Frankreich ist raus Italien siegt im "Endspiel"
17.06.2008, 22:49 UhrViva Italia - mon dieu, la France: Im Duell der Totgesagten hat die "Squadra azzurra" Wiederauferstehung gefeiert und dank niederländischer Mithilfe ein EM-Desaster verhindert. 709 Tage nach dem Weltmeisterschafts-Triumph gewannen die über eine Stunde in Überzahl spielenden Italiener die Neuauflage des WM-Endspiels mit 2:0 (1:0).
Vor 30.585 Zuschauern im Züricher Letzigrund-Stadion erzielten Andrea Pirlo (25./Foulelfmeter) nach einem Foul an Bayerns Luca Toni und Daniele de Rossi (62.) die Tore gegen Frankreich. Die "quipe tricolore" konnte den frühen Ausfall von Bayerns Franck Ribry, der mit Verdacht auf einen Unterschenkelbruch nach nur zehn Minuten raus musste, nicht kompensieren. Eric Abidal sah nach seiner Attacke gegen Toni, die zum Elfmeter führte, zudem die Rote Karte.
Der ehemalige Welt- und Europameister schied damit sang- und klanglos sowie ohne einen Sieg aus. Doch auch das von den Fans im Stadion frühzeitig gefeierte Weiterkommen der Italiener von Trainer Roberto Donadoni und der erste Sieg in der regulären Spielzeit über Frankreich seit dem 2. Juni 1978 war von einem Wermutstropfen begleitet: Nach ihren zweiten Gelben Karten sind Torschütze Pirlo und Mittelfeldrackerer Gennaro Gattuso am Sonntag im Südeuropa-Schlager gegen Spanien zum Zuschauen verdammt.
Bitterer Auftakt für Frankreich
Richtig schlimm hatte es aber die Franzosen gleich zu Beginn getroffen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht wälzte sich Ribry auf dem Boden, nachdem er sich bei einem Zweikampf mit Gianluca Zambrotta verletzt hatte. Fast drei Minuten wurde der Ideengeber der "quipe tricolore" behandelt - dann das Aus. Mit Verdacht auf Unterschenkelbruch wurde Ribry ins Krankenhaus gebracht. Für Ribery schickte Frankreichs Coach Raymond Domenech, der auf Bayern-Abwehrmann Willy Sagnol ebenso wie auf Lilian Thuram in der Startformation verzichtet hatte, Samir Nasri auf den Platz.
Wenig später traf die wie erstarrt wirkenden Franzosen der nächste Schock - und der gleich im Doppelpack: Nachdem Toni nach 220 Sekunden etwas überhastet aus 20 Metern verzogen hatte, stand er in der 24. Minute erneut im Mittelpunkt. Der 1,94 Meter große Angreifer nahm einen langen Ball perfekt an, doch Abidal holte ihn von den Beinen. Der erfahrene Schiedsrichter Lubos Michel aus der Slowakei reagierte sofort: Elfmeter und Rot für den Franzosen. Den Strafstoß verwandelte Italiens Regisseur Pirlo, der beim WM-Finale auch beim Elfmeterschießen erfolgreich gewesen war, eiskalt. Der Blick auf die Stadion-Leinwand verriet: Im Fernduell mit Rumänien (0:0 zu diesem Zeitpunkt gegen die Niederlande) hatte Italien bereits die Nase vorn und beide Beine im Viertelfinale.
Chancentod Luca Toni
Toni, Toni, Toni - allein der Bayern-Brecher mit dem besonderen Ballgefühl hätte nach einer halben Stunde dann auch schon für die Vorentscheidung sorgen können. Wie schon beim 1:1 gegen Rumänien, das die Italiener überhaupt erst in schwere Verlegenheit gebracht hatte, klebte dem Italiener bei seinen beiden Topchancen (29./30.) das Pech an den Füßen. "Toni war gut, aber er muss einfach Tore machen - nur so kann er uns helfen", meinte Donadoni.
Kurz vor der Pause verpasste es dann Fabio Grosso, die Nerven der Tifosi etwas zu beruhigen. Den Freistoß des pikanterweise beim französischen Meister Olympique Lyon engagierten Abwehrmanns lenkte sein Vereinskollege Gregory Coupet mit den Fingerspitzen noch an den Pfosten. Auf der Gegenseite hatte Henry, diesmal mit Frankreichs Fußballer des Jahres Karim Benzema im Zwei-Mann-Sturm, die beste Chance (34.).
Der Lyon-Profi war es auch, der in der zweiten Hälfte den Ausgleich auf dem Fuß hatte. Sein Volley-Distanzschuss (50.) verfehlte aber das Tor des bis dato weiterhin nicht geprüften Gianluigi Buffon. Als der mehrfache Welttorhüter dann erstmals von Benzema (74.) richtig auf die Probe gestellt wurde, bewies Buffon seine Klasse.
Ohne Ribry fehlte aber die Finesse im Franzosenspiel, und mit einem Mann weniger vermochten sie die nun deutlich souveräner wirkende Italien-Abwehr, die in den ersten beiden Gruppenspielen (0:3 gegen Niederlande und 1:1 gegen Rumänien) noch Defizite offenbart hatte, erst recht nicht zu überwinden.
von Heinz Büse und Bernhard Krieger, dpa
Quelle: ntv.de