Sport

Hindernis-Läuferin Gesa Krause "Ich hatte immer wieder Existenzängste"

"Das war ein Jahr des Umbruchs für mich": Hindernis-Läuferin Gesa Krause.

"Das war ein Jahr des Umbruchs für mich": Hindernis-Läuferin Gesa Krause.

(Foto: imago images/Beautiful Sports)

"Das Jahr hat ganz schön an mir genagt", sagt Hindernis-Weltklasseläuferin Gesa Krause im Interview mit ntv.de. Teil zwei des Gesprächs handelt von Krauses Leere im Corona-Sommer, innerer Selbstheilung und von ihrem Schock nach der Amokfahrt in Trier, wo ihr Verein beheimatet ist. Im ersten Teil des Interviews spricht Krause über ihren Hang zum Selbst-Quälen, die Verarbeitung der Olympia-Absage und ihr mentales Loch nach der verpatzten Deutschen Meisterschaft.

ntv.de: Frau Krause, als Weltklasse-Athletin sind Sie ständig unterwegs, "always somewhere" (deutsch: immer irgendwo) steht bei Ihnen auf Instagram als Location. Dazu kam das mentale Loch nach den Deutschen Meisterschaften. Hatte die Corona-Pause auch etwas Heilsames für Sie, weil Sie vorher zwei Jahre ohne Pause durchtrainiert hatten?

Gesa Krause: Ich war seit 2008 keinen ganzen Sommer mehr zu Hause und habe dieses Jahr die meiste Zeit bei meiner Familie verbracht. Das tat mir richtig gut. Ich konnte endlich mal Dinge machen, die für viele Menschen normal sind, für mich aber nicht: den Garten genießen oder grillen zum Beispiel. Aber vieles konnte man ja nicht machen, man durfte nicht feiern gehen oder mal auf ein Fest. Und die Struktur, die Trainingslager und die Wettkampf-Reisen haben mir auch gefehlt. Der Sport macht mich einfach aus, ich brauche Action und Abwechslung.

Darf es sich eine Spitzensportlerin wie Sie überhaupt leisten, mal feiern zu gehen?

Eigentlich mache ich sowas nie. Aber in so einer speziellen Zeit ohne Wettkämpfe ist das natürlich das Erste, woran man denkt: Ich könnte mal für mich auf Reisen gehen oder feiern. Aber das ging ja nicht.

Wir kümmern uns heutzutage um so viele Dinge, aber vergessen gerne mal uns selbst: Ist Ihr Selbst seit 2008 nicht ziemlich auf der Strecke geblieben?

Ich versuche schon, mir immer wieder Zeit für mich zu nehmen. Auch einfach, um dann, wenn es darauf ankommt, voll da zu sein. In diesem Jahr war das aber etwas extremer, weil trotz des schönen Sommers alles nicht so gelaufen ist, wie ich es mir vorgestellt hatte und das Jahr sportlich gesehen nichts war. Das alles hat mich nach den Deutschen Meisterschaften eingeholt und als die Corona-Vorschriften etwas gelockert wurden Ende des Sommers, bin ich einfach mal weggefahren.

Klingt ein wenig nach Selbstfindung. Viele reisen, um sich als Mensch näherzukommen.

Nach den Deutschen Meisterschaften war ich körperlich extrem müde, aber auch mental in einem Loch. Nur mit einem Rucksack und ohne Rückreiseticket flog ich allein für mehrere Wochen nach Griechenland. Ich musste mich neu mit mir auseinandersetzen und mich selbst erstmal wieder sammeln, wollte mir eine Pause gönnen. Ich wollte so auch mit den Enttäuschungen der Saison abschließen, denn, um ehrlich zu sein, hat das Jahr auch ganz schön an mir genagt. Dass ich so viel in Olympia investiert hatte, und dieses Ziel dann einfach verpufft ist. Ich war ganz schön leer. Mir hat es auch gefehlt, einfach mal spontan zu sein. Mein Leben ist sonst komplett durchgetaktet.

Haben Sie bei der Reise etwas Besonderes über sich gelernt?

Es war eine aufregende und spezielle Zeit nur mit mir selbst, die war teilweise wunderschön aber tat auch manchmal weh. Ich habe mich zwar bewegt, aber keinen Sport gemacht und erst dadurch konnte ich reflektieren, wie mich Corona beeinflusst hat und wie viel Stress ich hatte. Das war ein Jahr des Umbruchs für mich, als wäre eine Ära vorbeigegangen. Die Reise war schon eine Art innere Heilung. Irgendwann hat es dann aber wieder in meinen Füßen gekitzelt, und ich wollte aus meinem Innersten heraus wieder richtig nach Plan trainieren.

Das taten und tun Sie in Kenia natürlich hauptsächlich für die Olympischen Spiele 2021, die definitiv stattfinden sollen, womöglich aber ohne Zuschauer. Wie wäre es, eine olympische Medaille ausgerechnet in einem leeren Stadion zu gewinnen?

Die Hoffnung auf Zuschauer habe ich natürlich noch. Aber das werden sicherlich nicht die Olympischen Spiele, wie man sie sich vorstellt. Doch das ist nun mal so und die Spiele in Tokio sollen auch nicht meine letzten sein. Natürlich wäre ein volles Stadion perfekt gewesen, aber Japan lässt sich bestimmt etwas einfallen, damit dort Stimmung herrscht. Ich freue mich einfach auf den Sommer mit Wettkämpfen, da muss man dann mit den Umständen zurechtkommen.

Eine Olympia-Medaille hilft Sportlern auch Sponsorenverträge abzuschließen. Das ging dieses Jahr nicht, auch Wettkampfgelder gab es kaum.

Es war schon ein Jahr, in dem ich immer wieder Existenzängste hatte. Wenn es keine Wettkämpfe gibt, dann gibt es auch keine Antrittsgelder, Preisgelder oder Prämien. Zudem laufen Sponsorenverträge meist im Olympiajahr aus und ich war nicht sicher, wie es weitergeht. Ich hatte Enttäuschungen dabei, aber auch Sponsoren die absolut hinter mir standen. Es war natürlich kein lukratives Jahr. Ich habe immer damit gerechnet, dass so eines mal kommen würde, dachte aber wegen Verletzungen.

Sie starten seit 2017 für den Verein Silvesterlauf Trier: Wie haben Sie die Nachrichten von der Amokfahrt Anfang Dezember dort erreicht?

Ich war beim Training und habe dann eine Nachricht bekommen. Das ist unglaublich schlimm gewesen, da fehlen mir immer noch die Worte. Deshalb habe ich auf einen Social-Media-Post dazu verzichtet und stattdessen eine Anzeige in einer Trierer Zeitung geschaltet, um mich direkt an die Menschen der Stadt zu wenden. Deshalb starte ich mit meinem Verein nun auch einen virtuellen Silvesterlauf, bei dem wir Spenden für die Opfer und ihre Familien sammeln. Das ist mein kleiner Beitrag, der aber natürlich leider die schrecklichen Ereignisse in keiner Weise ungeschehen machen kann.

Hier geht es zum ersten Teil des Interviews.

Mit Gesa Krause sprach David Bedürftig.

Quelle: ntv.de

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