Nowitzki & Co. starten in die EM Kopfsprung ins Ungewisse
31.08.2011, 15:58 UhrWenn für die deutschen Basketballer heute mit der Partie gegen Israel die EM beginnt, stellt sich die Frage: Wie stabil ist die Mannschaft? NBA-Champion Dirk Nowitzki sucht noch seine Form, und Trainer Dirk Bauermann warnt vor "drei Hammerpartien". Fazit: Alles ist drin. So oder so.

Er ist der Superstar: Wenn Dirk Nowutzki spielt, elektrisiert das auch die Massen in Deutschland.
(Foto: dpa)
Vom Vorbereitungsturnier im türkischen Izmir ist ein Missgeschick von Tibor Pleiß überliefert. Der Center, mit 2,15 Meter der Riese im deutschen Basketball-Nationalteam, sprang mit dem Kopf voraus in einen Pool. Resultat: eine blutige Nase. Der Pool war nur einen Meter tief. Wenn die deutschen Basketballer heute ab 20 Uhr im litauischen Siauliai gegen Israel in die Europameisterschaft starten, wird das ebenfalls ein Kopfsprung ins Turnier. Unklar ist nur, wie kalt das Wasser sein wird. Und wie tief.
"Bei einer Europameisterschaft steigst du aus der Vorbereitung eigentlich gleich in eine Meisterschaftsserie ein. Da weißt du nie genau, wo du stehst", skizziert Bundestrainer Dirk Bauermann die Ausgangslage. Für NBA-Champion Dirk Nowitzki, der im basketballverrückten Litauen neben der Rolle des Superstars auch die des Mentors für die jungen Teamkollegen ausfüllen soll, ist gegen Außenseiter Israel nur eins akzeptabel: keine blutige Nase, sondern ein Sieg - und damit Selbstvertrauen für die "drei Hammerpartien gegen Italien, Frankreich und Serbien" (Bauermann). Alles andere wäre mental vielleicht schon ein entscheidender Rückschlag auf dem Weg in die Zwischenrunde und damit auf dem Weg zu den Olympischen Spielen.
Bauermann ist nur Realist ...
London 2012 ist das erklärte Ziel der deutschen Basketballer. Eine repräsentative Umfrage des Sportinformationsdienstes, wonach 43 Prozent der Deutschen dem DBB-Team sogar den EM-Titel zutrauen, ist in den vergangenen Wochen viel zitiert worden – und viel belächelt im deutschen Team. "Diese Leute haben nicht viel Basketball geschaut in letzter Zeit", hat Nowitzki die Umfrage kommentiert. Deutschland bleibt ein Fußball-Land.
Allerdings: Seit Nowitzki mit dem NBA-Titel in den deutschen Sport-Olymp aufgestiegen ist, elektrisiert auch Basketball in Deutschland wieder Massen – sofern Nowitzki dabei ist. Bei den sechs Vorbereitungsspielen mit dem 33-Jährigen waren die Hallen ausverkauft. Die Stimmung kochte schon beim Warmmachen zum ersten Mal über. Jedes Stretching, jeder Korb, jedes Winken des NBA-Champions wurde von den Fans frenetisch gefeiert.

"Wir haben eine Außenseiterchance, unter die ersten Sechs zu kommen, mehr nicht": Dirk Bauermann.
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Gemessen an der Stimmung daheim wirkt es tatsächlich ernüchternd, wenn Bundestrainer Dirk Bauermann nun sogar sagt: "Wir haben eine Außenseiterchance, unter die ersten Sechs zu kommen, mehr nicht." Doch Bauermann ist nur Realist. Die Leistungsdichte im europäischen Spitzenbasketball ist ohnehin enorm. Bei der EM spielen aufgrund des NBA-Lockouts und der Olympiaqualifikation mehr NBA-Stars mit als jemals zuvor – und mit Nowitzki und Chris Kaman tragen nur zwei das DBB-Trikot. Zudem spielt Deutschland nicht nur in der schwersten Vorrundengruppe, sondern wohl auch in der schwersten Zwischenrundengruppe mit Titelverteidiger und Topfavorit Spanien, Vize-Weltmeister Türkei und Gastgeber Litauen.
... und hat Respekt vor Israel
Dass bei der EM erstmals 24 statt 16 Teams dabei sind und damit auch sportliches Fallobst, kommt Deutschland nicht zugute. Bauermann rechnet zehn Mannschaften realistische Chancen auf die ersten sechs Plätze aus - und gegen mindestens sechs, vielleicht sogar acht von ihnen muss Deutschland spielen. Was der Bundestrainer davon hält, hat er oft genug gesagt: "Es wird brutal."
Für die Vorbereitung hätte sich Bauermann vor allem mehr Zeit gewünscht. Mehr als zwei Wochen, um sein NBA-Duo Nowitzki und Chris Kaman zu integrieren. Um NBA-Veteranen und deutsche Jungstars aneinander zu gewöhnen, Automatismen, Spielverständnis und Mut zu entwickeln. Um die in der Vorbereitung offenkundigen Schwankungen im deutschen Spiel abzustellen. Gerade mit Blick auf Auftaktgegner Israel. Der muss zwar auf seinen Star Omri Casspi verzichten, bleibt mit seiner unorthodoxen Spielweise und guten Würfen von außen trotzdem unberechenbar: "Sie machen es einem sehr schwer, einen Rhythmus zu finden. Wenn man sich instinktiv schon sehr gut versteht, dann ist das nicht so ein Problem. Wenn man sich aber selbst erst noch finden muss, dann ist das unangenehm."
Alle jagen Dirk Nowitzki
Wie weit es für die deutschen Basketballer geht, wird maßgeblich von Nowitzki abhängen. In den Testspielen lief es bei ihm nicht wirklich rund. Zuletzt machte ihm das Knie zu schaffen und eine gewisse Müdigkeit. Kaman war in der Vorbereitung der bessere deutsche NBA-Star, das weiß Bauermann: "Dirk sucht natürlich noch nach einer Form, die uns als Mannschaft auch erlauben würde, weit zu kommen. Aber er wird den Schalter umlegen, das weiß ich, da sind wir sicher." Leicht machen werden ihm die Gegner das Umschalten nicht. Als MVP der NBA-Finals ist Nowitzki nicht nur der bekannteste Basketballer bei der EM in Litauen. Er wird auch der meistgejagte sein. Er trage keine Nummer auf dem Rücken, befand Nowitzki kürzlich, sondern eine Zielscheibe.
Unsicher bleibt, wie der Rest der teils blutjungen Mannschaft beim EM-Start reagieren wird. Von ihrem "zweiköpfigen Monster" Nowitzki/Kaman erwarten Fans und Bundestrainer mit dem EM-Start einen Leistungsschub. Ob der neue Druck auch den Rest des Teams beflügelt, ist eine von vielen offenen Fragen in Siauliai. Die in der Mini-Vorbereitung erarbeitete Balance zwischen der Zuarbeit für die NBA-Stars, auf die das deutsche Spiel zugeschnitten ist, und dem Mut zu eigenen Würfen, bleibt ein fragiles Gebilde. Es könnte zusammenbrechen, wenn es plötzlich um etwas geht. Wenn plötzlich dieser Druck da ist und du nicht intuitiv das richtige tust, sondern dich wie Spielmacher Heiko Schaffartzik (27) in der "Süddeutschen Zeitung" vielleicht fragst: "Da draußen stehen Nowitzki und Chris – werf' ich jetzt?"
Trainieren kann man das nicht, das hat die Frauenfußball-WM gezeigt. Der EM-Auftakt gegen Israel wird für die deutschen Basketballer nicht nur ein Kopfsprung ins Ungewisse. Er wird auch Kopfsache.
Der deutsche EM-Kader
Name | Verein | Position | Alter | Größe | Spiele | |
4 | Robin Benzing | FC Bayern | Forward | 22 | 2,08 m | 38 |
5 | Johannes Herber | Skyliners Frankfurt | Guard/ Forward | 28 | 1,95 m | 65 |
6 | Steffen Hamann | FC Bayern | Guard | 30 | 1,94 m | 122 |
7 | Sven Schultze | Alba Berlin | Forward | 33 | 2,06 m | 112 |
8 | Heiko Schaffartzik | Alba Berlin | Guard | 27 | 1,83 m | 43 |
9 | Tim Ohlbrecht | ohne Verein | Forward/ Center | 23 | 2,10 m | 58 |
10 | Philipp Schwethelm | FC Bayern | Guard | 22 | 2,01 m | 24 |
11 | Tibor Pleiß | Baskets Bamberg | Center | 21 | 2,15 m | 38 |
12 | Chris Kaman | LA Clippers | Center | 29 | 2,13 m | 16 |
14 | Dirk Nowitzki | Dallas Mavericks | Forward | 33 | 2,13 m | 123 |
15 | Jan-Hendrik Jagla | FC Bayern | Forward/ Center | 30 | 2,11 m | 116 |
55 | Lucca Staiger | Alba Berlin | Guard | 23 | 1,95 m | 41 |
Quelle: ntv.de