Die "Prototypen" Mol und Sorum Zwei ziemlich perfekte Beachvolleyballer
01.07.2019, 20:12 Uhr
Christian Sorum und Anders Mol beeindrucken in Hamburg mit einer starken Defensivarbeit.
Bei der Beachvolleyball-WM in Hamburg präsentiert sich ein norwegisches Duo so dominant, dass nicht nur die Experten begeistert sind. Selbst die Gegner schwärmen. Sorgen macht Mol/Sorum nur ein Duell mit Deutschlands Top-Team.
Julius Brink hat in der Welt des Beachvolleyballs wahrlich genug erlebt, um sich ein fundiertes Urteil erlauben zu können, wenn er junge Athleten durch den Sand springen sieht. Der begnadete Abwehrspieler, der in seiner Sportart gemeinsam mit seinem kongenialen Partner Jonas Reckermann als erster europäischer Weltmeister (2009 in Stavanger) und erster europäischer Olympiasieger (2012 in London) Maßstäbe setzte, begleitet das Treiben der Strandartisten mittlerweile als Experte für das Fernsehen und stellt sich dabei fast so geschickt an wie bei seinem ehemaligen Job am Netz.
Wenn Brink aber Anders Mol und Christian Sorum in Aktion sieht, gerät der 36-Jährige regelrecht ins Schwärmen. Für den Leverkusener sind die beiden jungen Norweger "der Prototyp eines erfolgreichen Beachvolleyball-Teams." Was die Führenden der Weltrangliste so stark macht, beschrieb Brink dem Fachblatt "Volleyball Magazin" im Vorfeld der WM in Hamburg wie folgt: "Diese beiden sind vor allem im athletischen Bereich hervorragend aufgestellt. Zudem sind das zwei Ausnahmetalente in ihren Bereichen, die über alle Mittel verfügen, die du im Beachvolleyball benötigst. Die verstehen sich gut, arbeiten höchst professionell und flippen nicht aus. Da kommt ziemlich viel zusammen."
"Sucht weltweit ihresgleichen"
Übrigens würde sich Anders Mol bei der WM ganz besonders über ein Duell gegen das deutsche Topteam Julius Thole und Clemens Wickler freuen, wie er der "Welt" verriet: "Wir kennen uns gut und haben, da wir gleich alt sind, schon als Junioren öfter das Vergnügen gehabt, gegeneinander zu spielen. Keine Frage – mit den heimischen Fans im Rücken haben die Jungs einen gewaltigen Vorteil", sagt der neue Superstar der Szene, der am Dienstag seinen 22. Geburtstag feiert. Allerdings spricht die Bilanz eindeutig für die Norweger.
Bei der WM im brütend heißen Tennisstadion am Hamburger Rothenbaum gaben sich Mol/Sorum bislang keine Blöße. Sie gaben gegen die Kubaner Gonzalvez/Reyes und gegen das deutsche Interimsduo Jonathan Erdmann und Sven Winter keinen Satz ab. Hernach sprach Jonathan Erdmann, der 2013 im polnischen Stare Jablonki immerhin schon mal WM-Bronze gewonnen hat, voller Ehrfurcht vom neuen Überteam der Szene: "Die Kombination von Block und Defense sucht weltweit ihresgleichen. Die sind so heiß, so selbstbewusst, so stabil – das ist das Team, das es hier zu schlagen gilt, wenn man Weltmeister werden will." Sein Partner lobt die "überragende Performance in allen Bereichen". Sven Winter nennt vor allem den "extrem hohen Druck im Aufschlag", der es allen Gegnern enorm schwer mache, bei dieser Power nicht in die Knie zu gehen.
Auffallend ist bei diesem außergewöhnlichen Duo nicht nur die enorme körperliche Präsenz, sondern auch, dass zwei Athleten, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, so dermaßen cool und abgezockt agieren. Immer dann, wenn es zu dem kommt, was die Experten als "Crunchtime" bezeichnen, blühen Mol und Sorum förmlich auf. Es ist augenscheinlich, dass sie es genießen, wenn eine Partie eng und umkämpft ist. "Nervenflattern" ist ein Phänomen, das in ihrer Welt nicht vorkommt.
Wie sehr diese beiden Nordländer in sich ruhen, lässt sich an einer Episode exemplarisch beschreiben: Im vergangenen Jahr wurden die Himmelsstürmer vor dem Masters in Wien gebeten, an einem spektakulären Fotoshooting teilzunehmen. Gemeinsam mit den österreichischen Kollegen Clemens Doppler und Alexander Horst wurden sie auf zwei Kabinen des Riesenrads im Wiener Prater postiert, jenes Wahrzeichens, das durch die Orson-Wells-Thriller "Der Dritte Mann" weltweite Berühmtheit erlangte. Mit Gurten gesichert ging es in schwindelerregende Höhen, wo atemberaubende Fotos von Beachvolleyballern entstanden, die sich auf vollkommen ungewohntem Terrain ausprobieren.
Wieder zurück auf dem Boden bekannte Clemens Doppler mit schlotternden Knien, er habe noch nie in seinem Leben so viel Angst gehabt. Dabei sollte der Routinier in mehr als 20 Jahren als Profi auf der Tour doch eigentlich alles erlebt haben. Dagegen hielten die beiden Norweger den bunten Ball mit einer Lässigkeit in der Luft, als würden sie sich das Spielgerät im Sand am Rande eines heimischen Fjords hin- und herpritschen.
Brink weiß, auf wen er setzen würde
Bei diesen Jungs kommt also eine Menge von dem zusammen, was außergewöhnliche Athleten auszeichnet. In der zurückliegenden Saison ging der Stern von Mol/Sorum kometenhaft auf, auch in der neuen Spielzeit gewann die Shootingstars die ersten drei großen Turniere in Reihe. Allerdings gab es kurz vor WM-Beginn einen kleinen Dämpfer, als das Finale des Turniers in Warschau gegen die Brasilianer Evandro/Bruno Schmidt verloren ging.
An der Einordnung der Buchmacher hat diese Delle keinen Eindruck hinterlassen. Sie notieren Mol/Sorum in Hamburg mit einer Quote von 2,70 als eindeutige WM-Favoriten. Es folgen in beachtlichem Abstand die Holländer Brouwer/Meeuwsen (8.50) und die Polen Fijalek/Bryl (9.00). Julius Brink bewertet die Verteilung der Kräfteverhältnisse ähnlich: "Wenn ich wetten müsste, wüsste ich, auf wen ich zehn Euro setze."
Sorum/Mol spielen ihr letztes Vorrundenspiel am Dienstag um 17 Uhr (live auf DAZN) gegen das brasilianische Duo Solberg/Felipe.
Quelle: ntv.de