwerk von Sportverbänden der Einsatz von Prothesen verboten wird, wäre das eine Diskriminierung", schrieb Beucher in einem Beitrag für den Berliner "Tagesspiegel".

Zwar müssten auch in Rehms Fall mögliche Wettbewerbsverzerrungen durch den Einsatz der Prothese überprüft werden. Die eigentliche Debatte reiche jedoch weit über technische Aspekte hinaus. Die Kernfrage ist für Beuchert: "Kann ein Handicap, das ja immer ein Nachteil ist, zum vermeintlichen Vorteil werden?" Beucher sprach sich auch gegen die Verwendung des Begriffs "Technik-Doping" aus. Dieser sei ein "Kampfbegriff" und wirke "hässlich und diskriminierend".

Quelle: ntv.de, cwo/sid/dpa

Newsletter
Ich möchte gerne Nachrichten und redaktionelle Artikel von der n-tv Nachrichtenfernsehen GmbH per E-Mail erhalten.
Nicht mehr anzeigen